Kompass-Initiative soll rasch vors Volk
So will Badran den Ständemehr-Streit beim EU-Deal lösen

Reicht für den EU-Deal das Volksmehr – oder braucht es auch das Ständemehr? Darüber wird heftig gestritten. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran sieht in der Kompass-Initiative den Schlüssel zur Entscheidung.
Publiziert: 13:30 Uhr
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Aktualisiert: 14:27 Uhr
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SP-Nationalrat Jacqueline Badran hat einen Vorschlag parat, wie sich der Ständemehr-Streit beim EU-Deal lösen lässt.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • EU-Deal: Streit um fakultatives oder obligatorisches Referendum
  • Kompass-Initiative fordert Ständemehr für EU-Verträge
  • SP-Nationalrätin Jacqueline Badran fordert, dass die Initiative rasch vors Volk kommt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Der Bundesratsentscheid sorgte bei den EU-Gegnern für einen Aufschrei: Der neue EU-Deal soll nur dem fakultativen Referendum unterstehen. Will heissen: Für ein Ja zum Stabilisierungspaket reicht das Volksmehr, die deutlich höherer Hürde des Ständemehrs fällt weg. Zudem müssen die Gegner 50'000 Unterschriften sammeln, damit das Abkommen überhaupt an die Urne kommt.

«Das ist ein Skandal», schimpft die SVP. Sie fordert für den «EU-Unterwerfungsvertrag» ein obligatorisches Referendum, womit der Deal nur mit einem doppelten Ja bei Volk und Ständen umgesetzt werden könnte. Zahlreiche Vertragsbefürworter hingegen erachten das Volksmehr als genügend. Noch ist offen, für welches Szenario sich das Parlament entscheidet. Klar ist nur: Schon jetzt gehen die Wogen hoch. Neuer Zoff ist programmiert.

Kompass-Initiative als Schlüssel

Ein Streit, der sich vermeiden lässt, wenn es nach SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (63) geht. Der Schlüssel dazu: die sogenannte Kompass-Initiative. Diese verlangt, dass völkerrechtliche Verträge, die eine Übernahme wichtiger rechtsetzender Bestimmungen vorsehen, Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet werden. Dies würde auch für die EU-Verträge gelten, sollten diese ohne das Ständemehr an die Urne kommen und die Kompass-Initiative dereinst angenommen werden.

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Nicht etwa, dass Badran die Initiative befürworten würde. «Ich lehne diese ab», sagt sie klipp und klar. Und trotzdem sieht sie in der Initiative die Lösung für den Ständemehr-Streit. «Die Initiative wird bald eingereicht und lässt sich nicht einfach ignorieren», sagt die SP-Politikerin. «Es liegt daher weder am Bundesrat noch am Parlament, in dieser Ausgangslage einen Volksentscheid vorwegzunehmen.»

So sieht der EU-Deal aus

Im Dezember trafen sich die damalige Bundespräsidentin Viola Amherd (62) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) in Bern, um den Abschluss der Verhandlungen zu feiern. Das sind die wichtigsten Punkte

  • Mit dem neuen Abkommen sollen die Spielregeln genauer festgelegt werden: Bei einzelnen Abkommen, wie zum Beispiel der Personenfreizügigkeit übernimmt die Schweiz EU-Recht. Volk oder Parlament können das ablehnen – dann drohen Strafen. Darüber entscheidet schlussendlich ein Schiedsgericht, dass den EU-Gerichtshof beizieht. Entscheiden wird das Schiedsgericht.
  • EU-Bürger können in die Schweiz ziehen und hier arbeiten. Der Bund hat hier aber Ausnahmen erreicht, zum Beispiel bei Landesverweisungen für Straftäter und dem Aufenthaltsrecht. Der Lohnschutz soll über ein dreistufiges Konzept gesichert werden. Künftige Anpassungen, die das Schutzniveau verschlechtern, muss die Schweiz nicht übernehmen.
  • Die bisherige Schutzklausel bei der Einwanderung wird konkretisiert. Die Schweiz kann sie einseitig aktivieren.
  • Künftig dürfen auch ausländische Bahnen wie Flixtrain auf Schweizer Schienen fahren.
  • Neue Verträge gibt es unter anderem beim Strom, der Gesundheit oder Lebensmittelsicherheit.
  • Die Schweiz darf wieder bei EU-Programmen wie dem Studenten-Austauschprogramm Erasmus mitmachen.
  • Die Schweiz überweist ab 2030 jährlich 350 Millionen Franken. Das Geld fliesst in Entwicklungsprojekte in EU-Ländern wie Bulgarien, Estland oder Kroatien.

Zum ausführlichen Artikel geht es hier.

Im Dezember beendeten Viola Amherd und Ursula von der Leyen die materiellen Verhandlungen.
AFP

Im Dezember trafen sich die damalige Bundespräsidentin Viola Amherd (62) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) in Bern, um den Abschluss der Verhandlungen zu feiern. Das sind die wichtigsten Punkte

  • Mit dem neuen Abkommen sollen die Spielregeln genauer festgelegt werden: Bei einzelnen Abkommen, wie zum Beispiel der Personenfreizügigkeit übernimmt die Schweiz EU-Recht. Volk oder Parlament können das ablehnen – dann drohen Strafen. Darüber entscheidet schlussendlich ein Schiedsgericht, dass den EU-Gerichtshof beizieht. Entscheiden wird das Schiedsgericht.
  • EU-Bürger können in die Schweiz ziehen und hier arbeiten. Der Bund hat hier aber Ausnahmen erreicht, zum Beispiel bei Landesverweisungen für Straftäter und dem Aufenthaltsrecht. Der Lohnschutz soll über ein dreistufiges Konzept gesichert werden. Künftige Anpassungen, die das Schutzniveau verschlechtern, muss die Schweiz nicht übernehmen.
  • Die bisherige Schutzklausel bei der Einwanderung wird konkretisiert. Die Schweiz kann sie einseitig aktivieren.
  • Künftig dürfen auch ausländische Bahnen wie Flixtrain auf Schweizer Schienen fahren.
  • Neue Verträge gibt es unter anderem beim Strom, der Gesundheit oder Lebensmittelsicherheit.
  • Die Schweiz darf wieder bei EU-Programmen wie dem Studenten-Austauschprogramm Erasmus mitmachen.
  • Die Schweiz überweist ab 2030 jährlich 350 Millionen Franken. Das Geld fliesst in Entwicklungsprojekte in EU-Ländern wie Bulgarien, Estland oder Kroatien.

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Für Samstag ruft das Kompass-Komitee zum nationalen Sammeltag für den Schlussspurt – noch im Sommer will es die Initiative einreichen. Badran plädiert dafür, diese im Eiltempo zu behandeln und vors Volk zu bringen. «Die Sache ist klar, da müssen wir auch nicht über einen Gegenvorschlag diskutieren», sagt sie. Der Bundesrat soll die Initiative daher zügig behandeln, das Parlament ebenso.

Kompass-Abstimmung schon 2026?

Über die Kompass-Initiative könnte so schon 2026 abgestimmt werden. Die neuen EU-Abkommen kommen wohl erst etwa 2028 an die Urne. «So kann das Volk rechtzeitig entscheiden, ob es die EU-Verträge dem Ständemehr unterstellen will oder nicht», so Badran. «Die ganze Streiterei und Unsicherheit können wir uns damit sparen.»

Für sie ist unverständlich, dass der Bundesrat die Frage jetzt schon klären will. «Vom Fahrplan her ist das unnötig, auch wenn der Bundesrat in der Sache selbst richtig liegt», sagt die Zürcherin. Aufgrund der aktuellen Rechtslage ist für sie eindeutig, dass das fakultative Referendum und damit das Volksmehr für die neuen EU-Abkommen reichen. «Wäre das nicht so klar, hätten die Initianten ja ihre Initiative nicht gemacht.»

Bundesverfassung ist klar

Sie kramt dafür die Bundesverfassung hervor. Mit Leuchtstift hat sie die entsprechenden Artikel 140 und 141 markiert. Diese regeln konkret, in welchen Fällen ein obligatorisches Referendum zwingend ist oder ein fakultatives Referendum vorgeschrieben ist. Für völkerrechtliche Verträge mit «wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen» wie die EU-Abkommen gilt Letzteres, also kein Ständemehr.

Ist der EU-Deal ein Fortschritt oder chancenlos?
40:55
Diskussion in voller Länge:Ist der EU-Deal ein Fortschritt oder chancenlos?

«Das wurde in einer Abstimmung über die Volksrechte 2003 bewusst so entschieden», betont Badran. Damals wurde das fakultative Staatsvertragsreferendum neu geregelt. Daher erachtet sie es falsch, das obligatorische Referendum «wie gnädige Herren nach Gutdünken von oben herab» zu gewähren. «Wir haben in der Schweiz geregelte Volksrechte. Eine Obrigkeit, die Referenden ‹gewährt›, wie zum Beispiel beim Brexit in England, gehört definitiv nicht zur Schweiz», sagt sie. «Wir sollten uns deshalb an unsere eigene Verfassung halten.»

Schliesslich führt sie einen weiteren Volksentscheid ins Feld. 2012 versenkte das Stimmvolk die SVP-Initiative «Staatsverträge vors Volk» deutlich mit 75 Prozent Nein-Anteil. Badran ist überzeugt, dass der Kompass-Initiative – «gerade in Zeiten von Trump» – das gleiche Schicksal beschieden sein wird. «Je schneller die Frage auf den Tisch kommt, umso rascher kann das Volk für Klarheit sorgen.»

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