«Bilateraler Weg ist die bevorzugte Lösung»
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Cassis über das EU-Paket:«Bilateraler Weg ist die bevorzugte Lösung»

Die wichtigsten Fragen und Antworten
Warum heisst der EU-Deal jetzt anders?

Nach jahrelangen Verhandlungen hat der Bundesrat das Abkommen mit der EU veröffentlicht. Das sind die wichtigsten Punkte.
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Alt Bundespräsidentin Viola Amherd beschloss im Dezember 2024 mit Ursula von der Leyen die Verhandlungen zum EU-Deal.
Foto: ALESSANDRO DELLA VALLE

Darum gehts

  • Der Bundesrat zieht eine positive Bilanz des EU-Deals, will aber Anpassungen vornehmen
  • Der neuer Name «Bilaterale III» soll den Vertrag beim Volk durchbringen
  • Ab 2030 zahlt die Schweiz jährlich 350 Millionen Franken für EU-Entwicklungsprojekte
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Die Schlacht um den EU-Deal geht weiter. Der Bundesrat um Aussenminister Ignazio Cassis (64) hat die Parteien, Verbände und Privatpersonen im Rahmen der Vernehmlassung um ihre Meinung zum EU-Deal gebeten. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum heisst das Paket jetzt «Bilaterale III»?

Lange Zeit wollte insbesondere die Europäische Union nicht, dass die Schweiz von den «Bilateralen» sprach. Doch an der Medienkonferenz nannte Cassis das Paket explizit so. In der Vernehmlassung sei dies von einzelnen Parteien gewünscht worden, und viele Teilnehmer hätten diesen Begriff benutzt. Es bestünden zudem viele Ähnlichkeiten zu den Bilateralen I und II.

Wichtig dürfte gerade für die Befürworter aber auch sein: Der Begriff ist in der Schweiz tendenziell positiv besetzt. Die Umbenennung könnte daher helfen, den Vertrag beim Volk durchzubringen.

Was ändert sich mit dem heutigen Bundesratsentscheid?

Nicht viel. Nun zieht er eine erste, positive Bilanz. Eine Mehrheit befürworte den Deal. Dennoch will er Anpassungen machen. Das sind die fünf wichtigsten Punkte:

  • Beim Lohnschutz gibt es Krach. Die Gewerkschaften und Arbeitgeber hatten 13 Massnahmen vereinbart, um den Lohnschutz zu stärken. Der Bundesrat hatte noch eine 14. Massnahme hinzugefügt, um den Gewerkschaften entgegenzukommen. Doch in der Vernehmlassung fiel dieser Punkt durch, der Bundesrat will ihn aber trotzdem drin haben. Nun soll Wirtschaftsminister Guy Parmelin weitere Gespräche führen, um einen Kompromiss zu finden.
  • Bei der Schutzklausel, mit der die Schweiz die Zuwanderung vorübergehend einschränken kann, sollen die Kantone stärker einbezogen werden. Denn die Schutzmassnahmen können regional unterschiedlich sein.
  • Unis und Fachhochschulen bekommen mehr Geld. Sie müssen mit dem Abkommen die Studiengebühren für Ausländer mit dem EU-Deal senken. Dafür werden sie vom Bund entschädigt.
  • Beim Stromabkommen gab es grosse Kritik von der Branche. Der Bundesrat will deshalb hier noch einmal über die Bücher und Regulierungen – «wo sinnvoll» – abbauen. Die Minimalvergütung für Solaranlagen entfällt. Für kleinere Solaranlagen, die nach 2026 und vor dem Inkrafttreten des Stromabkommens in Betrieb genommen werden, gibt es eine Übergangsfrist von drei Jahren.
  • Der Bundesrat stellt mehrere Kritikpunkte am Deal klar: Das Schächtverbot bleibt, und wer an Festen oder Märkten Kuchen verkauft, hat keine strengen EU-Kontrollen zu befürchten.

Dazu soll das Parlament bei der dynamischen Rechtsübernahme besser einbezogen und soll mehr Transparenz geschaffen werden. Bei der Überwachung von Subventionen soll es einfachere Verfahren geben, und gewisse Richtlinien werden zur Verordnung oder zum Gesetz hochgestuft. Beim Schweizer Beitrag an die EU will man auf mehr «Swissness» achten und Schweizer Akteure fördern.

Cassis äussert sich zum Lohnschutz
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EU-Vertragspaket:Cassis äussert sich zum Lohnschutz

Wie sieht der EU-Deal aus?

Der Deal ist über 1000 Seiten lang und regelt zahlreiche Bereiche. Die zentralen Punkte:

  • Der Deal sieht neue Spielregeln vor: Bei der Personenfreizügigkeit, beim Land- und Luftverkehr, bei der Landwirtschaft, der gegenseitigen Anerkennung von Produktrichtlinien, beim Strom und bei der Lebensmittelsicherheit gilt neu eine «dynamische Rechtsübernahme». Die Schweiz übernimmt grundsätzlich EU-Recht, kann dies aber über das Volk oder das Parlament ablehnen – dann drohen allerdings Strafen.
  • EU-Bürger dürfen in die Schweiz ziehen und hier arbeiten. Es gibt aber nur eine Aufenthaltsgenehmigung, wenn die Person auch einen Job hat.
  • EU-Firmen dürfen künftig ihre Arbeiter in die Schweiz schicken, um dort Jobs zu erledigen, ebenso umgekehrt. Die Firmen müssen ihre Bürger voranmelden.
  • Die Schweiz bezahlt gerne und viele Subventionen. Die EU will unerwünschte Wettbewerbsverfälschungen verhindern. Grundsätzlich gilt ein Verbot – aber mit zahlreichen Ausnahmen.
  • Ausländische Bahnen wie Flixtrain dürfen auf Schweizer Schienen fahren.
  • Die Schweiz kann wieder bei EU-Programmen wie dem Studentenaustauschprogramm Erasmus mitmachen.
  • Neue Verträge gibt es beim Strom, bei der Gesundheitsprävention und der Lebensmittelsicherheit.

Was, wenn es Streit gibt?

Wenn es einen Streit gibt, entscheidet zuerst ein sogenannter gemischter Ausschuss mit Vertretern der Schweiz und der EU. Ist man sich dort nicht einig, gibt es ein Schiedsgericht. Dieses muss den EU-Gerichtshof beiziehen. Das Schiedsgericht fällt das Urteil und kann verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen verhängen. Willkürliche Strafen sind ausgeschlossen.

Was kostet der Deal?

Ab 2030 zahlt die Schweiz jährlich 350 Millionen Franken für Entwicklungsprojekte in EU-Ländern wie zum Beispiel Bulgarien, Estland oder Kroatien. Bis 2030 sind es 130 Millionen Franken pro Jahr. Dazu kommen jährliche Kosten für einzelne Abkommen, wie zum Beispiel Erasmus. Es dürfte sich insgesamt auf eine Milliarde Franken pro Jahr kumulieren. 

Was ändert sich in der Schweiz?

Auch im Schweizer Recht ändert sich einiges. Wichtigster Punkt: die Schutzklausel. Die Schweiz kann damit die Zuwanderung vorübergehend einschränken. Wenn die Nettozuwanderung, die Arbeitslosigkeit oder der Sozialhilfebezug gewisse Schwellenwerte überschreiten, kann der Bundesrat die Auslösung der Schutzklausel prüfen. Danach kann er Schutzmassnahmen wie beispielsweise Höchstzahlen bei der Zuwanderung erlassen. Missfällt das der EU, kann das Schiedsgericht Ausgleichsmassnahmen ergreifen.

Um die Schweizer Löhne zu sichern, gibt es ein dreistufiges Konzept. Es gelte das Prinzip «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort».

Für das Stromabkommen muss der Strommarkt liberalisiert werden. Wer will, kann seinen Anbieter frei wählen oder aber in der Grundversorgung bleiben.

Wer entscheidet am Schluss?

Wahrscheinlich das Volk. Denn die SVP dürfte die nötigen 50’000 Unterschriften locker sammeln.

Dieser Artikel wurde am 19. Juni 2025 erstmals publiziert und nun umfassend aktualisiert.

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