Vergabe von Fach-Titeln dauert doppelt so lang wie üblich
Riesen-Schlamassel bei Zulassungs-Stelle für Ärzte

Schweizer Ärzte warten derzeit doppelt so lang auf ihren Facharzttitel. Das einzige Vergabe-Institut steckt in der Krise: zu wenig Personal, zu viele Anträge – viele davon von ausländischen Ärzten. Die Betroffenen sind frustriert, die Folgen könnten alle spüren.
Publiziert: 00:01 Uhr
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In der Schweiz müssen sich alle Fachärztinnen und Fachärzte beim selben Institut – dem SIWF – beglaubigenl lassen.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Lange Wartezeiten für Facharzttitel belasten Ärzte und Spitäler
  • Ausländische Ärzte verschärfen das Problem durch zusätzliche Prüfungen
  • Betroffene müssen auf mehrere Tausend Franken Lohn verzichten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Ärztin Alina F.* (32) ist entnervt: «Da sagt man immer, es herrsche Fachkräftemangel!» Und nun das: Die einzige Stelle in der Schweiz, die für die Zertifizierung von Fachärztinnen und -ärzten zuständig ist, steht am Limit. Statt drei Monate wartet ausgebildetes Personal aktuell mehr als doppelt so lange auf seinen Titel. «Es ist verheerend», sagt die Medizinerin. Im eng verflochtenen Gesundheitssystem könnten schlussendlich alle die Situation spüren – bis hin zu den Patienten.

Grund für die explodierenden Wartezeiten: Das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF), das dem Berufsverband FMH angeschlossen ist, leidet unter demselben Problem wie seine Branche.

Ausländische Ärzte spitzen das Problem zu

Recherchen zeigen: Gleich mehrere Fachpersonen, die für die Prüfung der Gesuche zuständig sind, sind laut übereinstimmenden Quellen zeitgleich ausgefallen. Das belastet die bereits angespannte Personalsituation in Spitälern oder Gruppenpraxen – und geht dabei auch ins Geld! Blick dokumentiert, wie es zu diesem Schlamassel kommen konnte.

Der Knatsch um die Fachtitel wird durch ausländische Ärztinnen und Ärzte verstärkt. Sie sollen den Schweizer Fachkräftemangel abfedern, sorgen aber jetzt für noch mehr Verzögerungen. «In vielen Fällen sind zusätzliche Informationen erforderlich, um die Gleichwertigkeit der Weiterbildung fundiert beurteilen zu können», sagt SIWF-Präsidentin Monika Brodmann Mäder (62) auf Anfrage von Blick.

Von diesen Gründen erfährt man auf der Website des Instituts nichts. Nur ein kleines Banner weist darauf hin, dass die «aussergewöhnlich hohe Zahl» an eingehenden Titelanträgen zu Verzögerungen führe.

Monopolstellung bei den Facharzttiteln?

Alina F. hat ihren Antrag bereits im Dezember eingereicht – und wartet noch immer. «Zudem ist es quasi unmöglich, das Institut telefonisch zu erreichen», sagt die Ärztin. Nachfragen seien nur an Werktagen zwischen 13 und 17 Uhr möglich. «Und auch dann steckt man bis zu 45 Minuten in der Warteschleife.»

Für F. sei es sowieso fragwürdig, weshalb das SIFW bei der Titelvergabe sozusagen eine Monopolstellung einnimmt. «Dadurch können sie tun, was sie möchten», sagt sie. «Und das zu einem Preis von 4000 Franken pro Gesuch.»

F. ist nicht die einzige Assistenzärztin, die auf die lange Bank geschoben wird. Ihr sind zahlreiche Berufskolleginnen und -kollegen bekannt, die ebenfalls von den Wartefristen betroffen sind. Auch Blick hat Kenntnis von mehreren Fällen.

Lohneinbussen von mehreren Tausend Franken

Der Verband der Schweizerischen Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO) bestätigt die Situation. «Die Verzögerung um aktuell drei bis vier Monate ist für die Gesuchstellenden ein grosses Problem», sagt der stellvertretende Geschäftsführer Philipp Thüler. Auch für Spitäler oder Gruppenpraxen könnte dies problematisch sein, da so möglicherweise Fachkräfte fehlen, mit denen eigentlich gerechnet wurde.

«Für die Betroffenen wirkt sich das natürlich auch finanziell aus», sagt Thüler. Das bestätigt auch Isabelle C.* (33) aus eigener Erfahrung. Die Fachärztin beantragte ihren Titel zwar bereits 2023 – also vor den Problemen im SIWF. Aufgrund eines Formfehlers erhielt C. jedoch beim ersten Anlauf nach drei Monaten eine Absage. Der zweite Anlauf dauerte erneut beinahe so lange. «Ich konnte in dieser Zeit zwar in der Funktion eines Oberarztes arbeiten, hatte in dieser Zeitperiode jedoch weder den entsprechenden Lohn noch den Titel», sagt die Ärztin.

Institut gelobt baldige Besserung

Mit dem aktuellen Mangel an Fachpersonen spitzt sich diese Situation für die Assistenzärztinnen und -ärzte nochmals zu. Betroffene müssten teilweise auf mehrere Tausend Franken Lohn verzichten, rechnet Alina F. vor.

Das Institut selbst gelobt derweil Besserung: So habe man bereits mit Neuanstellungen reagiert. «Wir sind zuversichtlich, dass die Fristen absehbar wieder kürzer werden», sagt Brodmann Mäder. Zudem gebe es mittlerweile eine Stelle für Härtefälle. So sollen Ärztinnen und Ärzte priorisiert werden, die für den Einstieg in eine Praxis auf den Facharzttitel angewiesen sind oder ohne diesen eine geplante Stelle verlieren würden.

Laut Philipp Thüler steht der VSAO dafür mit dem Institut in einem kontinuierlichen Austausch. «Wir gehen davon aus, dass das SIWF alles tut, um den Prozess der Titelerteilung zu verbessern und zu verkürzen», sagt er. Aufgrund der Informationen, die sein Verband erhalten habe, würden sich bereits erste Verbesserungen abzeichnen.

* Name geändert 

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