Darum gehts
- Jean-Luc Addor, SVP-Nationalrat, widerspricht seiner Partei bei Personalfragen im Parlament
- Addor ist Präsident der Zollgewerkschaft Garanto und fordert mehr Bundespersonal
- Zwischen 2020 und 2026 sollen beim BAZG 400 Stellen abgebaut werden
Wenn im Parlament über Fragen zum Bundespersonal debattiert wird, zeigt der Abstimmungs-Monitor im Saal ein einheitliches Bild: Die Rechte stimmt geschlossen für Kürzungen, die Linke ebenso geschlossen dagegen. Ein einzelner roter Punkt fällt jedoch oft auf, der sich vom grünen Meer der SVP-Sitze abhebt.
Es ist der Platz von Nationalrat Jean-Luc Addor (61, VS). Auch kürzlich, als das Parlament eine Obergrenze für die Zahl der Vollzeitstellen beschloss, stellte sich Addor als einziger SVP-Politiker gegen die Motion seines Fraktionschefs Thomas Aeschi (46, ZG).
Pöstler-Sohn mit sozialer Ader
Diese Haltung kommt nicht von ungefähr. Im Juni wurde Addor zum Präsidenten der Gewerkschaft des Zollpersonals Garanto gewählt. Er setzte sich gegen den SP-Nationalrat Emmanuel Amoos (45, VS) durch. Damit steht erstmals ein SVP-Politiker an der Spitze einer nationalen Gewerkschaft.
Eigentlich politisiert Addor am rechten Rand seiner Partei. Auf Facebook forderte er einmal die Wiedereinführung der Todesstrafe, 2020 wurde er wegen Rassendiskriminierung verurteilt. Wieso also das gewerkschaftliche Engagement? Garanto ist schliesslich Teil des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds – und traditionell in linker Hand.
Addors Rolle ist weniger überraschend, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Er hat eine soziale Ader – entgegen seiner Partei setzte er sich etwa offen für die 13. AHV-Rente ein und war gegen die BVG-Reform.
Ausserdem hegt er besondere Sympathien für die Bundesangestellten: Als Sohn eines Postbeamten habe er sie nie als «einfache Posten im Budget» betrachtet, sondern als Personen, «die mit der Erfüllung der ihnen vom Parlament übertragenen Aufgaben betraut sind». «Ihr Status verdient Respekt und manchmal auch mehr Wertschätzung», sagt er zu Blick.
Ein Bundesamt im Umbruch
Addor hat das Garanto-Präsidium in einer heiklen Phase übernommen – auch darum stellt er sich wohl so vehement gegen Kürzungen. Derzeit läuft beim Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) ein weitreichendes Transformationsprogramm; innerhalb des Bundesamts bleibt kaum ein Stein auf dem anderen. Die Stimmung beim Personal sei «düster», so Addor. «Unsicherheit und Besorgnis herrschen vor, da die Mitarbeitenden noch immer keine Gewissheit über ihr neues Berufsprofil und ihre Lohnklasse haben.»
Im Zuge des Programms werden Warenzöllner und Grenzwächter zu einem einheitlichen Berufsbild zusammengeführt – eine umstrittene Reform, da einzelne Funktionen in tiefere Lohnklassen fallen. Mitte Dezember wandte sich Addor deshalb im Namen der Gewerkschaft an Bundesrätin Karin Keller-Sutter (62, FDP), in deren Finanzdepartement das BAZG angesiedelt ist. Die Umsetzung berge das Risiko, ganze Berufsgruppen zu demotivieren und wertvolles Fachwissen zu verlieren, heisst es im Schreiben, das Blick vorliegt. Eine Antwort sei bislang ausgeblieben.
Zudem werden beim BAZG zwischen 2020 und 2026 rund 400 Stellen abgebaut. Addor bezweifelt, dass die Digitalisierung und neue Strukturen den Abbau kompensieren können. «Wenn wir nicht schnell die Augen öffnen, werden wir bald feststellen, dass das BAZG noch weniger als heute in der Lage sein wird, seine Aufgaben vollständig zu erfüllen.»
Inkonsequente SVP?
Er setze sich darum für eine Aufstockung des Personals beim Bundesamt ein, um eine wirksame Kontrolle der Grenzen wiederherzustellen, sagt Addor. Dieses Ziel sei mit der Motion von Fraktionschef Aeschi, die die Begrenzung der Vollzeitstellen forderte, nicht vereinbar – sollten die linearen Kürzungen das BAZG treffen, hätte dieses «keine Chance», wirksamere Kontrollen umzusetzen.
Der Walliser Nationalrat steht damit exemplarisch für einen Widerspruch innerhalb der SVP, auf den etwa linke Politiker und Politikerinnen immer wieder aufmerksam machen: Einerseits will die Partei den Rotstift beim Bundespersonal ansetzen. Gleichzeitig fordert sie aber schärfere Grenzkontrollen, eine stärkere Armee und mehr Sicherheit. Diese sicherheitspolitischen Ziele seien ohne zusätzliches Personal kaum zu erreichen, so die Kritik.
Addor ist aber nicht nur engagierter Gewerkschafter, sondern auch SVPler durch und durch. Einen echten Widerspruch in der Partelinie sieht er nicht. Es gebe keine Mehrheit, die echte Prioritäten im Bereich der Sicherheit setzen würde, sagt er. Um nicht die Kontrolle über den Haushalt zu verlieren, müsse man halt zulasten anderer Aufgaben kürzen. Solange dies der Fall sei, werde seine Partei mit einem «scheinbaren Widerspruch» konfrontiert sein.