Tierschützerin warnt, Bund dementiert
Fällt mit dem EU-Deal das Schächtverbot?

Die Umweltschützerin Vera Weber warnt, dass mit dem neuen EU-Deal auch das Schächtverbot fallen könnte. Dieses wurde 1893 mit der ersten Volksinitiative eingeführt. Der Bund dementiert.
Publiziert: 12:50 Uhr
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Aktualisiert: 13:07 Uhr
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Tierschützerin Vera Weber setzt sich gegen den EU-Deal ein.
Foto: Philippe Rossier

Darum gehts

  • Vera Weber kämpft gegen EU-Deal wegen Gefahr für Schächtverbot
  • Bundesamt: Schweizer Tierschutzregeln bleiben trotz EU-Verordnung bestehen
  • Schächtverbot gilt in der Schweiz seit über 100 Jahren
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Die Natur- und Tierschützerin Vera Weber (50) hat schon viele Kämpfe ausgefochten. Mit ihrer Stiftung gewann sie die Zweitwohnungs-Initiative, verhinderte das Ozeanium des Basler Zoos und rettete verschiedentlich Naturraum. 

Jetzt setzt sie sich gegen den EU-Deal ein, wie sie im Editorial der neuesten Ausgabe des «Journal Franz Weber» schreibt. Der Grund ist das Schächtverbot, das in der Schweiz seit über 100 Jahren gilt. Es gebe eine «reelle Gefahr, dass dieses Verbot fällt», schreibt Weber. Sie warnt vor einem «Rückschritt ins 19. Jahrhundert», sollte Volk dem Abkommen der Schweiz mit der EU zustimmen.

Das Schächtverbot sorgt dafür, dass rituelle Tötungsmethoden von Tieren nicht mehr erlaubt sind. Säugetiere dürfen nur geschlachtet werden, wenn sie vor Beginn des Blutentzugs betäubt worden sind. 1893 gabs eine Initiative zum Verbot – als erstes Volksbegehren überhaupt. Es gilt noch heute. 

Das ist der EU-Deal

Der EU-Deal ist über 1000 Seiten lang und regelt zahlreiche Bereiche. Die zentralen Punkte

  • Der Deal sieht neue Spielregeln vor: bei der Personenfreizügigkeit, beim Land- und Luftverkehr, bei der Landwirtschaft, der gegenseitigen Anerkennung von Produktrichtlinien, beim Strom und bei der Lebensmittelsicherheit gilt neu eine «dynamische Rechtsübernahme». Die Schweiz übernimmt grundsätzlich EU-Recht, kann dies aber über das Volk oder das Parlament ablehnen – dann drohen aber Strafen.
  • EU-Bürger dürfen in die Schweiz ziehen und arbeiten. Es gibt aber nur eine Aufenthaltsgenehmigung, wenn die Person auch einen Job hat.
  • EU-Firmen dürfen künftig ihre Arbeiter in die Schweiz schicken, um dort Jobs zu erledigen, ebenso umgekehrt. Die Firmen müssen ihre Bürger voranmelden.
  • Die Schweiz bezahlt gerne und viele Subventionen. Die EU will unerwünschte Wettbewerbsverfälschungen verhindern. Grundsätzlich gilt ein Verbot – aber mit zahlreichen Ausnahmen.
  • Ausländische Bahnen wie Flixtrain dürfen auf Schweizer Schienen fahren.
  • Die Schweiz kann wieder bei EU-Programmen wie dem Studenten-Austauschprogramm Erasmus mitmachen.
  • Neue Verträge gibt es beim Strom, bei der Gesundheitsprävention und der Lebensmittelsicherheit.
Was, wenn es Streit gibt?

Wenn es einen Streit gibt, entscheidet zuerst ein sogenannter gemischter Ausschuss mit Vertretern der Schweiz und der EU. Ist man sich dort nicht einig, gibt es ein Schiedsgericht. Dieses muss den EU-Gerichtshof beiziehen. Das Schiedsgericht fällt das Urteil und kann verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen verhängen. Willkürliche Strafen sind ausgeschlossen.

Was kostet der Deal?

Ab 2030 zahlt die Schweiz jährlich 350 Millionen Franken für Entwicklungsprojekte in EU-Ländern wie zum Beispiel Bulgarien, Estland oder Kroatien. Bis 2030 sind es 130 Millionen Franken pro Jahr.

Was ändert sich in der Schweiz?

Auch im Schweizer Recht ändert sich einiges. Wichtigster Punkt: die Schutzklausel. Die Schweiz kann damit die Zuwanderung vorübergehend einschränken. Wenn die Nettozuwanderung, die Arbeitslosigkeit oder der Sozialhilfebezug gewisse Schwellenwerte überschreiten, kann der Bundesrat die Auslösung der Schutzklausel prüfen. Danach kann er Schutzmassnahmen, wie beispielsweise Höchstzahlen bei der Zuwanderung erlassen. Missfällt das der EU, kann das Schiedsgericht Ausgleichsmassnahmen ergreifen.

Um die Schweizer Löhne zu sichern, gibt es ein dreistufiges Konzept. Es gelte das Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort», sagte Staatssekretärin Helene Budliger Artieda. Der Lohnschutz werde nicht geschwächt.

Für das Stromabkommen muss der Strommarkt liberalisiert werden. Wer will, kann seinen Anbieter frei wählen oder aber in der Grundversorgung bleiben.

Der EU-Deal ist über 1000 Seiten lang und regelt zahlreiche Bereiche. Die zentralen Punkte

  • Der Deal sieht neue Spielregeln vor: bei der Personenfreizügigkeit, beim Land- und Luftverkehr, bei der Landwirtschaft, der gegenseitigen Anerkennung von Produktrichtlinien, beim Strom und bei der Lebensmittelsicherheit gilt neu eine «dynamische Rechtsübernahme». Die Schweiz übernimmt grundsätzlich EU-Recht, kann dies aber über das Volk oder das Parlament ablehnen – dann drohen aber Strafen.
  • EU-Bürger dürfen in die Schweiz ziehen und arbeiten. Es gibt aber nur eine Aufenthaltsgenehmigung, wenn die Person auch einen Job hat.
  • EU-Firmen dürfen künftig ihre Arbeiter in die Schweiz schicken, um dort Jobs zu erledigen, ebenso umgekehrt. Die Firmen müssen ihre Bürger voranmelden.
  • Die Schweiz bezahlt gerne und viele Subventionen. Die EU will unerwünschte Wettbewerbsverfälschungen verhindern. Grundsätzlich gilt ein Verbot – aber mit zahlreichen Ausnahmen.
  • Ausländische Bahnen wie Flixtrain dürfen auf Schweizer Schienen fahren.
  • Die Schweiz kann wieder bei EU-Programmen wie dem Studenten-Austauschprogramm Erasmus mitmachen.
  • Neue Verträge gibt es beim Strom, bei der Gesundheitsprävention und der Lebensmittelsicherheit.
Was, wenn es Streit gibt?

Wenn es einen Streit gibt, entscheidet zuerst ein sogenannter gemischter Ausschuss mit Vertretern der Schweiz und der EU. Ist man sich dort nicht einig, gibt es ein Schiedsgericht. Dieses muss den EU-Gerichtshof beiziehen. Das Schiedsgericht fällt das Urteil und kann verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen verhängen. Willkürliche Strafen sind ausgeschlossen.

Was kostet der Deal?

Ab 2030 zahlt die Schweiz jährlich 350 Millionen Franken für Entwicklungsprojekte in EU-Ländern wie zum Beispiel Bulgarien, Estland oder Kroatien. Bis 2030 sind es 130 Millionen Franken pro Jahr.

Was ändert sich in der Schweiz?

Auch im Schweizer Recht ändert sich einiges. Wichtigster Punkt: die Schutzklausel. Die Schweiz kann damit die Zuwanderung vorübergehend einschränken. Wenn die Nettozuwanderung, die Arbeitslosigkeit oder der Sozialhilfebezug gewisse Schwellenwerte überschreiten, kann der Bundesrat die Auslösung der Schutzklausel prüfen. Danach kann er Schutzmassnahmen, wie beispielsweise Höchstzahlen bei der Zuwanderung erlassen. Missfällt das der EU, kann das Schiedsgericht Ausgleichsmassnahmen ergreifen.

Um die Schweizer Löhne zu sichern, gibt es ein dreistufiges Konzept. Es gelte das Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort», sagte Staatssekretärin Helene Budliger Artieda. Der Lohnschutz werde nicht geschwächt.

Für das Stromabkommen muss der Strommarkt liberalisiert werden. Wer will, kann seinen Anbieter frei wählen oder aber in der Grundversorgung bleiben.

Doch Weber macht sich grosse Sorgen. Mit dem EU-Deal soll die Schweiz nämlich eine Unionsverordnung übernehmen, die die Schächtung ermöglichen könnte. «Rituelle Schlachtungen ohne Betäubung könnten in Schlachthöfen durchgeführt werden», schreibt Weber. «Der Bundesrat könnte zwar Einschränkungen eigenmächtig in einer Verordnung regeln – jedoch ohne Parlament und ohne Volksentscheid. Das ist nicht nur ein Angriff auf den Tierschutz, sondern auch auf unsere Demokratie!» 

«Tierschutz wird nicht verschlechtert»

Nur: Stimmt das wirklich? Blick hat beim Bund nachgefragt. Tatsächlich ist der entsprechende Gesetzestext ein Teil des EU-Deals. Aber: «Die Verordnung erlaubt, dass Mitgliedstaaten (beziehungsweise die Schweiz) strengere nationale Vorschriften in Bezug auf das Betäuben bei der Tötung vorsehen können», schreibt das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen.

Die strengeren Regeln der Schweiz sind für die EU also kein Problem. Und es gäbe auch keine Pläne, dieses Verbot zu streichen, so das Amt: «Am Schächtverbot soll auch künftig festgehalten werden, und das Schutzniveau im Bereich Tierschutz wird nicht verschlechtert.»

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