Darum gehts
- Schweizer Anleger verlieren Geld durch nicht zurückgeforderte ausländische Quellensteuern
- Rückforderung ist komplex, viele verzichten auf Zusatzrendite
- Schätzungen zufolge entgehen Schweizern jährlich mehrere Milliarden Franken
Schweizerinnen und Schweizer investieren gerne in internationale Aktien – Namen wie Apple, Siemens oder LVMH finden sich in zahlreichen Depots. Doch was vielen nicht bewusst ist: Bei Dividenden und Zinsen greift der ausländische Fiskus kräftig zu. Gut und gerne 30 Prozent werden direkt an der Quelle abgezogen – bevor das Geld überhaupt beim Anleger landet.
Diese Steuern sind mit der Schweizer Verrechnungssteuer vergleichbar. Als sogenannte Sicherungssteuer funktionieren sie wie ein Pfand: Wer Dividenden oder Zinsen erhält, dem wird automatisch ein bestimmter Prozentsatz abgezogen. Wer seine Einkünfte korrekt versteuert, kann Geld zurückfordern – Trickser gehen leer aus.
Es braucht viel Bürokratie
Ein Fall gibt zu reden: Ein Antragsteller aus Deutschland verlangte 2024 in der Schweiz eine Rückerstattung von 2,4 Milliarden Franken Verrechnungssteuer. Zur Auszahlung kam es jedoch nicht – der Antrag war fehlerhaft und teilweise verwirkt. Wer hinter dem Milliardenbegehren steckt und wie es zu dieser riesigen Summe kam, bleibt unklar. Fest steht nur: Das Geld blieb in der Schweiz.
Und fest steht ebenso: Auch Schweizer Anlegerinnen und Anleger sind gut beraten, sich mit Sicherungssteuern im Ausland befassen. Denn dank Doppelbesteuerungsabkommen des Bundes können sie diese teilweise zurückfordern. Nur: Der Weg zum Geld ist alles andere als leicht.
Das VZ Vermögenszentrum spricht von einem «administrativ aufwendigen Prozess»: Rückforderungen seien so komplex, dass sie «in den wenigsten Fällen eigenständig korrekt durchgeführt werden können». Es braucht Rückforderungsformulare, Bestätigungen von Banken und Behörden, oft sogar Briefverkehr mit Ämtern im Ausland.
Für viele ist das zu umständlich – selbst für grosse institutionelle Investoren. Sie verzichten lieber auf die «Zusatzrendite», als sich durch den Papierdschungel zu kämpfen.
Es bleiben Milliarden liegen
Offizielle Zahlen dazu gibt es nicht. Fachleute schätzen, dass Schweizer Anleger deshalb mehrere Milliarden Franken entgehen. Das Steueroptimierungs-Start-up Divizend Suisse schätzte vor zwei Jahren gegenüber der «NZZ», dass Schweizerinnen und Schweizer so jedes Jahr auf rund 4 Milliarden Franken verzichten. Insgesamt liessen sie sich 15 bis 16 Milliarden entgehen – weil es in der Regel möglich ist, die Quellensteuern-Abzüge der vergangenen drei Jahre zurückzuverlangen.
Ein Steueranwalt geht gegenüber Blick sogar davon aus, dass hiesige Anleger jedes Jahr einen zweistelligen Millardenbetrag verschenken, weil sie die Sicherungssteuern nicht zurückverlangen. «Dabei könnten sie damit ihre Rendite aufbessern», sagt er. Wie viel Geld trotz Ansprüchen bei den Steuerbehörden verbleibt, hängt letztlich stark von den ausbezahlten Dividenden ab. Steigen diese, steigt auch die Summe der Quellensteuern.
Wann sich der Aufwand lohnt
Der Aufwand lohnt sich oft schon bei mittleren Anlagesummen. Gewisse Banken übernehmen die Rückforderung der Quellensteuern gegen eine Gebühr. Andere stellen immerhin die nötigen Formulare bereit – zumindest auf Nachfrage.
Schweizerinnen und Schweizer können bei Dividenden aus dem Ausland zudem oft doppelt profitieren: Einen Teil der ausländischen Quellensteuer können sie zurückfordern. Den verbleibenden Teil – je nach Land meist zwischen 10 und 20 Prozent – dürfen sie in vielen Fällen bei der heimischen Steuererklärung an ihre Steuerschuld anrechnen lassen, sofern die Einkünfte korrekt deklariert sind.
Anlegerinnen und Anleger, die über Fonds investiert sind, haben in der Regel keinen eigenen Rückforderungsanspruch. Die Rückforderung läuft über die Fondsgesellschaft. Wer hingegen direkt in ausländische Titel investiert und dem Staat nichts schenken will, sollte genau hinschauen, ob die eigene Bank diesen Service anbietet.