«Monacoisierung» mitten in der Schweiz
Wie Einheimische gegen die Verdrängung durch Superreiche kämpfen

Zug kämpft mit den Folgen seines Wirtschaftsbooms. 2000 Franken für eine Dreizimmerwohnung gelten inzwischen als «preisgünstig». Weniger gut Verdienende ziehen deshalb weg. Zunehmend gibt es Widerstand.
Publiziert: 13:22 Uhr
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Aktualisiert: 13:38 Uhr
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Steuergünstig, See, Voralpen: Zug gilt als sehr lebenswert. Die Mieten sind entsprechend hoch.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Der Kanton Zug boomt – die Schattenseite: Die Mieten steigen
  • Einheimische fürchten Verdrängung
  • Durchschnittlicher Mietpreis in Zug: 1931 Franken – 500 Franken über dem Landesdurchschnitt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Lucien FluriCo-Ressortleiter Politik

Das Geld sprudelt im Kanton Zug: Mit satten 370 Millionen Franken Gewinn rechnet Finanzdirektor Heinz Tännler (65, SVP) in seinem nächsten Budget! In den letzten Jahren sah es ähnlich aus – und dabei buttern die Zuger jährlich noch Hunderte Millionen in den nationalen Finanzausgleich. Expats, tiefe Steuern und internationale Konzerne sorgen seit Jahren für einen Wirtschaftsboom.

Die Schattenseiten: 1931 Franken beträgt der durchschnittliche Mietpreis laut dem Bundesamt für Statistik – absoluter Spitzenwert in der Schweiz. Landesweit zahlt man fast 500 Franken weniger! 

Günstig heisst: 2000 Franken für die Dreizimmerwohnung

Kein Wunder, dass sich Zuger Politikerinnen öfter mit der Wohnfrage befassen müssen. Regelmässig gibt es Vorstösse, Initiativen oder Petitionen werden lanciert, Gemeinden schreiben bei Neubauten Quoten für günstigen Wohnraum vor. 

Besonders deutlich zeigt sich der Konflikt in Hünenberg: In der 8900-Seelen-Gemeinde kristallisiert sich gerade die Diskussion um Verdrängung, steigende Preise, Expats und Neubauten, die die Landschaft zupflastern könnten. «Seit längerem hören wir von der Bevölkerung die Sorge, dass kaum noch preisgünstiger Wohnraum im Kanton Zug zu finden ist», sagt der für Bau und Planung zuständige Gemeinderat Thomas Anderegg (55, Mitte).

Schon im Juni hatte die Gemeindeversammlung einen aussergewöhnlichen Entscheid getroffen: Wer seit vielen Jahren im Ort wohnt, erhält bevorzugt eine sogenannt preisgünstige Wohnung von der Gemeinde. Preisgünstig, das bedeutet nach Zuger Gesetzen: 2000 Franken für eine Dreizimmerwohnung. 

Die Gründe für den Vorstoss der Jungen Mitte: Einheimische haben Angst vor dem Verlust des Dorflebens. Junge Familien, die im Ort und im Vereinsleben verwurzelt seien, könnten wegen der hohen Preise zum Wegzug gezwungen sein.

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Widerstand trotzt 200 günstigeren Wohnungen

Am 28. September kommt es in Hünenberg erneut zum Showdown. Das Dorf stimmt über die Ortsplanungsrevision ab. Gleich mehrere Komitees kämpfen dagegen, obwohl es dank verdichtetem Bauen und neuen Vorschriften mehr günstige Wohnungen geben soll. Bis 2040 dürften so mindestens 200 zusätzliche Wohnungen im preisgünstigen Segment gebaut werden, in vielen Fällen auf Gemeindeland.

Trotzdem gibt es Widerstand: Die IG Hünenberg See hat grosse Wohnklötze in Fotos der Gemeinde gezeichnet. Sie warnt vor Quartieren, in der statt Einfamilienhäusern grosse Überbauungen stehen, sie warnt vor Verkehrschaos und vor dem Verlust des dörflichen Charakters. 

«In Zug findet eine Monacoisierung statt», sagt Luzian Franzini (29), Co-Präsident der Grün-Alternativen in Zug. «Der Kanton wird immer mehr zu einem Ort, an dem sich nur Superreiche finden.» Viele Jugendfreundinnen oder Jugendfreunde seien weggezogen. Franzini rechnet damit, dass der Druck noch lange nicht abnimmt: «Wir haben mehr Arbeitsplätze als Einwohner.» Deshalb würden alle neuen Wohnungen «aufgesogen wie ein Schwamm». 

«Ein Ansporn, erfolgreich zu sein»

Monacoisierung? «Linker Populismus», sagt Daniel Gruber (52) dazu nur. Der FDP-Präsident kommt lieber auf die Vorzüge des Kantons zu sprechen: Die dienstleistungsorientierten Behörden, die Kleinräumigkeit mit dörflichem Charakter, die gute Erreichbarkeit von Zürich, die tolle Lage mitten in den Voralpen und der See: Dass da die Mieten etwas teurer seien, entspreche dem marktwirtschaftlichen Gesetz von Angebot und Nachfrage. 

Was bleibt unter dem Strich?

Tatsächlich sind die Mieten im Kanton Zug zwar hoch. Doch laut einer Studie, die der Kanton Zug veröffentlicht hat, geben Zugerinnen und Zuger – prozentual gesehen – nicht mehr von ihrem Einkommen für die Miete aus als Einwohner in anderen Kantonen.

Wie kann das sein? Der Grund: Auch die Löhne sind im Kanton Zug höher, es gibt deutlich mehr Gutverdiener als im Schweizer Schnitt. Unterdurchschnittlich vertreten sind im Kanton Leute mit geringen Einkommen. Es finde ein Verdrängungskampf statt, sagt Grünen-Co-Präsident Luzian Franzini (29). Personen mit tiefen Einkommen seien in den letzten zehn Jahren in umliegende Kantone gezogen. Denn erst ab 150'000 Franken Einkommen würden die tiefen Steuern die hohen Mietpreise ausgleichen.

Tatsächlich sind die Mieten im Kanton Zug zwar hoch. Doch laut einer Studie, die der Kanton Zug veröffentlicht hat, geben Zugerinnen und Zuger – prozentual gesehen – nicht mehr von ihrem Einkommen für die Miete aus als Einwohner in anderen Kantonen.

Wie kann das sein? Der Grund: Auch die Löhne sind im Kanton Zug höher, es gibt deutlich mehr Gutverdiener als im Schweizer Schnitt. Unterdurchschnittlich vertreten sind im Kanton Leute mit geringen Einkommen. Es finde ein Verdrängungskampf statt, sagt Grünen-Co-Präsident Luzian Franzini (29). Personen mit tiefen Einkommen seien in den letzten zehn Jahren in umliegende Kantone gezogen. Denn erst ab 150'000 Franken Einkommen würden die tiefen Steuern die hohen Mietpreise ausgleichen.

Wer in Zürich an attraktivster Lage wohnen wolle, zahle schliesslich auch mehr als im Umland, so der FDP-Präsident. «Für mich persönlich war dies auch immer Ansporn, selbst erfolgreich zu sein.» 

Gruber beurteilt die Wohnungssituation insgesamt zwar als «anspruchsvoll, wie in der ganzen Schweiz». Er betont aber: «Einheimische sind gut vernetzt und finden Wohnraum.» 

Die Steuern sinken weiter

Gerade eben hat die SP eine Initiative lanciert, die einen staatlichen Immobilienfonds fordert. 750 Millionen Franken sollen etwa für mehr Wohnbaugenossenschaften und günstige Wohnungen sorgen.

FDP-Präsident Gruber hält davon nichts. «Wenn der Staat mitbietet, verteuert sich der Boden nochmals. Denn es gibt einen Akteur mehr», sagt er. Sein Rezept: weniger Regulierung, Aufzonungen und verdichtetes Bauen.

Ganz anderer Meinung ist Luzian Franzini. «Die hohen Mieten sind eine direkte Folge der Tiefsteuerpolitik», sagt der Präsident der Grünen. «Mit jeder Steuersenkung nimmt der Druck zu.» Aus seiner Sicht müsste Zug bei der eigenen Attraktivität ansetzen. 

Die bürgerliche Mehrheit in Zug sieht dies aber ganz anders. Von 2026 bis 2029 will Zug die Steuern temporär senken. Der Kanton wird nochmals attraktiver und distanziert den Rest der Schweiz noch etwas mehr. 

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