Darum gehts
- Ein Mitarbeiter des Deutschen Bundestags ist bei sensibler Schweizer Kommissionssitzung anwesend
- SVP-Politiker kritisieren dessen Anwesenheit
- 5 bis 7 Mitarbeitende beider Seiten nahmen in den letzten Jahren an einem Austausch teil
Mitte April im Bundeshaus. Die Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK) versammelt sich an zwei Tagen zur Sitzung. Die Weltwirtschaft ist aufgeheizt. Kurz zuvor hat US-Präsident Donald Trump (78) seinen Zollhammer ausgepackt und Zölle in Höhe von 31 Prozent gegen die Schweiz verkündet. Die Schweizer Verwaltung arbeitet mit Hochdruck.
Neben der üblichen Runde von Wirtschaftspolitikern des Nationalrats und Kommissionssekretären ist an der Sitzung auch Daniela Stoffel (57) anwesend. Sie ist Staatssekretärin für internationale Finanzfragen und informierte an der Sitzung zu aktuellen Finanzgeschäften. Unter anderem auch zu Schweizer Interessen in den Verhandlungen mit der EU und den USA.
Aber warum hört denn da auch ein Deutscher zu? Der darüber hinaus Angestellter des Deutschen Bundestags ist?
Ein geladener Gast
Er hat sich nicht etwa eingeschlichen oder den Sitzungsraum verwanzt. Er wurde von den Parlamentsdiensten eingeladen.
«Die Parlamentsdienste pflegen einen guten Austausch mit ihren Pendants in den Nachbarländern sowie in weiteren demokratischen Staaten», erklären die Parlamentsdienste auf Anfrage von Blick. Insbesondere mit der Verwaltung des Deutschen Bundestags habe sich über die Jahre ein gelegentlicher Austausch von Mitarbeitenden in verschiedenen Funktionen etabliert.
Eine vollständige Statistik liege zwar nicht vor, aber in den vergangenen Jahren dürften rund fünf bis sieben Mitarbeitende beider Seiten an einem solchen Aufenthalt in Bern oder Berlin teilgenommen haben.
«Wunde Punkte auf dem Silbertablett»
Gar nicht erfreut über die Anwesenheit des deutschen Gastes ist Kommissionspräsident und SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (46). «Bei der Besprechung von sensiblen Themen wie dem EU-Unterwerfungsvertrag und dem Zollstreit erachte ich die Anwesenheit von ausländischen Angestellten als nicht angebracht.»
Auch WAK-Mitglied und SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (55) ist empört: «Ausländische Vertreter in den parlamentarischen Kommissionen mitarbeiten zu lassen, und das sogar noch, ohne die Parlamentarier vorgängig darüber zu informieren oder zu konsultieren, zeugt von einer regelrechten Anmassung und einer grenzenlosen Naivität!» So präsentiere die Schweiz ihre wunden Punkte gleich auf dem Silbertablett. Diese Handhabung sei schlicht verantwortungslos und ein Rückenschuss für alle, die sich international für die Interessen der Schweiz einsetzten.
Über Vertraulichkeitsregeln informiert
Die Parlamentsdienste verteidigen das Austauschprogramm: Die Erfahrungen des Austauschs würden von Teilnehmenden und Arbeitgebenden als bereichernd erlebt und könnten auch dazu anregen, eigene Prozesse zu überdenken.
Die Vorgesetzten vor Ort sorgten dafür, dass die Gäste über Vertraulichkeitsregeln informiert seien und diese auch einhielten. Bisher sei kein Fall bekannt, bei dem die Anwesenheit von Mitgliedern zu Vertraulichkeitsfragen geführt hätte. «In lediglich einem Einzelfall wurde eine Rückfrage hinsichtlich der Regelungen gestellt, ohne dass sich daraus weitergehende Diskussionen oder Bedenken ergeben hätten.»
In der SVP sorgt der deutsche Gast aber auch ausserhalb der Kommission für Aufregung. Etwa bei Nationalrat Franz Grüter (61). «Das sind unhaltbare Zustände», sagt er. «Besonders heikel ist, dass diese Personen in einem Anstellungsverhältnis mit dem deutschen Staat stehen. Man muss sich ernsthaft fragen, was für sie im Zweifel Vorrang hat: das Schweizer Kommissionsgeheimnis – oder die Interessen ihres ausländischen Arbeitgebers?»
Immer wieder würden Parlamentsmitglieder erleben, dass das Kommissionsgeheimnis missachtet werde. «Es ist unakzeptabel, dass Informationen von nationalem Interesse auf diesem Weg an fremde Staaten gelangen könnten», so Grüter.