«Historischer Müll»
Landesmuseum verkaufte Fake-Buch über Napoleon

Ein Buch über Napoleon III. entpuppt sich als historischer Unsinn. Ein Beobachter-Leser meldete den Fund, das Landesmuseum reagierte sofort. Die Vermutung liegt nahe, dass hier künstliche Intelligenz die Finger im Spiel hatte.
Publiziert: 30.10.2025 um 10:09 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2025 um 11:11 Uhr
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Das Landesmuseum hat sofort reagiert: Es hat ein Buch über Napoleon III. rasch aus dem Verkauf genommen.
Foto: Thomas Meier

Darum gehts

  • Landesmuseum Zürich verkauft fehlerhaftes Buch über Napoleon III
  • KI-Detektoren identifizieren Text mit hoher Wahrscheinlichkeit als KI-generiert
  • Nur zwei Exemplare verkauft, Kaufpreis von 42.90 Franken wird erstattet
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Chantal Cosandey
Chantal Cosandey
Beobachter

Es sollte ein informatives Souvenir aus dem Landesmuseum Zürich sein. Anfang Oktober kaufte ein Beobachter-Leser im Museumsshop ein Buch mit dem Titel «Die Schweizer Jahre von Napoléon III». Beim Durchblättern zu Hause wurde der Geschichtsliebhaber stutzig. «Der Mann auf dem Titelbild sieht nicht aus wie Napoleon III. Da hätte mir eigentlich schon klar sein müssen, dass etwas mit dem Buch nicht stimmt», so der Leser zum Beobachter.

Das Buch, ein sogenannter Print-on-Demand-Titel, der erst bei Bestellung gedruckt wird, enthalte weder eine Bibliografie noch Fussnoten, und der Inhalt sei «historischer Müll», so der Leser. Es gleiche einer «unhinterfragten Lobeshymne». Der Leser ist mit seiner Kritik nicht allein.

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Das Buch wird auch bei Orell Füssli vertrieben und mit schlechten Rezensionen abgestraft: Der Text sei voller Widersprüche, Jahreszahlen seien falsch. Über den Autor ist nichts zu finden, da er ein Pseudonym verwendet.

«Ich bezweifle, dass der Autor überhaupt existiert oder Historiker ist. Aus meiner Sicht ist das Werk KI-generiert», heisst es in einer Bewertung.

Verdacht auf KI-Unterstützung

Der Beobachter machte die Probe aufs Exempel und liess eine Strecke aus dem Buch durch fünf verschiedene KI-Detektoren prüfen. Vier davon gaben an, dass der Text mit einer Wahrscheinlichkeit von über 85 Prozent von einer KI stamme, ein fünfter Detektor gab diese Wahrscheinlichkeit mit über 50 Prozent an. Bei genauerem Hinsehen fällt auch auf, dass die abgebildete Person auf dem Cover an der rechten Hand nur vier Finger hat. Ein starkes Indiz für die Nutzung künstlicher Intelligenz.

Auf den ersten Blick ein stattlicher Mann. Wer aber die rechte Hand des Mannes auf dem Buchcover genauer betrachtet, merkt: Da fehlt ein Finger.
Foto: Rimbaud, Louis: «Die Schweizer Jahre von Napoléon III», Verlag Tredition, 2024

Der Leser meldete seinen Fund dem Landesmuseum. Dieses reagierte prompt und nahm das Buch aus dem Sortiment.

Dem Beobachter bestätigt der Leiter Marketing und Kommunikation des Landesmuseums, Alexander Rechsteiner, den Vorfall. Man sei froh über die Reklamation. Der volle Kaufpreis von 42.90 Franken werde dem Kunden zurückerstattet. Das Buch, von dem insgesamt nur zwei Exemplare verkauft wurden, werde sicher nicht mehr nachbestellt und befinde sich nicht mehr im Sortiment. «Grundsätzlich wird die Boutique keine Print-on-Demand-Titel mehr einkaufen», fügt Rechsteiner an.

Verlag räumt Probleme ein

Das Buch ist beim deutschen Selfpublishing-Verlag Tredition erschienen. Auf Anfrage des Beobachters erklärte man dort, die inhaltliche Verantwortung liege grundsätzlich bei den Autorinnen und Autoren selbst.

Gleichzeitig räumt der Verlag Probleme mit künstlicher Intelligenz ein: «In den vergangenen ein bis zwei Jahren beobachteten wir eine regelrechte Flut an Veröffentlichungen, die ganz oder teilweise mit Unterstützung von KI erstellt wurden.» Autoren seien zwar verpflichtet, dies zu kennzeichnen, «leider halten sich jedoch nicht alle daran». Man sei für den Hinweis dankbar. Als Konsequenz habe man entschieden, den Titel aus dem Verkauf zu nehmen und den Vorgang intern zu prüfen.

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