«Einwanderung in den Sozialstaat»
Hunderte EU-Bürger profitieren von AHV-Schlupfloch

Der Bundesrat räumt ein: Trotz fehlendem Rentenanspruch beziehen Hunderte ausländische Personen Ergänzungsleistungen in der Schweiz – und können so bleiben. SVP-Nationalrat Pascal Schmid fordert eine Schliessung dieses Schlupflochs.
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Hunderte ausländische Staatsangehörige beziehen in der Schweiz Ergänzungsleistungen ohne Rentenanspruch.
Foto: Marlon Trottmann

Darum gehts

  • Ein Schlupfloch erlaubt ausländischen Bürgern Ergänzungsleistungen zu beziehen, trotz fehlender Rente
  • SVP-Politiker fordert Schliessung des Gesetzes, da Hunderte das nutzen
  • 1420 Ausländer bezogen 2024 EL ohne Rente, 440 aus EU/EFTA-Staaten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Wenn Staatsangehörige aus EU- und EFTA-Ländern in der Schweiz Sozialhilfe beziehen, riskieren sie den Verlust ihrer Aufenthaltsbewilligung. So lautet eigentlich die Regel. Vielen ist jedoch nicht bekannt: Beziehen die ausländischen Bürger hierzulande Ergänzungsleistungen (EL) der IV oder AHV, dürfen sie bleiben.

Was gar noch unbekannter ist: Manche Einwanderer beziehen EL, obwohl sie gar kein Anrecht auf eine Rente hätten. Auf Vorpreschen von SVP-Asylchef Pascal Schmid (49, TG) musste der Bundesrat nun zugeben: Das Schlupfloch nutzen Hunderte! Handeln müssten dabei die Kantone.

Deutscher Staatsbürger ist kein Einzelfall

Wie das genau funktioniert, beschreiben die Zeitungen von CH Media am Fall eines Deutschen: Er lebte ursprünglich in Österreich, arbeitete dann aber als Grenzgänger ein Jahr lang in der Schweiz in Teilzeit. Später zog er in die Schweiz und arbeitete dort weitere sechs Monate, bevor er sich bei der IV anmeldete.

Nachdem der deutsche Staatsbürger finanziell in Schwierigkeiten geraten war, erhielt er mehrere Monate Sozialhilfe, bevor er schliesslich Ergänzungsleistungen zur IV bezog. Der Mann leidet seit seiner Kindheit an einer Persönlichkeitsstörung und wird als nicht arbeitsfähig eingestuft. Eine IV-Rente steht ihm jedoch nicht zu, da er bereits mit einem gesundheitlichen Schaden in die Schweiz eingereist war.

Grund für Schlupfloch ist unklar

Warum dies möglich ist, bleibt unklar. Gegenüber CH Media verweist das Bundesamt für Sozialversicherungen lediglich auf die Wegleitung zu den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen. Offenbar wurde der Anspruch mit der zehnten AHV-/IV-Revision am 1. Januar 1997 eingeführt, also vor Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens mit der EU. Damals wurde eine Mindestbeitragszeit von einem Jahr für AHV- und IV-Leistungen eingeführt, die später auf drei Jahre erhöht wurde.

Der Bundesrat betonte in der Botschaft zur Revision, dass Ausländer Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben könnten, wenn sie AHV- oder IV-Renten beziehen. Ob dies auch für Personen ohne Erfüllung der Mindestbeitragszeit gelten sollte, wurde nicht explizit erwähnt.

Das überrascht auch gestandene Parlamentarier. «Dass jemand ohne AHV- oder IV-Rente zu Ergänzungsleistungen kommen kann, war mir zuvor nicht bewusst, wie wohl kaum jemandem», sagte Nationalrat Pascal Schmid Anfang Dezember zu CH Media. Er forderte dabei auch gleich, die Gesetzeslücke zu schliessen. Denn besonders die neuen EU-Verträge und die Übernahme der sogenannten Unionsbürger-Richtlinie könnten laut dem SVP-Asylchef die «Einwanderung in den Sozialstaat massiv verstärken».

Bundesrat sieht sich nicht zuständig

In der Wintersession richtete sich Schmid daher an den Bundesrat, um das aktuelle Ausmass der Regelung zu erörtern. Gemäss der Landesregierung bezogen Ende letzten Jahres 1420 ausländische Staatsangehörige Ergänzungsleistungen von insgesamt 43 Millionen Franken, ohne dass sie Anspruch auf die IV- oder AHV-Grundrente hätten. Davon seien 440 Personen aus EU- oder Efta-Staaten. «Alle diese Personen leben in der Schweiz, da die Ergänzungsleistungen nicht exportiert werden können», so der Bundesrat.

Selbst handeln will die Landesregierung aber nicht: Die Überprüfung dieser EL-Auszahlungen sei Aufgabe der kantonalen Migrationsbehörden und geschehe mit einer Einzelfallprüfung.

Zum Vergleich: Im Dezember 2024 bezogen nur 800 Schweizerinnen und Schweizer solche Ergänzungsleistungen ohne Grundrente. Somit würden fast zwei Drittel der Fälle ausländische Staatsangehörige betreffen, merkt Pascal Schmid gegenüber CH Media an. «Von diesen Personen müssten praktisch alle die Schweiz verlassen, wenn sie statt rentenloser Ergänzungsleistungen Sozialhilfe beziehen würden.»

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