Gericht rügt Glarner Polizei
Polizisten sollen Beweisbilder manipuliert haben

Glarner Polizisten sollen die Dokumentation einer Verkehrskontrolle manipuliert haben. Nun hat die Kantonspolizei eine interne Abklärung eingeleitet.
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Das Obergericht rügt die Glarner Kantonspolizei.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Glarner Obergericht spricht Autofahrer nach umstrittener Radarkontrolle frei
  • Gericht kritisiert Polizeiarbeit wegen fehlender Dokumentation und fragwürdiger Beweisführung
  • Rund 600 Auto- und Töfffahrer wurden 2021 am Osterwochenende geblitzt
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Céline ZahnoRedaktorin Politik

Eine grossangelegte Radarkontrolle am Osterwochenende sorgte 2021 im Kanton Glarus für Wirbel. Rund 600 Auto- und Töfffahrer wurden damals am Kerenzerberg geblitzt – auf einem Abschnitt, der wegen einer Baustelle von Tempo 80 auf Tempo 50 reduziert gewesen sein soll. Ob diese Signalisation tatsächlich korrekt und sichtbar angebracht war, war von Anfang an umstritten.

Nun fällt das Glarner Obergericht ein brisantes Urteil. Nachdem das Bundesgericht befunden hatte, dass ein Fahrer rechtmässig gebüsst wurde, weil das Signal grundsätzlich sichtbar gewesen sei, spricht ihn das Obergericht zum zweiten Mal frei. Der Grund lässt aufhorchen: Die Richter üben harsche Kritik an der Arbeit der Kantonspolizei.

Happige Vorwürfe an die Polizei

Diese habe ihre Dokumentationspflicht verletzt. Bei temporären Signalen müsse die konkrete Situation fotografisch festgehalten werden. Nur so sei später klar, wo genau die Schilder gestanden hätten. In allen fünf Anklagedossiers gebe es aber kein einziges Polizeifoto mit dem Beleg, wo damals am Osterwochenende tatsächlich eine 50er-Tafel gestanden habe. 

Besonders schwer wiegt der Vorwurf des Gerichts, die Polizei habe eine Aufnahme verwendet, die unmöglich an jenem Osterwochenende entstanden sein könne. In einem Verfahren sei das Foto sogar fälschlicherweise auf den 6. April 2021 datiert worden – ein Polizeibeamter gab dennoch an, das Bild dokumentiere «den genauen Standort der temporären Signalisation».

«Der gleiche Polizeibeamte machte in den verschiedenen Verfahren krass unterschiedliche Angaben zum angeblichen Standort der Verkehrstafel oberhalb der Messstelle», schliesst das Obergericht. Ob an Ostern 2021 überhaupt eine gültige Temporeduktion angezeigt war, lasse sich daher nicht mehr feststellen. Das Obergericht hat den Bündner Autofahrer freigesprochen.

Interne Abklärung eingeleitet

Die Glarner Kantonspolizei weist auf Anfrage von Blick darauf hin, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei. «Da das Urteil die polizeiliche Arbeit kritisiert und Fragen aufwirft, hat die Kantonspolizei Glarus dies zum Anlass genommen, eine interne Abklärung einzuleiten.» Diese solle die Vorgänge nachvollziehen sowie die Prozesse und die Qualitätssicherung im Bereich der Geschwindigkeitskontrollen und ihres Umgangs im Rechtsmittelverfahren kritisch überprüfen. «Die internen Abklärungen werden bestimmen, welche Massnahmen zu treffen sind.»

Falls das Urteil rechtskräftig wird, wird das Gericht wohl auch die vier weiteren Auto- und Töfffahrer freisprechen, deren Rekurse hängig sind. Auch die rund 600 geblitzten Lenkerinnen und Lenker dürften dann auf mildere Strafen hoffen.


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