Darum gehts
- Bundesgericht kritisiert Schwyzer Amt für Gesundheit wegen Schweigepflicht-Entbindung
- Patient erfuhr erst durch Akteneinsicht von Strafanzeige der Klinik
- Netzwerk «Kein Täter werden»: Unikliniken Genf, Basel und Zürich sowie forensisches Institut Ostschweiz
Es sind deutliche Worte, die das Bundesgericht für das Schwyzer Amt für Gesundheit übrig hat. Von «gravierenden Verfahrensfehlern» ist die Rede: 2022 begab sich ein Mann zur Behandlung in eine Klinik im Kanton Schwyz. Er konsumierte Kinderpornografie, das kam während der Behandlung zur Sprache – und die Klinik reagierte.
Sie verlangte vom Amt für Gesundheit, dass es einen Teil des medizinischen Personals von der Schweigepflicht entbinde. Es habe die Gefahr von weiterem Konsum von Kinderpornografie und das Risiko einer Fremdgefährdung bestanden.
Der Kanton genehmigte das Gesuch, und die Klinik erstattete Strafanzeige. Erst später – während der Akteneinsicht durch seine Anwältin – erfuhr der Patient davon. Er wehrte sich und bekommt nun vom höchsten Schweizer Gericht Recht.
Patient konnte sich nicht wehren
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, nachdem der Schwyzer Regierungsrat und das Verwaltungsgericht noch die Position des Kantons gestützt hatten. Das Gericht in Lausanne kritisiert das Schwyzer Amt: «Der Betroffene wurde nicht in das Entbindungsverfahren einbezogen, und die Verfügung wurde ihm auch nicht zugestellt», heisst es in einer Mitteilung des Gerichts. Dafür fehle die gesetzliche Grundlage. Der Patient habe sich nicht wehren können.
Die persönlichen Informationen, die weitergegeben wurden, seien «in besonderem Masse schützenswert». Umso wichtiger sei es, die Rechte des Betroffenen zu wahren. Dass das nicht passiert ist, begründeten die Behörden mit einer möglichen Beweismittelvernichtung. «Dies reicht nicht aus.» Die Verfügung des Schwyzer Amts für Gesundheit sei deshalb nichtig.
Schweigepflicht wichtig, um alle zu erreichen
Der Fall wirft Fragen auf, wie pädosexuelle Menschen behandelt werden können. Das Bundesamt für Sozialversicherungen schrieb in einem Bericht im April, dass es wichtig sei, niederschwellige Präventionsangebote anzubieten. Die Angebote müssten also bekannt sein, wenn möglich in der Muttersprache, in der Nähe, kostenlos und anonym.
Das sei in der Schweiz nicht überall gegeben. Zwar gibt es das Netzwerk «Kein Täter werden», dem die Unikliniken Genf, Basel und Zürich sowie das forensische Institut Ostschweiz angehören. Hingegen klafft in der italienischsprachigen Schweiz eine Lücke.
Das Netzwerk verweist bereits auf seiner Website auf seine Schweigepflicht. Diese sei die Basis für den präventiven Ansatz. Sonst würden Menschen, die noch nicht der Justiz bekannt sind, unerreichbar bleiben. Im Falle akuter Selbst- oder Fremdgefährdung würden gemeinsam mit den Therapeuten Schritte erarbeitet.