Nach Brief an Cassis – Insider verrät
«Es herrscht ein Klima der Angst im EDA»

Über 250 EDA-Mitarbeitende sorgen sich um den humanitären Ruf der Schweiz. Nach einem Brief an Bundesrat Cassis gibts Anrufe aus der Personalabteilung.
Publiziert: 10:49 Uhr
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Aktualisiert: 11:56 Uhr
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Über 250 EDA-Mitarbeitende haben Aussenminister Ignazio Cassis einen Brief geschrieben.
Foto: zVg

Darum gehts

  • EDA-Mitarbeitende fordern klare Haltung im Nahostkonflikt von Aussenminister Cassis
  • Personalabteilung kontaktiert Unterzeichnerinnen und -zeichner, was als Einschüchterungsversuch gewertet wird
  • Das EDA zweifelte an der Authentizität des Briefs
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Vor zwei Wochen enthüllte Blick: Über 250 EDA-Mitarbeitende wandten sich in einem Brief an Aussenminister Ignazio Cassis (64, FDP) und forderten von ihm eine klare Haltung im Nahostkonflikt – sie sorgen sich um den humanitären Ruf der Schweiz.

Cassis hat auf den Brief noch nicht geantwortet, dafür wurde die Personalabteilung aktiv und rief die Unterzeichnerinnen und -zeichner an. «Das Vorgehen wird als Einschüchterungsversuch gewertet», sagt ein Insider zu Blick. «Es herrscht ein Klima der Angst.» Ausserdem: «Mir ist unklar, warum die überall noch anrufen müssen. Oder denken die, der Brief sei ein Fake?»

Das Aussendepartement teilt mit: «Der Brief enthielt einige Elemente, die an der Korrektheit des Briefes zweifeln liessen.» So sei der Brief in einem Couvert ohne Absender verschickt worden. Auch soll der Brief Rechtschreibfehler enthalten haben und «lediglich Namen, aber keine Unterschriften». Toni Frisch (79), ehemaliger Delegierter des Bundesrats für Humanitäre Hilfe, hat gemäss CH Media die Geschäftsprüfungskommission um eine Untersuchung der Situation gebeten. «So kann es nicht weitergehen», sagt Frisch, der die Kritik der EDA-Mitarbeitenden inhaltlich teilt.

«Nella oder della? Kein Grund, am Brief zu zweifeln»

Ob der auf Italienisch verfasste Brief tatsächlich einen Rechtschreibfehler enthielt – darüber gehen die Meinungen auseinander. Befragte Muttersprachler halten ihn für «orthographisch und grammatikalisch» perfekt; allenfalls könne man darüber diskutieren, ob in einem Fall die Präposition «nella» statt «della» besser gewesen wäre. «Es gibt keine sprachlichen Gründe, um an der Authentizität des Briefes zu zweifeln», sagt ein Insider.

Die ehemaligen Sonderbotschafter für den Nahen Osten zeigen sich besorgt. Jean-Daniel Ruch (62) befürchtet, das EDA könne nun schwarze Listen anlegen. Und Didier Pfirter (66) findet: «Im Gegensatz zu allen anderen Bundesbeamten, deren Besitzstand praktisch garantiert ist, werden EDA-Mitarbeitende alle vier Jahre versetzt. Das EDA hat ein viel höheres Druckmittel als andere Departemente und kann kritische Stimmen auf weniger attraktive Posten schicken, was auch Lohneinbussen zufolge hat.»

«Unsere Nahostpolitik schadet dem Ruf der Schweiz»

Pfirter, der wie Cassis der FDP angehört, findet den Brief seiner ehemaligen Kolleginnen und Kollegen «konstruktiv und sachlich». Der ehemalige Diplomat kritisiert: «Bundesrat Cassis hat uns Mitarbeitende immer wieder zu Inputs aufgerufen. Nun, da ein Grossteil der Mitarbeitenden an den Aussenposten sehen, wie unsere Nahostpolitik dem Ruf der Schweiz schadet, und dies dem Chef zurückmelden, werden sie wenig subtil bedroht.»

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