Darum gehts
- Trump verhängt 100 Prozent Zölle auf Schweizer Pharmaindustrie
- Basel bleibt attraktiv durch stabile Rahmenbedingungen und qualifizierte Fachkräfte
- 59 Tage seit Trumps 39-Prozent-Zoll-Ankündigung gegen die Schweiz
Wer auf ein schnelles Ende im Zollstreit mit den USA gehofft hat, wurde Freitagmorgen eines Besseren belehrt. Statt eines Zeichens der Entspannung ereilte eine neue Hiobsbotschaft die Schweiz: US-Präsident Donald Trump belastet die Pharmaindustrie mit Zöllen von 100 Prozent.
Als der Bundesrat am 22. September die Spitzen der Schweizer Pharmaindustrie und der Branchenverbände zum Krisengipfel im Bernerhof lud, waren unter den 26 Teilnehmenden auch zwei Basler Regierungsräte dabei, Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger (50) und Wirtschaftsdirektor Kaspar Sutter (50). Die Pharmastadt Basel lobbyiert derzeit mit allen Mitteln. Auf die Forderung der Konzerne, die Preise im Inland zu erhöhen, geht die Landesregierung nicht ein. Nach dem runden Tisch legte der Bundesrat ein Bekenntnis zur Pharmaindustrie ab. Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider (61) betonte gegenüber den Medien, dass man ein gemeinsames Ziel habe: die Branche in der Schweiz zu stärken.
Eben noch schmetterte der Bundesrat Herzogs Vorstoss ab
Das freut die Basler SP-Ständerätin Eva Herzog (63). Denn Anfang September klang es noch ganz anders. Damals wollte der Bundesrat von einer nationalen Pharmastrategie nichts wissen. Eine solche hatte Herzog in einer Motion gefordert. Konkret hatte sie die Regierung dazu angehalten, «eine Strategie zur Stärkung des Pharma- und Biotechnologie-Standorts Schweiz zu erarbeiten und umzusetzen». Gegen den Willen des Bundesrats, der die Motion zur Ablehnung empfahl, überwies der Ständerat diese in der Herbstsession einstimmig.
Auch eine Motion der Basler Nationalrätin Patricia von Falkenstein (64, LDP), die ebenfalls eine Standortstrategie für die Schweizer Pharma- und Life-Sciences-Branche fordert, lehnte der Bundesrat ab.
«Wir brauchen einen ganzheitlichen Blick auf die Pharmaindustrie», sagt Herzog. «Für den Finanzplatz gibt es Strategien, für die Pharma nicht – dabei trägt sie massgeblich zur Wertschöpfung in der Schweiz bei.»
Politiker sorgen sich um den Schweizer Standort
Anders als etwa der Branchenverband Interpharma fordert sie keine höheren Medikamentenpreise, um den Standort Schweiz zu stärken. «Entscheidend ist, dass innovative Medikamente schneller zugelassen werden. Verzögerungen bei Zulassungen schaden der klinischen Forschung, der Innovation und dem Forschungsstandort Schweiz.»
Zu Trumps Pharma-Zöllen sagt Herzog, jetzt müsse man erst einmal abwarten. «Vieles ist noch unklar.» Zum Beispiel, ob Novartis und Roche von den Zöllen ausgenommen sind. Dies, weil sie bereits in den USA produzieren und weiter investieren. «Trumps Zölle verstärken eine Entwicklung, die bereits im Gang ist, die Produktion in den Märkten», so Herzog.
Grössere Sorgen als die Verlagerung der Produktion macht ihr die internationale Entwicklung der Medikamentenpreise. «Wenn diese massiv gesenkt werden, brechen für die Pharma Einnahmen weg. Bei den Investitionen in die Forschung und bei den Steuereinnahmen wird das die Schweiz spüren.»
«Basel-Stadt bietet stabile Rahmenbedingungen»
Ob dem Standort Basel eine Verlagerung der Hauptsitze von Roche und Novartis drohe? Das glaubt Herzog nicht. Rechtssicherheit und Stabilität blieben starke Argumente. Aber der Standort müsse attraktiv bleiben, damit weiterhin hier investiert werde.
Der Basler Regierungsrat Kaspar Sutter (50, SP) blickt etwas kritischer auf die Produktionsverlagerung ins Ausland: «Die Ankündigung von Donald Trump ist für den Produktionsstandort Schweiz nicht gut, da sie die Tendenz verstärkt, dass für den US-Markt vermehrt direkt in den USA produziert wird.» Der Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz sei hingegen nicht unmittelbar betroffen.
Sutter betont, Basel sei gut aufgestellt: «Basel-Stadt bietet stabile Rahmenbedingungen, Rechtssicherheit, qualifizierte Fachkräfte, Wissenschaftsfreiheit und eine ausgezeichnete Infrastruktur – das Basler Standortpaket leistet dazu einen wichtigen Beitrag.» Wichtig sei, dass Basel weiterhin attraktiv bleibe für den forschenden und entwickelnden Teil der Unternehmen.
Erschüttertes Schweizer Selbstverständnis
Darum nimmt er auch den Bund in die Pflicht: Die Bilateralen III müssten umgesetzt werden, um den Zugang zum wichtigsten Handelspartner der Schweiz – der EU – abzusichern. «Zudem erwarte ich vom Bund, dass er eine Strategie für den Life-Sciences-Standort Schweiz erarbeitet – so wie es die Motionen von Herzog und von Falkenstein verlangen.»
Die ganze Auseinandersetzung spielt sich parallel zum Zollkrimi ab, den der US-Präsident Donald Trump (79) mit seinem 39-Prozent-Hammer gegen die Schweiz lanciert hat. 59 Tage ist es her, seit Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) ihr verhängnisvolles Telefonat mit Trump geführt hat. Die Zoll-Ankündigung schlug in der Schweiz wie ein Blitz ein und erschütterte das Land in seinem Selbstverständnis als Insel der Glückseligkeit.
Sehnliches Warten auf ein Zeichen von Trump
Seither herrscht ein Nervenkrieg. Der Bund hat den Amerikanern ein verbessertes Angebot für einen Deal vorgelegt. Dem Vernehmen nach gaben der US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer (45) und Finanzminister Scott Bessent (63) bereits ihr Plazet. Letzter Widerstand kam einzig von Handelsminister Howard Lutnick (64); der New Yorker gilt als engagiertester Israel-Lobbyist in Trumps Kabinett und war bereits beim Streit um die nachrichtenlosen Vermögen mit von der Partie. Sein Vorwurf vor wenigen Wochen, wonach die Schweiz sich an Amerika bereichere, entspricht ganz dem Sound der damaligen Krise.
Nun sitzt die Schweiz im Wartezimmer. Denn seit dem 39-Prozent-Fiasko sind sich alle Beteiligten bewusst, dass es einzig auf Trump und seine Laune ankommt. Während Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) und die Branche am Erhalt des Schweizer Pharmastandortes zimmern und die Diplomaten einen Zoll-Deal anstreben, sehnt man sich in Bern und in Basel gebannt dem Moment entgegen, an dem der US-Präsident sich über das Dossier «Switzerland» beugt. Das kann morgen sein. Oder nächstes Jahr. Es liegt einzig an der One-Man-Show im Weissen Haus.