Kurz zusammengefasst
- Die Schweizer Armee will ihre Truppen mit neuer persönlicher Ausrüstung ausstatten
- Doch nun kommt es zu Verzögerungen, denn es fehlt das nötige Geld
- Für Militärkreise ist das nur die Spitze des Eisbergs
Erich Muff nimmt kein Blatt vor den Mund. «Wenn man kein Geld mehr hat, um alle Soldaten mit den gleichen Kampfstiefeln auszurüsten, herrscht Alarmstufe rot!», sagt der Präsident der Offiziersgesellschaft Panzer. Seit Herbst rüstet die Schweizer Armee ihre Truppen schrittweise mit dem sogenannten Modularen Bekleidungs- und Ausrüstungssystem (MBAS) aus.
Sprich: Für alle Soldaten gibt es neue Unterwäsche, Tarnanzüge, Regenschutz, Rucksäcke, Kopfbedeckungen bis hin zu Schutzwesten. Die bisherige persönliche Ausrüstung aus den 1990er-Jahren sei am Ende ihrer Nutzungsdauer angelangt. 348 Millionen Franken hatte das Parlament dafür mit der Armeebotschaft 2018 bewilligt.
Armee und Armasuisse räumen Verzögerungen ein
Nur: Bei der Einführung soll es zu erheblichen Verzögerungen kommen. «Einführungskurse seien ohne Begründung abgeblasen worden. In der Truppe rumort es», ist es auch SVP-Nationalrat David Zuberbühler (45) zu Ohren gekommen. Auf seine Anfrage hin verweist der Bundesrat auf die gestaffelte Einführung, deutet aber doch an, dass aufgrund der «angespannten» Finanzlage Beschaffung und Einführung überdenkt werden.
Die Armee und das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) räumen mögliche Verzögerungen auf Nachfrage ein. Es würden derzeit diverse Varianten erarbeitet, die auch der «angespannten Lage des Bundeshaushaltes Rechnung tragen». Komme hinzu, dass die Industrie aufgrund hoher Auslastung eine relativ lange Vorbereitungszeit brauche. Und: Weil der Bund nochmals über die Bücher geht, hätten die Bestellungen nicht gemäss ursprünglicher Planung platziert werden können. Daher sei mit Wartefristen zu rechnen.
Die Verzögerungen hätten finanzielle Gründe, weiss auch Dominik Knill (65). «Es fehlt an allen Ecken und Enden», kommentiert der Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft. In Militärkreisen heisst es, dass es Armasuisse unangenehm sei, offen zuzugeben, dass sich das Bundesamt nicht einmal mehr neue Kleider zeitgerecht leisten könne.
«Das zeigt den Zustand der Armee – es ist dramatisch»
Weil der Bund keine verbindliche Bestellung habe aufgeben können, müsse er sich nun in der Warteschlange hinten anstellen. «Wegen des Ukrainekriegs bestellt jetzt die ganze Welt. Es fehlt an Tarnstoff und Produktionskapazitäten», sagt Panzeroffizier Muff.
Hinzu komme, dass wegen der Nachfrage die Preise explodierten. Wer ein, zwei Jahre zuwarte, könne mit den gesprochenen Geldern dann nur noch deutlich weniger Material bestellen. Auch Armasuisse geht davon aus, dass es aufgrund der Verzögerungen zu «geringfügigen Preissteigerungen» kommen kann.
Militärkreise schlagen wegen knapper Gelder schon lange Alarm. «Natürlich kann man sagen, die Soldaten könnten die 30 Jahre alte Ausrüstung ruhig noch zwei, drei Jahre länger tragen», sagt Panzeroffizier Muff. «Aber es zeigt den Zustand der Armee: Es fehlt an allem. Jetzt hat man nicht einmal mehr Geld für Kleider. Es ist dramatisch!»
«Eine Ausbildung ist nicht mehr möglich!»
Und das sei nur die Spitze des Eisbergs. Die Artillerie sei schon lange am Ende, ein Ersatz aber lasse weiter auf sich warten. Auch die Leopard-Panzer hätten mit Ausfällen von rund der Hälfte zu kämpfen. WK-Verbände würden weiter auf die gegroundeten Schützenpanzer M113 warten. Gleichzeitig fehle es an Munition und Ersatzteilen, zeigt sich Offizier Muff höchst besorgt: «Eine Ausbildung ist nicht mehr möglich, wenn Material, Fahrzeuge und Munition fehlen.» Und mit jedem Jahr werde das Material älter und schadensanfälliger.
Seit Beginn des Ukrainekriegs ringt das Parlament um die Aufrüstung der Armee. Nun sollen Nägel mit Köpfen gemacht werden. Nach dem Ständerat stimmte am Donnerstag auch der Nationalrat dafür, den Zahlungsrahmen für die kommenden vier Jahre um vier Milliarden auf 29,8 Milliarden Franken zu erhöhen. Der Ball liegt nun wieder beim Ständerat. Für die Armee zeichnen sich mehr Mittel ab, kurzfristig aber bleiben die Probleme.
SVP-Sicherheitspolitiker Zuberbühler kündigt an, die Probleme rund um die Bekleidung und Ausrüstung nun in die zuständige Nationalratskommission einzubringen. Denn bisher seien die Antworten des Bundes unbefriedigend. «Da scheint mittlerweile einiges im Argen zu liegen.»