Darum gehts
- Der Deutsche Roman Welzk (35) wanderte vor 6 Jahren in die Schweiz aus
- Als «Auswander-Coach» erklärt er anderen, wie der Neustart in der Schweiz gelingt
- Mittlerweile weiss er, wie die Schweiz tickt – und welche Schwächen wir haben
Auf seiner Weltreise traf Roman Welzk (35) ein Schweizer Paar – ein Gespräch, das sein Leben veränderte. Der gelernte Physiotherapeut fasste daraufhin den Entschluss, in die Schweiz auszuwandern.
Inzwischen lebt der gebürtige Ostdeutsche seit sechs Jahren mit seiner Partnerin in Basel und arbeitet in einer Klinik für Neurorehabilitation und Paraplegiologie. Nebenbei ist er als Influencer aktiv: Auf Youtube, Facebook, Instagram und seiner Website erklärt er, wie das Leben in der Schweiz funktioniert. Immer wieder wirft er auch einen Blick auf unsere Systeme und die Politik.
Als «Auswander-Coach» hat er sich eine kleine, aber treue Community aufgebaut – denn mit dem Traum von einem Neuanfang in der Schweiz ist er nicht allein. Die Nachfrage nach seinem Rat wächst. Im Gespräch mit Blick erzählt Welzk, wie die Schweizerinnen und Schweizer ticken – und warum er dieses Jahr zum ersten Mal den Nationalfeiertag richtig geniessen konnte.
Deutsche Art führe zu Missverständnissen
Das Verhältnis zwischen Deutschen und Schweizern kann ein sensibles sein. Zwar teilen die beiden Länder Sprache, Werte und kulturelle Nähe – dennoch begegnen viele Einwanderer aus Deutschland zunächst einer gewissen Zurückhaltung. So hat es auch Welzk erlebt. Er kennt inzwischen beide Seiten: die deutsche Perspektive von aussen und die Schweizer Lebensrealität von innen.
Vor allem zu Beginn habe seine deutsche Ausdrucksweise immer wieder zu Missverständnissen geführt. «Mein Charakter wurde schnell als überheblich oder sogar arrogant eingeschätzt», sagt Welzk. Das habe er aber rasch überwinden können – auch, weil er innerhalb von zwei Wochen gelernt habe, Schweizerdeutsch zu verstehen. Zudem begann er, typische Schweizer Ausdrücke in seinen Wortschatz zu übernehmen.
Finanzen als Hauptargument
Ausschlaggebend für seinen Umzug in die Schweiz war das Geld, verrät Welzk: «Die Lohndifferenz zu Deutschland ist gigantisch.» Dieses Argument höre er auch am häufigsten aus seiner Community.
Mittlerweile schätzt der 35-Jährige an seiner Wahlheimat vor allem die Ruhe. «Das Tempo ist langsamer», sagt er. Gleichzeitig spüre er aber auch einen ausgeprägten Leistungsdruck. Seine Erklärung: «Wenn man an der Spitze der Welt steht, hängt auch viel Verantwortung an dieser Position.»
Was die Schweiz im Kern ausmache, sei eine Grundakzeptanz und eine generelle Offenheit in der Gesellschaft – getragen durch die vielen ausländischen Kulturen und Zuzüger.
Wie viel Nationalstolz ist zu viel?
Trotz seiner Wertschätzung für die Schweiz fühlt sich Roman Welzk nicht immer ganz angekommen. So findet er das «stoische Wahren» von Traditionen «komisch». Vieles werde einfach gemacht, weil es schon immer so gemacht worden sei. Auch das Label «Made in Switzerland» habe einen sehr hohen Stellenwert – das führe seiner Ansicht nach teils zu naiven Kaufentscheidungen. Im Schweizer Umfeld habe er zudem gemerkt, dass sich vieles immer nur um die Schweiz drehe. «In der Schweiz gibt es ein starkes eidgenössisches Denken.»
Das Gespräch mit Blick fand kurz vor dem 1. August statt, dem Nationalfeiertag. Welzk erzählt, dass auch das grosse Zelebrieren der Confoederatio Helvetica auf ihn «etwas befremdlich» wirke. «Wenn man in Deutschland so einen Nationalstolz präsentieren würde, hätte das einen anderen Nachgeschmack.»
Bisher habe er an der Feierlichkeit immer den Arbeitsdienst übernommen – aus Rücksicht auf seine Schweizer Arbeitskollegen. Nicht dieses Jahr. Er und seine Freundin verbrachten den 1. August in Basel mit einem guten Essen – und zeigten sich an diesem Tag einfach dankbar.