Streit um Erbschaftssteuer
Bringt die Juso-Initiative Steuererhöhungen für alle?

Eine Erbschaftssteuer könnte die Reichen vertreiben und zu einer höheren Einkommenssteuer für alle führen. Das zeigt eine UBS-Studie.
Publiziert: 16.07.2024 um 20:05 Uhr
Die Juso will eine Erbschaftssteuer einführen.
Foto: Keystone
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Holger Alich
Handelszeitung

Die Einführung einer Erbschaftssteuer auf Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken könnte der Schweiz – selbst beim Wegzug von rund 50 Prozent der Betroffenen – netto mehr Steuereinnahmen einbringen. Doch die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer sind zweckgebunden, und als Folge der zu erwartenden Wegzüge sinken die Einnahmen der Einkommens- und Vermögenssteuer. Das könnte am Ende Steuererhöhungen für alle zur Folge haben, urteilen die UBS-Ökonomen in einer aktuellen Studie.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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«Wenn die wegfallenden Einkommens- und Vermögenssteuereinnahmen wegen der Zweckgebundenheit der Erbschaftssteuereinnahmen nicht vollständig ersetzbar sind, könnten trotz eines positiven Nettoeffekts Steuererhöhungen oder Kürzungen der Leistungen von Bund und Kantonen notwendig werden», schreiben die UBS-Experten.

Über 50 Prozent der Familienunternehmer wollen weg

Die Initiative zu einer Erbschaftssteuer der Juso ist im März zustande gekommen. Sie fordert eine «Zukunftssteuer» von 50 Prozent auf Nachlässe und Schenkungen ab 50 Millionen Franken. Erbschaften unterhalb dieser Schwelle sollen steuerfrei bleiben.

Der Initiative werden zwar wenig Chancen eingeräumt, doch droht sie dennoch grossen Schaden anzurichten. Denn viele Unternehmer sehen bereits in der Absicht eine grosse Gefahr. So prüfen Unternehmer wie Peter Spuhler oder die Ypsomed-Gründerfamilie Michel, die Schweiz zu verlassen, um der allfälligen neuen Steuer zu entgehen. Denn um die geforderte Steuer von 50 Prozent bezahlen zu können, müssten die Nachkommen die jeweiligen Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit verkaufen.

Laut einer Studie der Unternehmensberatung PwC erwägen 57 Prozent der befragten Familienunternehmer, die Schweiz zu verlassen, um ihr Unternehmen zu schützen. 66 Prozent prüfen, die Vermögenswerte vorzeitig per Schenkung an die nächste Generation zu übertragen.

3400 Menschen wären in der Schweiz betroffen

Die Ökonomen der UBS haben versucht zu bewerten, welche Folgen die Einführung der Erbschaftssteuer auf die Steuereinnahmen insgesamt hätte. Da auf nationaler Ebene keine Daten über die Vermögen privater Haushalte vorliegen, behelfen sich die Experten mit Schätzungen. Gemäss dem «UBS Global Wealth Report 2023» dürften in der Schweiz geschätzt 3400 Personen ein Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken besitzen. Ihr kumuliertes Vermögen wird auf rund 550 Milliarden Franken taxiert.

«Unter der Annahme, dass rund ein Fünftel der Betroffenen innerhalb der nächsten zehn Jahre verstirbt, ergäben sich basierend auf diesen Zahlen durchschnittlich jährliche Steuereinnahmen von rund 4 Milliarden Franken während der nächsten zehn Jahre», heisst es in der Studie.

Diese Zahl setzt aber voraus, dass niemand der Betroffenen das Land verlässt. Studien aus den USA zeigen aber, dass gerade die besonders Vermögenden sehr stark auf Änderungen bei der Erbschaftssteuer reagieren, «und dies ausgeprägter, je älter sie werden», so die UBS-Studie. Hinzu kommt, dass rund die Hälfte der reichsten Einwohner in der Schweiz im Ausland geboren ist. Ihre Bindung zur Schweiz dürfte daher schwächer ausgeprägt sein.

Betroffene zahlen 2,7 Milliarden an sonstigen Steuern

Zu den allfälligen Mehreinnahmen aus der Erbschaftssteuer müssten zudem Verluste bei der Einkommens- und Vermögenssteuer gegengerechnet werden. Daten aus dem Kanton Schwyz zeigen, dass jene 0,31 Prozent der Steuerpflichtigen mit einem Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken für rund 53 Prozent der Vermögenssteuereinnahmen aufkommen.

Auf Basis dieser Daten und der getroffenen Annahmen schätzen die UBS-Ökonomen, dass jene, die von der Erbschaftssteuer betroffen wären, rund 2,7 Milliarden Franken Steuern pro Jahr an Kommunen, Kantone und den Bund zahlen. «Anders als bei Erbschaftssteuern würden diese Steuereinnahmen bei einem Wegzug nicht einmalig, sondern für alle Jahre (...) tiefer ausfallen», schreiben die Experten.

Wie viele Betroffene wegen der Einführung einer Erbschaftssteuer effektiv das Land verlassen würden, kann heute nicht eindeutig beantwortet werden. Daher arbeiten die UBS-Ökonomen mit Szenarien. Ein Szenario sieht vor, dass 75 Prozent der Menschen mit einem Vermögen von mehr als 1 Milliarde Franken gehen würden. Von den Vermögenden, die weniger als 100 Millionen besitzen, schätzt die UBS die Wegzugsquote auf 25 Prozent respektive auf 50 Prozent bei den übrigen Vermögenden. «In diesem Fall wäre der Nettoeffekt null – die Einnahmen und Verluste wären gleich gross», so die Schätzung.

Doch selbst bei einem positiven Nettosaldo besteht das Problem, dass laut Initiative die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer nicht in den normalen Haushalt einfliessen sollen, sondern für den Kampf gegen den Klimawandel eingesetzt werden müssen. «Entscheiden sich zum Beispiel 50 Prozent zum Wegzug, würden basierend auf unseren Schätzungen immer noch rund 2 Milliarden Franken pro Jahr neu für die Bekämpfung des Klimawandels zur Verfügung stehen, jedoch würden 1,1 Milliarden an Einkommens- und Vermögenssteuereinnahmen pro Jahr entfallen.» Und dieser Posten müsste durch Einsparungen – oder eben durch Steuererhöhungen – ersetzt werden.

Vereinfacht gesagt, die Einführung einer Erbschaftssteuer beträfe nicht nur die Superreichen. Da durch Wegzüge Verluste bei der Einkommens- und Vermögenssteuer drohen, könnte dies Steuererhöhungen für alle bedeuten.

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