Sie legte Mühleberg still
Auch Ex-BKW-Chefin will AKW-Neubau-Verbot kippen

Ein Wirtschaftskomitee fordert die Streichung des Verbots neuer Kernkraftwerke. In einem offenen Brief setzen sich über 200 Unterzeichner für eine technologieoffene Energiepolitik ein. Mit dabei: Sulzer-CEO Suzanne Thoma, die einst selbst ein AKW stilllegte.
Publiziert: 11:37 Uhr
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Ein von Economiesuisse initiiertes Wirtschaftskomitee macht sich für die Streichung des AKW-Neubau-Verbots stark.
Foto: GAETAN BALLY

Darum gehts

  • Wirtschaftskomitee fordert Ende des AKW-Neubauverbots
  • Suzanne Thoma, Ex-BKW-Chefin, unterstützt nun technologieoffene Energiepolitik
  • Über 200 Personen unterzeichneten offenen Brief für Neubewertung der Kernkraft
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Der AKW-Streit nimmt langsam Fahrt auf: Nachdem der Bundesrat an seinem Gegenvorschlag zur «Blackout stoppen»-Initiative festhalten will, macht sich nun auch ein von Economiesuisse initiiertes Wirtschaftskomitee dafür stark, das Verbot neuer Kernkraftwerke zu streichen. Wie die «NZZ am Sonntag» berichtet, wollen sich die Vertreterinnen und Vertreter in einem offenen Brief für eine technologieoffene Energiepolitik einsetzen.

Die prominenteste Stimme im Komitee: Suzanne Thoma (63), CEO und Verwaltungsratspräsidentin des Industriekonzerns Sulzer. Ihre Position überrascht. Denn als ehemalige Chefin des Berner Stromversorgers BKW kündigte sie 2013 noch die Stilllegung des AKW Mühleberg an. Von Kernenergiegegnern wurde der Schritt als Anfang vom Ende der Atomenergie in der Schweiz gefeiert – und Thoma als sein Gesicht.

Für Ex-BKW-Chefin war es ein wirtschaftlicher Entscheid

Auf Anfrage der «NZZ am Sonntag» betont Thoma jedoch, dass die damalige Entscheidung rein wirtschaftliche Gründe hatte: Der Entscheid zur Abschaltung von Mühleberg sei nie als politisches Statement zur Zukunft der Kernenergie gedacht gewesen, sondern «aus rein unternehmerischen Gründen erfolgt».

Das Wirtschaftskomitee, dem sich die ehemalige Energie-CEO angeschlossen hat, will nun die Energiepolitik wieder «technologieoffen» ausgestalten. Das Schreiben soll noch im August veröffentlicht werden.

Thoma selbst sehe die Notwendigkeit einer Neubewertung der Kernkraft, da die Ausbauziele für erneuerbare Energien weit verfehlt würden. Sie warnt auch vor steigenden Stromkosten. Einst hiess es, der Atomausstieg und die Energiewende würden einen Vierpersonenhaushalt 40 Franken pro Jahr kosten. «Heute wissen wir, dass diese Zahl massiv höher sein wird», sagt die Sulzer-Chefin.

Sorge um Versorgungssicherheit

Die Sorge um Versorgungssicherheit und Strompreise teilen viele Unternehmen. «Eine verlässliche Versorgung und bezahlbare Preise sind für uns entscheidend, und genau hier machen wir uns grosse Sorgen», sagt etwa Yannick Berner (32), Co-CEO des Werkzeugherstellers Urma. Ein Blackout wäre für viele Industriebetriebe katastrophal.

Alexander Keberle (33) von Economiesuisse erklärt, dass viele Unternehmen bei Investitionen in die Elektrifizierung besorgt sind. «Dabei rechnen viele mit einem Zeithorizont von 20 bis 30 Jahren – und fragen sich zunehmend, ob es dann in der Schweiz noch genügend und bezahlbaren Strom geben wird», sagt Keberle.

Mitte wird zum Zünglein an der Waage

Der offene Brief wurde von über 200 Personen unterzeichnet, darunter Vertreter aus Industrie, Strombranche und Finanzsektor. Nicht alle Unterzeichner teilen jedoch die gleiche Meinung zur Zukunft der Kernenergie. Während einige wie Hans Peter Beck (60), Physikprofessor in Bern, die Notwendigkeit neuer Kernkraftwerke betonen, sieht Economiesuisse den Brief eher als Aufruf zur ernsthaften Prüfung aller klimafreundlichen Optionen.

Die politische Debatte bleibt kontrovers. Eine Volksabstimmung über das Ende des AKW-Verbots wird frühestens 2027 erwartet. Im Parlament könnte die Mitte-Partei das Zünglein an der Waage sein. So hat etwa die Luzerner Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder (54) in der «Aargauer Zeitung» dem Gegenvorschlag des Bundesrats bereits eine Absage erteilt.

Wismer-Felder wirft dem Bundesrat vor, dass er so die Investitionen in erneuerbare Energien ausbremse – und damit die Versorgungssicherheit gefährdet. Für sie könne Energieminister Albert Rösti (58) wohl keine Mehrheit um sich scharen. Damit wäre der Gegenvorschlag zur Blackout-Initiative gescheitert.

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