Geldsegen vom Staat
Statt Steuersenkung winkt ein 500-Franken-Scheck

Viele Kantone und Städte schwimmen im Geld. Statt die Steuern zu senken oder immer neue Aufgaben zu finanzieren, wollen manche es künftig direkt der Bevölkerung zurückgeben. Doch wer bekommt wie viel?
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17 von 26 Kantonen haben 2024 teils sehr hohe Überschüsse erzielt.
Foto: Alexandra Maechler/KEYSTONE - Montage: Beobachter

Darum gehts

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Raphael Brunner
Beobachter

Wenn die Stadt Schaffhausen ungeplant einen Überschuss erzielt, erhält künftig jede Einwohnerin und jeder Einwohner einen Teil davon ausgezahlt. Per Check. Alle gleich viel. Zur freien Verfügung

Das Stadtparlament hat 2024 einen entsprechenden Vorstoss der Jungen Grünen überwiesen. Die Schaffhauser Regierung arbeitet derzeit ein Gesetz aus, das eine solche Auszahlung möglich macht.

500 Franken pro Person

Zwar rechnet die Stadt ausgerechnet jetzt erstmals seit Jahren mit einem Minus für die laufende Rechnung 2025. In der Vergangenheit aber nahm sie Jahr für Jahr deutlich mehr ein als budgetiert. Und viel mehr, als sie benötigte, um ihre demokratisch beschlossenen Aufgaben zu erfüllen. Mal blieben 60 Millionen übrig (2024), mal 50 Millionen (2023).

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«Von solchen Überschüssen sollen alle etwas haben», sagt Gaétan Surber, Mitglied des Grossen Stadtrats, von dem der Vorstoss in Schaffhausen stammt. Wenn man den Überschuss von 2024 als Beispiel nimmt, gingen davon in Zukunft rund 500 Franken an jeden Schaffhauser und jede Schaffhauserin, schätzt das Mitglied der Jungen Grünen. «Das Gute ist: Alle können das Geld einsetzen, wofür sie wollen – oder wofür sie es am nötigsten brauchen

17 von 26 Kantonen mit Überschuss

Was tun, wenn die Staatskasse überquillt? Diese Frage stellt man sich nicht nur in der Stadt Schaffhausen. Während beim Bund überall vom Sparen die Rede ist, schwimmen manche Städte und Kantone geradezu in Geld. Sie nehmen jedes Jahr deutlich mehr ein als veranschlagt.

Der Kanton Zürich etwa hat für 2024 mit einem Loch von 319 Millionen Franken gerechnet, herausgekommen ist ein Plus von 150 Millionen Franken. In Luzern waren es plus 293 statt minus 29 Millionen, in Baselland plus 157 statt minus 60 Millionen. In 17 von 26 Kantonen resultierte am Schluss ein unerwarteter Überschuss. Überall haben Private und Unternehmen also eigentlich zu viel Steuern gezahlt.

Trotzdem senken die meisten Kantone und Städte die Steuern nicht. Erstens haben das manche bereits mehrfach getan. Zweitens kann sich die Situation wieder ändern (wonach es mancherorts tatsächlich aussieht). Drittens profitieren von Steuersenkungen in erster Linie diejenigen, denen es ohnehin schon sehr gut geht – und deren Anteil am Kuchen Jahr für Jahr grösser wird.

Basel-Stadt mit anderem Weg

«Zu viel Geld in den Kassen des Staates ist jedoch nicht gut», sagt Christian C. Moesch, FDP-Grossrat von Basel-Stadt. «Es führt dazu, dass Geschenke an bestimmte Gruppen verteilt werden und der Staat immer neue Aufgaben übernimmt.» Auf seine Initiative hin plant auch der Stadtkanton, künftig Überschüsse der Bevölkerung zurückzugeben. Aber auf eine andere Weise als die Stadt Schaffhausen.

Was nach Rechnungsabschluss übrig bleibt – und nicht benötigt wird, um Schulden zu tilgen –, sollen die Baslerinnen und Basler via Steuerrechnung zurückerhalten. In Form einer prozentualen Gutschrift. Anders als in Schaffhausen bekommen also nicht alle denselben Betrag, sondern er hängt von den Steuern ab. Wer wenig gezahlt hat, bekommt auch wenig zurück.

Falsche Anreize oder faire Lösung?

Für Lukas Rühli von der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse ist der basel-städtische Weg der richtige. Er empfiehlt ihn allen Kantonen und Städten in einer vergleichbaren Situation. «Was hingegen Schaffhausen vorhat, ist eine willkürliche Umverteilung.» Es sei nicht falsch, mit Steuergeldern zum Beispiel Eltern oder Senioren zu unterstützen. Aber das müsse demokratisch ausgehandelt sein. Zudem setze es punkto Budgetierung falsche Anreize, wenn unbudgetierte Überschüsse als Kopfpauschale an die Bevölkerung verteilt würden. «In einem öffentlichen Haushalt muss eine Punktlandung das Ziel sein.»

Einen anderen Blick hat Aline Masé von Caritas Schweiz. Überschüsse gleichmässig und an alle zu verteilen, findet sie «eine spannende Idee». Im Gegensatz zu vergünstigten ÖV-Abos oder Gratiseintritten für die Badi hätten wirklich alle etwas davon. «Auch die alleinstehende ältere Frau, die kaum mehr rausgeht.» Durch die Auszahlung per Check entstehe zudem keine Holschuld, niemand müsse etwas beantragen. «Und 500 Franken bar auf dem Tisch entlasten auch eine Mittelstandsfamilie – von einer prozentualen Steuergutschrift fällt für sie hingegen kaum etwas ab.»

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