Tierschützerin Susy Utzinger kämpft seit 25 Jahren
«Heute erlaube ich mir mehr Gefühle»

Tierschutz als Lebensaufgabe! Seit 25 Jahren kämpft Susy Utzinger für verstossene, verlassene und verletzte Tiere. Warum sie aushält, was andere nicht sehen mögen, und wie sie Kraft schöpft für den nächsten Einsatz.
Publiziert: 09.10.2025 um 18:57 Uhr
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Seit 25 Jahren kämpft Susy Utzinger für die Tiere.
Foto: Zvg

Darum gehts

  • Susy Utzinger leitet Tierschutzstiftung und rettet Strassenhunde in Osteuropa
  • Utzinger adoptierte selbst vier Hunde und erlebte traumatische Tierschutzeinsätze
  • SUST führte seit 2012 über 163'953 Kastrationen in der Schweiz und anderen Ländern durch
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Lynn Scheurer
Schweizer Illustrierte

Auf das Klingeln an der Haustür folgt lautes Gebell – die «Mäuse» sind aufgeregt. Doch der Kosename trügt: Zorga (7) ist eine belgische Schäferhündin und Odin (5) ein schwarzer Schäfer. Es sind grosse, starke Hunde – aber eben auch die «Mäuse» von Susy Utzinger (56).

Als sich die Aufregung gelegt hat, darf Zorga den Besuch beschnuppern. Susy Utzinger hat sie in Ungarn adoptiert. «Sie war wohl ein angehender Militärhund. Den Chip hat man ihr extra rausgeschnitten, bevor man sie aussetzte.» Dann darf Odin in die Stube, aufgeregt und ungestüm. Auch er wurde in Ungarn gefunden, angekettet an einen Baum. «Wie lange er dort alleine ausgeharrt hat, weiss niemand.»

«Blonder» Tierschutz

Susy Utzinger wohnt in einem kleinen Dorf im Kanton Schaffhausen. Wo genau, macht sie nicht öffentlich, da sie in der Vergangenheit einen Stalker hatte. In der Garderobe des verwinkelten Riegelhauses hängen mehr Leinen als Jacken, und meist steht eine Tasche parat, die gerade ausgeräumt oder frisch gepackt wird.

Soeben war Utzinger in Rumänien. Auf den Strassen Osteuropas leben Millionen Hunde. «Am besten wären alle kastriert, damit sie sich nicht mehr vermehren und nicht in Tötungsstationen landen», sagt Utzinger. Sie und ihre Mitarbeitenden von der Susy Utzinger Stiftung für Tierschutz (SUST) organisieren solche Kastrationsaktionen. Und sie pflegen, füttern, verarzten und operieren die Tiere. 3,5 Millionen Franken Budget hat die Stiftung.

Von über 100 Partner-Tierheimen in der Schweiz und im Ausland bis zu sieben Tierwaisenhospitälern versucht Susy Utzinger das Geld dahin zu lenken, wo es wirkt.

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

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«Meine blonden Haare machen genauso viel Tierschutz wie ich», sagt sie lachend, als sie den Gästen Mineralwasser und ihren Hunden Leckerli anbietet. In ihrem Job sei es von Vorteil, sympathisch und hübsch auszusehen. Sei es, wenn sie dem Leiter einer Tötungsstation schmeichelt, um die Rettung seiner Tiere einzufädeln, oder wenn sie in den Schweizer Medien auftaucht, um Spendengelder zu sammeln.

Neben Zorga und Odin gibt es auch noch Noroc und Munin. «Meinen Mitarbeitenden rate ich jeweils, nur so viele Tiere aufzunehmen, wie man Hände hat. Nun ja …» Die beiden kleinen Hunde sind bei Freunden in den Ferien, da Utzinger bald nach Ungarn aufbricht und sie nicht mitnimmt. Etwa eine Woche pro Monat ist sie im Ausland. «Hier im Hexenhäuschen komm ich wieder zur Ruhe. Abends schaue ich fern und schlafe mit den Hunden auf dem Sofa ein. Herrlich!»

Doch nach einem Tierschutzeinsatz läuft bei Utzinger nicht nur der Fernseher, sondern auch das Kopfkino. Das, was sie gesehen hat, flackert tagelang vor ihrem inneren Auge: Dutzende Hunde einer illegalen Zucht, zusammengepfercht in einer Grube. Tote Hunde in Tiefkühlern. Welpen, die in Kästen übereinandergestapelt werden und auf die unteren Tiere urinieren. Utzinger erzählt davon mit einer Mischung aus Erstaunen und Erfahrung. «Die Menschen spenden dafür, dass ich das aushalte», sagt sie.

«Ich weine – hemmungslos»

Mit dem Tierschutz begann sie als Kind. Ihr Vater rief eine Tierambulanz ins Leben, Susy half ihm, übernahm in diesem Bereich früh Verantwortung. Doch sonst seien ihre Eltern kalt und abweisend gewesen. Leben sie noch? «Ich denke ja», sagt Utzinger mit einem Schulterzucken. Teil ihres Lebens sind sie nicht.

Wer immer Teil ihres Lebens bleiben wird, ist ihr Mann Lars Howold, der 2020 an einem Hirntumor verstarb. Als sie über ihn redet, treten ihr Tränen in die Augen. Sie holt ein Taschentuch. «Seit Lars gestorben ist, erlaube ich mir zu weinen – oft und hemmungslos», sagt sie und muss lachen. «Auch bei der Arbeit. Früher habe ich es mir nicht erlaubt, solche Gefühle zu zeigen.» Neben der Trauer gibt es aber auch Freude in Susy Utzingers Leben. Und Verbundenheit. «Ich habe seit zwei Jahren einen Partner an meiner Seite», sagt sie. «Es geht mir gut.»

Zorga und Odin brauchen frische Luft. Die beiden sind nichts für unerfahrene Hundehalter. Oft hat Utzinger erlebt, wie Hunde im Tierheim abgegeben werden, weil die Besitzer überfordert sind. «Manche werden auch aus dem fahrenden Auto geworfen.» Aus Unwissenheit, Faulheit oder falschem Mitleid wird aus dem besten Freund des Menschen eine Last, die man loswerden will. Utzinger ist sich bewusst, dass ihre Hunde wegen ihrer Vergangenheit spezielle Bedürfnisse haben. «Ich wohne extra auf dem Land. Und gehe mit Zorga und Odin stets im Wald spazieren – sonst gibts Konflikte mit anderen Hunden.» Also rein ins Auto und hoch auf den nahen Hügelzug.

Die SUST-Stiftung habe in den letzten 25 Jahren im Tierschutz einiges erreicht, sagt Utzinger. «Seit 2012 haben wir über 163'953 Kastrationen in der Schweiz und anderen Ländern gratis durchgeführt. Seit 2018 betreuten wir in der Schweiz 1156 Tiere von armuts- und suchtbetroffenen Haltern. Und dank unseren Aufklärungskampagnen steigt in der Bevölkerung das Wissen über Tiere.»

Tatsächlich passiert aber auch Susy Utzinger mal ein Fehler. Vor fünf Monaten war sie mit Odin in Ungarn spazieren. Sie hatte ihn an der langen Schleppleine, als er einen Rehbock davonspringen sah. Odin raste hinterher und riss Utzinger mit voller Kraft zu Boden. Schulterbänder gerissen, Hüfte geprellt, Gehirn erschüttert. Warum hat sie die Leine nicht einfach losgelassen? «Das kam mir nicht in den Sinn», sagt sie. «Ich wollte nicht, dass Odin das Reh reisst. Und ausserdem, sagt Utzinger, sei sie ja für ihn verantwortlich. «So schnell lasse ich nicht los.»

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