Rund jedes dritte neu zugelassene Auto im aktuellen Jahr läuft elektrisch. Für die Verkehrswende in der Schweiz eigentlich eine erfreuliche Nachricht. Auf der anderen Seite leeren sich die Töpfe des Strassenfonds. Verkehrsminister Albert Rösti (58, SVP) plant deshalb eine zusätzliche Steuer für E-Fahrzeuge.
Die Reserven des Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds (NAF) könnten bis 2028 drastisch zusammenschrumpfen. Einer der Gründe sei der steigende Elektroverkehr – dieser zahlt keine Abgaben auf Benzin und Diesel. Deshalb ist Rösti überzeugt, dass «die E-Auto-Steuer für eine faire Besteuerung – unabhängig vom Antrieb – sorgt».
Aus dem grossen Strassentopf wird der Betrieb, Unterhalt und Ausbau der Nationalstrassen finanziert. Bei der Finanzierung der Strassen gilt grundsätzlich das Nutzerprinzip: Wer die Infrastruktur nutzt, soll sie auch mitfinanzieren.
Das sind die beiden Ansätze
Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) hat unter dem SVP-Bundesrat zwei Varianten ausgearbeitet. Es geht dabei um eine Abgabe auf die Fahrkilometer von Elektrofahrzeugen oder eine Steuer auf den Ladestrom. Eingeführt wird die Neuerung erst ab 2030.
Die Variante «Fahrleistung» sieht eine Abgabe auf Grundlage der in der Schweiz gefahrenen Kilometer vor. Hierbei wäre der Tarif pro Kilometer abhängig von der Fahrzeugart und dem Gewicht. Durchschnittlich geht der Bund von 5,4 Rappen pro Kilometer aus.
Bei der Variante «Ladestrom» würde die Menge an Strom besteuert, der durch die Ladesäule geht – sowohl bei öffentlichen als auch bei privaten Ladestationen. Der Tarif bei diesem Ansatz beträgt 22,8 Rp./kWh.
GLP wehrt sich, «beim Verkehr den Rückwärtsgang einzulegen»
Die Reaktionen von Seiten Touring Club Schweiz (TCS) und des Verkehrsclubs Schweiz fallen grundsätzlich positiv aus. Alle Verkehrsteilnehmer müssen ihren gerechten Beitrag zur Finanzierung der Strasseninfrastruktur leisten, schreibt der TCS in einer Medienmitteilung. Der Verkehrsclub Schweiz schreibt zusätzlich, dass die Abgabe schrittweise eingeführt werden sollte, um «Klimaziele und Zukunftsfähigkeit unseres Verkehrssystems» nicht zu gefährden.
Die GLP äussert sich in einer Medienmitteilung klar gegen den Ladestromzuschlag und «wehrt sich vehement dagegen, beim Autoverkehr den Rückwärtsgang einzulegen.» Die Schweiz verpasse die CO2-Klimaziele derzeit deutlich. Der Bundesrat würde mit der E-Steuer den Verkauf von Elektroautos erschweren.
So sieht das auch die Vereinigung offizieller Automobil-Importeure auto-schweiz. In einer Reaktion auf die Medienkonferenz vermelden sie: «Die heute vorgelegten Varianten zur Besteuerung von Elektrofahrzeugen verteuern die Automobilität weiter und bremsen die Elektromobilität aus.» Es sei kontraproduktiv, das Haltende eine neue Abgabe analog zur Mineralölsteuer leisten sollen – besonders angesichts des stagnierenden Absatzes an Elektrofahrzeugen.
Was bedeutet die Steuer für die Verkehrswende?
Entscheidend ist, wie tief künftig für Elektromobilität ins Portemonnaie gegriffen werden muss. Da die Abgaben von Rösti auf gleichwertiger Höhe wie die Mineralölsteuer angesetzt werden, sind E-Autos und Benziner dann steuerlich gleichgestellt. Zum Vergleich: Aktuell bezahlen Autofahrer mit Verbrennungsmotor rund 80 Rappen Steuern pro Liter Treibstoff.
Laut Rösti selbst entsteht durch die Besteuerung ein gewisser «Zielkonflikt». Denn mit der Vorlage geht ein weiterer Anreiz zur Elektromobilität verloren. Mit ein Grund, weshalb für die Einführung bis 2030 gewartet werde, so Rösti an der Medienkonferenz. «Danach muss man prüfen, ob es noch eine Förderung braucht.» Diese würde dann aber eher über das CO2-Gesetz laufen.
Für diese Steuer auf E-Autos ist eine Anpassung der Bundesverfassung notwendig. Deshalb wird das Volk das letzte Wort zu Röstis Vorschlägen haben. Welche Vorlage genau vors Volk kommen wird, entscheidet sich in den kommenden Monaten. Die Vernehmlassung geht bis zum 9. Januar.
Rösti sieht zwei Steuervarianten für E-Autos
Verkehrsminister Albert Rösti (58, SVP) will eine Besteuerung von E-Autos. Dafür kann er sich zwei Varianten vorstellen:
- Variante «Fahrleistung»: Hier bemisst sich die Abgabe nach der Anzahl im Zollgebiet der Schweiz gefahrenen Kilometer und dem Gesamtgewicht des Fahrzeugs.
Variante «Ladestrom»: Bei dieser Variante richtet sich die Steuer nach dem Strom (kWh), den ein Elektrofahrzeug beim Laden bezieht. Es kann sich hierbei um eine öffentliche oder private Ladestation handeln.
Diese beiden Ansätze schickt Rösti in die Vernehmlassung. Da dieser Ersatz für die Mineralölbesteuerung eine Anpassung der Bundesverfassung braucht, wird in letzter Instanz das Volk entscheiden. Welcher Ansatz sich im Parlament durchsetzt, wird sich erst zeigen.
Das sind die ersten Reaktionen
Nach der Medienkonferenz von Bundesrat Albert Rösti lassen erste Reaktionen nicht lange auf sich warten.
Alle Verkehrsteilnehmer müssten ihren gerechten Beitrag zur Finanzierung der Strasseninfrastruktur leisten, schreibt der Touring Club Schweiz (TCS) in einer Medienmitteilung. Die neue Steuer dürfe beim Bund aber nicht zu Mehreinnahmen führen. Es soll nur das kompensiert werden, was bei der Mineralölsteuer wegfällt. Ausserdem dürfe die Verbreitung von E-Autos dadurch nicht gebremst werden. Weiter dürfe es nicht möglich werden, bei der «Variante Fahrleistung» Autofahrer permanent zu lokalisieren.
Auch der Verkehrsclub Schweiz findet, dass die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur verursachergerecht erfolgen muss, wie es in einer Medienmitteilung heisst. Die Abgabe sollte aber schrittweise und nicht überstürzt eingeführt werden, um die «Klimaziele und Zukunftsfähigkeit unseres Verkehrssystems» nicht zu gefährden.
«Wir sollen alle gleich zur Strassenfinanzierung beitragen»
Die letzte Frage betrifft die Volksabstimmung. Es geht um die Argumente, mit welchen Rösti das Stimmvolk überzeugen wolle.
Die Stärke der Vorlage sei, dass es eigentlich keine Steuererhöhung sei. «Wir sollen mit Blick in die Zukunft alle gleich zur Strassenfinanzierung beitragen.»
Mit diesen Worten wird die Medienkonferenz geschlossen
Was passiert mit den Geodaten?
Bei der Variante mit der Kilometerabgabe muss man die Kilometeranzahl in der Schweiz nachweisen. Eine kritische Frage eines Journalisten richtet sich an die Geodaten, die eventuell zum Bund abfliessen würden.
Der ASTRA-Direktor erklärt, dass eine Wahlfreiheit vorgesehen sei. Man könne via App als Selbstdeklaration die Kilometeranzahl melden. Falls man Daten fliessen lassen möchte, wäre das auch möglich. Entweder über ein externes Gerät oder direkt über die Daten des Fahrzeuges. «Zwar könnten Geodaten fliessen, aber wir brauchen diese nicht. Wir brauchen nur die Daten, wieviel gefahren wurde und nicht wo gefahren wurde», so Röthlisberger.
30-40 zusätzliche Stellen beim Bund
Eine weitere Journalistenfrage dreht sich um die beiden Varianten. Wären diese Lösungen administrativ nicht viel zu aufwendig? Besonders, da das Parlament doch eigentlich Bürokratie abbauen will.
«Einen gewissen Aufwand wird es geben», so Röthlisberger. «Wir rechnen beim Bund mit 30-40 zusätzlichen Stellen.» Das entsprächen 5-8 Prozent Gesamtkosten in den ersten 10 Jahren nach der Einführung.
Steigt der Anteil an E-Autos wirklich so stark?
Nun geht es zu den Journalistenfragen. Ein Journalist merkt an, dass der Anteil an E-Autos geringfügiger steige als erwartet. Die sinkenden Einnahmen im Nationalstrassenfond seien doch vielmehr auf die steigenden Investitionen in den Strassenverkehr zurückzuführen.
Darauf führt Jürg Röthlisberger (61), Direktor des Bundesamts für Strassen (ASTRA), aus: «Wir planen in der langfristigen Planung nicht, mehr Geld auszugeben, sondern gleich viel.» Deswegen wolle das ASTRA auch das Einnahmeniveau in einem langjährigen Mittel sichern können.
«Wir sind in einem Zielkonflikt»
Albert Rösti spricht auch einen kritischen Punkt an: Im Rahmen der Verkehrsstrategie soll immer weniger CO2 ausgestossen werden. «Hier befinden wir uns in einem gewissen Zielkonflikt.»
Heute sei die fehlende Besteuerung von E-Fahrzeugen eine indirekte Förderung des Umstieges auf die Elektromobilität. «Deshalb soll dieser Zustand auch noch bis 2030 unverändert bleiben.» Danach müsse man prüfen, ob es noch eine Förderung braucht. «Diese würde dann aber eher über das CO2-Gesetz laufen», so Rösti.
Das sind die Zahlen
Eine geeignete Lösung zu finden sei sehr technische. «Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile», betont Rösti. Auch deshalb würde der Bundesrat zwei Vorschläge in die Vernehmlassung schicken. «Wir wollen schauen, welche Variante eine Mehrheit findet.»
Für Portemonnaie bedeuten die beiden Varianten konkret: Der Tarif für den Ansatz «Ladestrom» beträgt 22,8 Rp./kWh. Variante «Fahrleistung»: Hierbei wäre der Tarif pro Kilometer abhängig von der Fahrzeugart und dem Gewicht. Durchschnittlich geht der Bund von 5,4 Rappen pro Kilometer aus.
«Diese E-Auto-Steuer sorgt für eine faire Besteuerung»
Die Mineralölsteuer ist einer der wichtigsten Träger des Nationalstrassenfonds. Da die Beiträge durch diese Steuer rückläufig sind, stelle sich die Frage, wie man diese Kosten in Zukunft trage, so Rösti.
Das Loch im grossen Topf komme unter anderem von der zunehmenden Elektrifizierung des Verkehrs – ein Teil der Klimastrategie. Das Ungleichgewicht müsse dennoch ausgeglichen werden.
«Der Bundesrat ist überzeugt, diese E-Auto-Steuer sorgt für eine faire Besteuerung: Alle motorisierten Fahrzeuge – unabhängig mit welchem Antrieb – sollen fair und in gleichem Umfang ihrer Nutzung zur nachhaltigen Finanzierung der Infrastrukturen beitragen», so Rösti.