Darum gehts
- Bundesrat plant obligatorischen Orientierungstag für Frauen zur Stärkung der Armee
- Armee und Zivilschutz leiden unter Personalmangel und Abgängen
- Ende des Jahrzehnts könnten der Armee 30'000 Soldaten fehlen
Der Armee gehen die Soldaten aus. Immer weniger Schweizer leisten überhaupt Dienst. Auch laufen immer mehr Leute davon – aus medizinischen Gründen oder weil sie in den Zivildienst wechseln. Ende Jahrzehnt dürften rund 30'000 Soldaten fehlen, hatte der abtretende Armeechef Thomas Süssli (59) im Blick gewarnt.
Nicht besser sieht es beim Zivilschutz aus. Schweizweit 72'000 Personen braucht er, um seine Aufgaben erfüllen zu können. 2024 lag der Ist-Bestand noch bei 60'000 Schutzdienstpflichtigen. Und nach Prognosen des Bundes dürfte der Bestand weiter sinken. Viele wandern lieber in den Zivildienst ab.
Infotag als Werbeanlass für Armee
Der Bundesrat setzt nun auf die Frauen. Die Regierung will einen obligatorischen Orientierungstag für Schweizerinnen einführen, das hatte sie schon im Januar entschieden. Dennoch liess es sich Verteidigungsminister Martin Pfister (62) am Mittwoch nicht nehmen, das Projekt nochmals an einer Medienkonferenz vorzustellen.
Der Verdacht liegt nahe, dass der Orientierungstag nochmals als Argument gegen die Service-citoyen-Initiative dienen sollte, über die am 30. November abgestimmt wird. Einen Zusammenhang stellte Pfister den auch tatsächlich nicht in Abrede. So würde ein Bürgerdienst eine Verdoppelung der Dienstpflichtigen bedeuten. Das sei viel mehr als nötig.
Am Orientierungstag sollen junge Frauen einen vertieften Einblick in die Armee und in den Zivilschutz erhalten. «Viele Frauen wissen heute gar nicht, dass Militär- oder Schutzdienst eine attraktive Option für sie sein könnte», warb Pfister. Der Bund hofft, dass sich dann mehr Frauen für einen freiwilligen Dienst entscheiden.
Heute leisten rund 2500 Frauen Dienst in der Schweizer Armee, was etwa 2,3 Prozent am Gesamtbestand gleichkommt. Bundesrat Pfister wollte sich nicht auf konkrete Zahlen festnageln lassen, welche Steigerung er sich mit einem obligatorischen Orientierungstag erhofft.
Die Einführung eines obligatorischen Orientierungstags für Frauen erfordert eine Änderung der Bundesverfassung sowie gesetzliche Anpassungen. Nun schickt der Bundesrat seinen Vorschlag in die öffentliche Vernehmlassung. Sollte das Volk zustimmen, könnte der Orientierungstag per 2030 eingeführt werden.
Hohe Kosten erwartet
Ein für Frauen obligatorischer Armee-Orientierungstag ist schon einmal gescheitert. 2018 wurden die Arbeiten am Vorhaben eingestellt, weil sich die Kantone gegen das Obligatorium und die damit verbundene Verfassungsänderung aussprachen.
Neben dem Orientierungstag liess der Bundesrat das Verteidigungsdepartement (VBS) zwei Varianten für ein neues Dienstpflichtmodell prüfen, das zu weniger Abgängen führen soll. Bei der «Sicherheitsdienstpflicht» würden Zivilschutz und -dienst zum Katastrophenschutz zusammengelegt. Bei der «bedarfsorientierten Dienstpflicht» müssten auch Frauen Dienst leisten.
Wegen der hohen Kosten schon der Bundesrat beide Varianten auf die lange Bank, wurde aber vom Parlament überstimmt. Das VBS soll die Einführung der Sicherheitsdienstpflicht vorantreiben. Der obligatorische Orientierungstag soll einzig als Ergänzung dazu dienen.