Darum gehts
- Prostitution in der Schweiz: Viel Ausbeutungs- und Gewaltpotenzial
- Die Mitte-Frauen fordern verstärkte Ausstiegshilfe für Sexarbeitende in den Kantonen
- 350'000 Männer besuchen jährlich mindestens einmal eine Prostituierte in der Schweiz
Prostitution in der Schweiz ist ein Milliardenbusiness. Es zieht Zehntausende von Sexarbeitenden an. Vor allem aus dem Ausland. Schätzungsweise 350’000 Freier aus dem Inland gehen mindestens einmal pro Jahr zu einer von ihnen. Doch ist Prostitution auch eine grosse Dunkelzone. Studien zeigen: Sexarbeitende sind oft Gewalt, Menschenhandel und Armut ausgesetzt. Wollen sie aus dem Gewerbe heraus, schaffen sie es meist nicht alleine. Doch gibt es nur wenige, kleine NGOs, die ganze Ausstiegsprogramme anbieten. Nun kommt Druck aus der Politik, um das zu ändern.
Bereits im Mai kündigte die Frauensektion der Mitte-Partei an, dass sie auf eine Volksinitiative für ein nationales Prostitutionsgesetz hinarbeitet. Blick-Recherchen zeigen: Jetzt nimmt sie Ausstiegshilfen für Sexarbeitende in den Fokus. Und arbeitet auf Hochtouren an einer koordinierten Aktion von Vorstössen in den Kantonen. Diese sollen Massnahmen zur Ausstiegshilfe ausarbeiten, Daten zur Anzahl der Ausstiegswilligen erheben, und vor allem: bestehende NGO-Programme dauerhaft unterstützen. Die ersten Vorstösse wollen die Initianten ab Winter in den Parlamenten Zürichs und St. Gallens einreichen. Solothurn, Aargau und Zug sollen dereinst folgen – so der Plan.
Christina Bachmann-Roth, Präsidentin der Mitte-Frauen, sagt: «Wir wollen eine Korrektur hinbekommen.» Sie findet, Prostitution sei in der Schweiz zu wenig reguliert. Ausbeutungs- und Gewaltpotenzial seien gross. Wolle eine Frau aussteigen, sei das schwierig. «Für sie wollen wir uns einsetzen.»
Wenige Kantone unterstützen Ausstieg
Bereits 2022 forderte eine Motion vom Bund, schweizweit Ausstiegsangebote zu schaffen. Der Nationalrat war dafür, der Ständerat knapp dagegen. In der Debatte signalisierten die Redner inklusive Bundesrat Beat Jans, dass sie das Anliegen unterstützen. Doch seien dafür die Kantone zuständig.
Diese tun kaum etwas. Eine Ausnahme ist der Kanton Bern. Er hat für deren Ausstiegsprogramm einen Leistungsvertrag mit der Heilsarmee-Beratungsstelle Rahab Bern abgeschlossen. In Basel-Stadt kommt ein ähnlicher Vorstoss nicht vom Fleck. Der Kanton Zürich verteilt an NGOs und einzelne Beratungsstellen insgesamt 200'000 Franken nach dem Giesskannenprinzip. Ein detailliertes Konzept oder ein Leistungsvertrag mit Rechten und Pflichten wie im Kanton Bern fehlen. Die Zürcher Mitte-Kantonsrätin Janine Vannaz will das im Rahmen der Mitte-Frauen-Offensive ändern. Sie arbeitet bereits an einem Postulat. «Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um aktiv zu werden», sagt sie. Die Nachfrage nach Ausstiegshilfen steige.
NGO muss Frauen abweisen
Das bestätigt die NGO Heartwings, die ein solches Programm in der Stadt Zürich betreibt. Vielen müsse man deshalb absagen, heisst es. Die Ressourcen fehlten. Und die 40'000 bis 50'000 Franken, die der Kanton bis jetzt zweimal ausschüttete, reichten nicht weit. Allein die Begleitung einer einzigen Sexarbeitenden kostet Heartwings 65’000 Franken pro Jahr. Acht Prostituierte sind bei ihr im Programm. Die Kosten stemmt die NGO dank Spendengeldern.
Anders als die Mitte-Frauen plädiert Procore, der Dachverband der Beratungsstellen für Sexarbeitende, gegen ein nationales Prostitutionsgesetz. Doch: Er begrüsst die Angebote für eine «berufliche Neuorientierung», wie die Sprecherin Livia Lehmann schreibt. Unter der Bedingung: Die Angebote müssen sich auf die Expertise von professionellen Beratungsstellen stützen, an die individuellen Bedürfnisse der Sexarbeitenden angepasst sein und auf freiwilliger Basis genutzt werden. Und um die Ausstiegswilligen langfristig begleiten zu können, brauche es ausreichende finanzielle Mittel.