Darum gehts
- Gericht: Polizeieinsatz bei Impfchef-Entführer war rechtmässig und verhältnismässig
- Mutter des Entführers reichte Beschwerde ein, kritisierte Einsatzdoktrin
- Von sieben abgegebenen Schüssen trafen höchstens drei den Entführer
Am 6. April 2022 versuchte eine Spezialeinheit der Polizei, Kevin W* in Wallisellen ZH zu verhaften. W. hatte eine Woche zuvor den damaligen Impfchef Christoph Berger (63) entführt und 300'000 Franken Lösegeld gefordert. Beim Einsatz kam es zu einer dramatischen Wendung: Der 38-jährige Deutsche erschoss seine Freundin – woraufhin auch die Polizisten das Feuer eröffneten. Beide Personen kamen dabei ums Leben.
Welche Mitschuld trugen die Einsatzkräfte am Tod des Entführers und seiner zehn Jahre jüngeren Partnerin? Das musste nun das Zürcher Obergericht beurteilen. Wie die «NZZ» berichtet, kam das Gericht zu einem deutlichen Fazit: Die Beamten handelten korrekt und in Notwehr.
Mutter reichte Beschwerde ein
Die Staatsanwaltschaft hatte bereits im Dezember 2024 die Strafverfahren gegen die vier beteiligten Polizisten eingestellt. Grund für den Prozess vor Gericht war jedoch eine Beschwerde der Mutter von Kevin W. Laut ihrer Ansicht hatte der Einsatz der Polizei nicht rechtmässig stattgefunden.
Die Mutter argumentierte in ihrer Beschwerde, dass es mildere Mittel gegeben hätte, um die Situation zu entschärfen. Sie kritisierte, dass die Polizisten nicht zuerst einen Warnschuss abgegeben hätten. Zudem hielt sie die Einsatzdoktrin «Schiessen bis Wirkung» für unverhältnismässig und verglich sie mit einer «ungesetzlichen Todesstrafe».
Das Obergericht wies diese Einwände jedoch zurück. Es betonte, dass die Polizisten von einer akuten Lebensgefahr für alle Beteiligten ausgehen mussten, da der Entführer auch nach dem Schuss auf seine Partnerin die Waffe weiter in der Hand hielt. «Es ist keine mildere Alternative ersichtlich, die in dieser Situation auch nur annähernd gleichermassen erfolgversprechend gewesen wäre», so das Obergericht.
Anzahl Schüsse war gerechtfertigt
Auch die Anzahl der abgegebenen Schüsse wurde vom Gericht als verhältnismässig eingestuft. Von sieben Schüssen trafen höchstens drei den Entführer. «Das zeigt, dass es auch für trainierte Schützen nicht einfach ist, in einem dynamischen Geschehen zu treffen», schreibt das Obergericht.
Das Obergericht wies auch den Vorwurf zurück, die Polizisten hätten eine aussergesetzliche Todesstrafe vollzogen. Es betonte, dass es der Entführer war, «der seine völlig unbeteiligte Freundin völlig unvermittelt erschossen hat».
Die Wahl des Einsatzortes wurde ebenfalls als angemessen beurteilt. Alternativen wie ein Zugriff während eines Waldspaziergangs oder in der Wohnung des Entführers hätten laut Gericht grössere Risiken für die Einsatzkräfte und unbeteiligte Personen bedeutet.
Ob das Urteil des Obergerichts endgültig ist, bleibt abzuwarten. Der Anwalt der Mutter des Entführers erklärte gegenüber der «NZZ», dass ein Weiterzug an das Bundesgericht in Erwägung gezogen werde.
* Name geändert