Sicherheitsstudie der ETH Zürich zeigt
So stark bröckelt der Glaube an die Schweizer Neutralität

Der Ukraine-Krieg hat die Schweizer umdenken lassen. Die Neutralität steht nicht mehr über allem und eine Annäherung an die Nato ist denkbar geworden. Und sogar der Ruf nach einer Wehrpflicht für Frauen wird lauter. Das zeigt die neuste ETH-Sicherheitsstudie.
Publiziert: 10:01 Uhr
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Der Angriffskrieg des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin in der Ukraine hat auch bei der Schweizer Bevölkerung zu einem Stimmungswechsel geführt.
Foto: IMAGO/SNA

Darum gehts

  • Schweizer Sicherheitsempfinden gesunken, Mehrheit unterstützt Russland-Sanktionen und NATO-Annäherung
  • Neutralität weniger als Schutz vor Konflikten gesehen, Armee-Unterstützung steigt
  • 67 % befürworten Dienstpflicht für beide Geschlechter, 47 % Wehrpflicht für Frauen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Daniel BallmerRedaktor Politik

In der Ukraine wird weiter erbittert gekämpft. Der Nahe Osten ist ein Pulverfass. Und US-Präsident Donald Trump (79) sorgt fast im Tagesrhythmus für neue Unsicherheiten. Für Optimismus haben Herr und Frau Schweizer derzeit wenig Grund. Das zeigt die neue Studie «Sicherheit 2025» der Militärakademie und dem Center for Security Studies der ETH Zürich, die am Dienstag vorgestellt wurde.

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Neutralität

Gerade der Ukraine-Krieg hat eine Zeitenwende ausgelöst. Das zeigt sich etwa bei der Neutralität. Diese ist nach wie vor tief in der Schweizer DNA verankert und die Zustimmung mit 87 Prozent immer noch hoch, aber deutlich weniger als noch vor dem Krieg. Damals lag die Zustimmung noch bei satten 97 Prozent.

Während die SVP die Neutralität in der Verfassung verankern will, glauben immer weniger, dass sie uns vor internationalen Konflikten schützt. Uneinig sind sich die Befragten, ob die Schweiz bei politischen Konflikten im Ausland klar Stellung für eine Seite beziehen und gleichzeitig bei militärischen Konflikten neutral bleiben sollte.

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Russland-Sanktionen

Gleichzeitig aber ist eine deutliche Mehrheit von 70 Prozent der Meinung, dass es richtig ist, dass die Schweiz die Sanktionen gegen Russland mitträgt. Auch finden nach wie vor 64 Prozent der Befragten, dass die Sanktionen mit der Schweizer Neutralität vereinbar sind. Nur eine Minderheit von 38 Prozent befürchtet, dass die Schweiz deswegen ihre «Guten Dienste» als Vermittlerin nicht mehr anbieten kann.

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Nato-Annäherung

Ganz grundsätzlich ist das allgemeine Sicherheitsempfinden der Bevölkerung klar gesunken und liegt deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre. Mit 81 Prozent beurteilt die grosse Mehrheit der Befragten die weltpolitische Lage pessimistisch – ähnlich wie bereits im Vorjahr. Ähnlich viele fühlen sich weniger sicher. Das dürfte mit ein Grund sein, warum sich mittlerweile mit 53 Prozent eine knappe Mehrheit für eine Nato-Annäherung ausspricht. 32 Prozent sind sogar für einen Beitritt zum westlichen Verteidigungsbündnis.

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Schweizer Armee

Der Ukraine-Krieg bringt auch der Schweizer Armee Rückenwind. So fordert eine grosse Mehrheit eine «sehr gut ausgebildete» (90 Prozent) sowie auch eine «vollständig ausgerüstete» Armee (74 Prozent). Auch die Wehrpflicht wird so deutlich unterstützt wie seit langem nicht mehr. Und der Anteil jener, die höhere Verteidigungsausgaben befürworten, ist mit 24 Prozent so hoch wie noch nie seit Messbeginn 1986. Der Wermutstropfen für Verteidigungsminister Martin Pfister (61): Es bleibt eine Minderheit der Stimmberechtigten.

5

Allgemeine Wehrpflicht

Eine klare Mehrheit von 67 Prozent befürwortet die Einführung einer Dienstpflicht für Männer und Frauen mit freier Wahl zwischen Militär-, Zivil- oder Sozialdienst. Die Zustimmung für eine Umwandlung der heutigen Wehrpflicht in einen obligatorischen Dienst ausschliesslich für Männer mit freier Wahl der Dienstart hat hingegen im Vergleich zum Vorjahr deutlich abgenommen. Sie ist gleich um 12 Prozentpunkte auf 40 Prozent gesunken.

Und auch der Ruf nach einer Wehrpflicht für Frauen wird lauter. Noch ist es nach wie vor das Anliegen einer Minderheit. Sie ist im Vergleich zum Vorjahr gleich um 7 Prozentpunkte auf 47 Prozent angestiegen.

Für die Studie wurden von Anfang Januar bis Anfang Februar 2091 Personen aus der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz befragt. 

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