Darum gehts
- Benjamin Holzer erlitt schweren Infekt am Bein
- Er musste sich zehnmal innert kurzer Zeit operieren lassen
- Die wirklich Probleme begannen aber erst nach der Spital-Entlassung
Benjamin Holzer (41) aus Biel BE landet vor rund fünf Jahren mit einem schweren Infekt am Bein in der Notaufnahme. Wenige Stunden später folgt für den damals 200 Kilo schweren Mann die erste Notoperation im Berner Inselspital. Ein grosser Teil des Gewebes an seinem Unterschenkel wird entfernt. In den nächsten vier Wochen liegt er weitere neunmal auf dem OP-Tisch. Jedes Mal muss er befürchten, ohne sein rechtes Bein aufzuwachen – doch die Ärzte retten es. Heute sagt er: «Die eigentlichen Probleme fingen erst bei meiner Entlassung an!»
Die Ärzte verordnen ihm nach der OP-Flut vier Wochen Bettruhe und überstellen ihn ans Reha-Zentrum Heiligenschwendi BE. Alles ist vorbereitet, seine Krankenkasse hat die Kosten gesprochen. Vier Tage vor seiner Entlassung der Schock: «Mir wurde gesagt, man könne mich dort nicht betreuen, da ich nicht mobil sei. Das hätten die Verantwortlichen doch wissen müssen!» Es beginnt für Holzer eine Odyssee, die ihn viel Nerven und Geld kostet. Er fühlt sich vom Inselspital im Stich gelassen.
Eine neue Lösung muss her. «Ich könne mich bei der Spitex melden», sagte ihm das Spital. «Die würden innerhalb von 48 Stunden eine Lösung finden.» Dumm nur: Das Coronavirus grassiert zu dieser Zeit – die Spitex ist überlastet. Bevor Holzer betreut werden kann, würden mindestens zwei Wochen vergehen. «Ich musste raus aus dem Spital, hatte aber niemanden, der sich um mein Bein kümmert», erzählt er. Seine Mutter (damals 71) war früher Krankenschwester und nimmt Holzer für die zwei Wochen bei sich auf. Jahre später erfährt Holzer: Das Spital hätte Möglichkeiten gehabt, ihn vor Ort weiter zu betreuen. Nur: Niemand informierte ihn darüber.
Ein Problem kommt selten allein
Für die Wundpflege braucht Holzer spezielle – und teure – antibakterielle Gazen. Diese kosten rund 370 Franken im Monat. Seine Krankenversicherung verweigert die Kostenübernahme aber, da Holzer nur allgemein versichert ist. Alternativen gibt es auf dem Markt keine. Holzer weist das Spital mehrmals auf das Problem hin und bittet es, mit seiner Krankenkasse Kontakt aufzunehmen.
Holzer kauft die Gazen die ersten Monate selbst: «Das hätte ich finanziell nicht lange ausgehalten.» Die Patienten-Ombudsstelle gibt ihm einen Tipp: Er solle bei Pro Infirmis anfragen. «Ich bin ihnen unheimlich dankbar, dass sie mir geholfen haben.» Rund sechs Monate lang zahlt die Pro Infirmis danach Holzers Wundverbände.
Bis Holzer selbst Recherchen anstellt: Er findet heraus, dass die Gazen bei seinem Aufenthalt im Spital übernommen wurden. Er wendet sich persönlich an die Krankenkasse und fällt ein zweites Mal aus allen Wolken: «Trotz meiner Bitten an das Inselspital, mit meiner Krankenkasse wegen der Gazen Kontakt aufzunehmen, hat sich niemand jemals bei ihnen gemeldet!» Blick liegt die entsprechende, schriftliche Bestätigung vor.
Kommunikationspannen à gogo
Seine letzte OP ist fünf Jahre her. Doch auch heute noch kann sich Holzer nicht damit abfinden: «Alles in allem sind zwölf meiner Nachfragen innert eines halben Jahres innerhalb des Inselspitals versandet.»
Holzer wollte es eigentlich auf sich beruhen lassen. Doch ein kürzlicher Kontakt mit dem Inselspital habe ihm die Augen geöffnet. Wieder versandeten seine Nachfragen im bürokratischen Nimbus: «Es ist eindeutig ein Systemfehler. Ich verlange von den Verantwortlichen, die Probleme in der Nachsorge zuzugeben und eine Lösung zu präsentieren!»
Das Magazin «Gesundheitstipp» berichtete vor Blick über den Fall Benjamin Holzer. Blick konfrontierte das Spital mit den Vorwürfen. Der Patient sei «nach sorgfältiger Abwägung aus der stationären Behandlung entlassen» worden, heisst es. «Im Wissen, dass seine Nachsorge gewährleistet war.» Das Spital habe Holzer Gespräche und Unterstützung angeboten, um seine Genesung zu fördern und ihn «in administrativen Belangen wie der Kostenübernahme zu unterstützen».
Weiter sagt das Spital: Austritte nach Hause mit Unterstützung der Spitex seien komplex für die Gesundheitssysteme. Vielfach erschwere die «unzureichende Verfügbarkeit anderer ambulanter Strukturen» diesen Übergang. «Wir nehmen Kritik und Verbesserungsvorschläge ernst.» Und man arbeite in enger Zusammenarbeit mit der Spitex daran, «die Übergänge von der stationären zur ambulanten Versorgung zu verbessern».
Und: «Aus der Analyse der monatlich über 100 Patienten der Insel-Gruppe, welche wir mit häuslicher Spitex-Versorgung entlassen, sehen wir, dass unser System grundsätzlich gut funktioniert. In Einzelfällen können komplexe Erkrankungen, seltene Medikamente oder spezielle Therapien zu Herausforderungen führen.» Hier setze das Spital an, um «individuelle Lösungen zu finden» und die Patienten bestmöglich zu versorgen.
Und Holzer? Der betont, er sei vor Ort gut behandelt worden: «Die Probleme beim Inselspital entstehen aber in der Nachsorge. Sobald man herausmuss, interessiert sich keiner mehr für einen.» Immerhin: Holzer kann sich heute «normal» bewegen.