Trotz entzogener Zulassung
Gesperrte ausländische Ärzte arbeiten in der Schweiz weiter

Mehrere Mediziner, denen im Ausland die Zulassung entzogen wurde, arbeiten ungehindert in Schweizer Praxen und Kliniken weiter. Die Schweiz ist besonders gefährdet für solche Fälle: Sie ist nämlich nicht Teil des Warnsystems der EU.
Publiziert: 09:32 Uhr
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Aktualisiert: vor 7 Minuten
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Mehrere Ärzte, die im Ausland gesperrt wurden, arbeiten in der Schweiz weiter.
Foto: CHRISTIAN BEUTLER

Darum gehts

  • Ärzte mit entzogener Zulassung praktizieren in der Schweiz weiter
  • Verurteilter Arzt aus Norwegen arbeitet nun in Zürcher Praxis
  • 134 aktive Ärzte identifiziert, die trotz Zulassungsentzug weiter praktizieren
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Céline ZahnoRedaktorin Politik

Sechs Ärzte, die im Ausland wegen Verfehlungen ihre Zulassung verloren haben, praktizieren derzeit in der Schweiz. Das zeigen Recherchen eines internationalen Journalistennetzwerks, an dem der «Tages-Anzeiger» beteiligt war. Die Delikte reichen von Fehlbehandlungen bis zu Sexualdelikten an Patientinnen.

Ein besonders happiges Beispiel: Ein Arzt, der in Norwegen 2010 wegen sexueller Handlungen an drei Patientinnen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, arbeitet heute in einer Praxis im Kanton Zürich. Sein Verhalten zeuge von «einer Unfähigkeit, eigene Grenzen zu setzen» und «mangelnder Impulskontrolle», hiess es im Entscheid der norwegischen Gesundheitsaufsicht, die ihm die ärztliche Zulassung entzog. Doch nach Stationen in Deutschland steht er nun wieder in der Schweiz auf der Ärzteliste.

Angewiesen auf Vollständigkeit

Wie kann das sein? Die Behörden verlangen bei der Zulassung zwar einen Strafregisterauszug und einen Nachweis, dass keine aufsichtsrechtlichen Massnahmen vorliegen. Dies wird aus jenen Ländern verlangt, in denen der Arzt in den fünf vergangenen Jahren den Wohnsitz hatte oder praktizierte.

Sie sind dabei auf die Vollständigkeit der Unterlagen angewiesen. Ob das im vorliegenden Fall der Fall war, ist fraglich. Denn laut Carlo Sorba, Jurist bei der Rechtsabteilung des Zürcher Amts für Gesundheit, werde Medizinern, die sich gegenüber Patienten strafbar gemacht haben, selten eine Bewilligung erteilt.

Schweiz besonders anfällig

Die Schweiz ist besonders verwundbar. Anders als die EU ist sie nämlich nicht an ein Warnsystem angeschlossen, das sich über solche Fälle international austauscht. Die Behörden tappen deswegen oft im Dunkeln. Umgekehrt werden auch andere Länder nicht automatisch informiert, wenn hierzulande einem Arzt die Bewilligung entzogen wird. Die Recherche zeigt: Mindestens 15 Ärzte, die in der Schweiz gesperrt sind, behandeln inzwischen im Ausland.

Politik und Experten fordern besseren Austausch

Das Sündenregister der ausländischen Ärzte landete in der Schweiz schon auf dem politischen Parkett. Im Frühling wollte SP-Nationalrätin Brigitte Crottaz (67) vom Bundesrat wissen, wieso die Schweiz als einziges europäisches Land keinen Zugang erhält. Das stelle «eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit der Patientinnen und Patienten» dar. 

Laut dem Bundesrat sei der Zugang zum Register Teil der neuen Verträge, die der Bundesrat mit der EU ausgehandelt hat. Norwegen, Island und Liechtenstein, die ebenfalls nicht zur EU gehören, seien aufgrund des EWR-Abkommens schon heute Teil des Austausches. 

Auch Yvonne Gilli (68), Präsidentin der Schweizer Ärzteschaft, sieht Handlungsbedarf. «Die Vernetzung mit dem Warnsystem der EU würde enorm helfen, um das Problem zu bekämpfen», sagt sie. Jeder solche Fall sei einer zu viel. 

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