So funktioniert der Gurt-Stecker
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Sie sind nicht verboten:So funktioniert der Gurt-Stecker

Das sind ihre Tricks
Polizisten packen über «notorische Gurten-Sünder» aus

Die allermeisten schnallen sich an – doch eine kleine, hartnäckige Minderheit pfeift aufs Gesetz. Mit Ausreden und Tricks versucht sie, sich der Gurtpflicht zu entziehen. Wie reagieren die Behörden?
Publiziert: 00:26 Uhr
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Die grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer fährt mit Gurt – doch eine kleine Gruppe verweigert konsequent das Anschnallen.
Foto: zVg/Screenshot

Darum gehts

  • Sicherheitsgurte retten Leben, aber einige umgehen die Anschnallpflicht konsequent
  • Gurt-Stecker täuschen angelegte Gurte vor und unterdrücken den Alarmton
  • Über 90 % der Vordersitzpassagiere und 85 % der Rücksitzpassagiere schnallen sich an
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Der Sicherheitsgurt rettet Leben – das wissen die meisten Schweizerinnen und Schweizer. Weit über 90 Prozent der Fahrerinnen und Beifahrer schnallen sich an, auf den Rücksitzen sind es immerhin 85 Prozent. Das zeigen Zahlen der Beratungsstelle für Unfallverhütung. «Vorn vorbildlich, hinten mit Luft nach oben», urteilt das Bundesamt für Strassen.

Doch die Anschnallquoten stagnieren auf hohem Niveau. Denn es gibt sie: die Unbelehrbaren. Sie pfeifen auf Gurt und Gesetz! Sie greifen zu Tricks, um sich der Angurtpflicht zu entziehen – und das Piepsen zu unterdrücken, das in jedem modernen Auto ertönt, wenn der Gurt nicht angelegt ist.

«Leuchtet uns auch nicht ein»

Immer wieder stossen Polizeikorps auf solche Tricks. Man bewerte die Disziplin beim Angurten zwar grundsätzlich als gut, sagt etwa Bernhard Graser, Sprecher der Kantonspolizei Aargau. «Allerdings gibt es nach wie vor jene, die aus Bequemlichkeit, Nachlässigkeit oder aus hartnäckiger Ablehnung die Gurten nicht tragen.» 

Einer ihrer Tricks: Man beobachte hin und wieder, «dass notorische Gurtensünder den Gurt ins Schloss stecken, um sich danach auf den leeren Gurt zu setzen», berichtet Graser. «Was diese fragwürdige Praxis bringen soll, leuchtet uns meist auch nicht ein.»

Ein weiterer Trick ist der sogenannte Gurt-Stecker – auch «Anti-Gurt-Warner» genannt. Er sieht aus wie die silbrige Zunge eines echten Gurts, kommt aber ohne Riemen daher. Erhältlich ist er für ein paar Franken. Ins Gurtschloss gesteckt, täuscht er dem Auto einen angelegten Gurt vor – und der Alarmton bleibt stumm. Die meisten Fahrzeuge nutzen Sensoren mit Gewichtserkennung.

Verboten sind die Stecker nicht

Blick sprach mit einem Handwerker aus dem Kanton Solothurn, der einen Gurt-Stecker nutzt. «Auf kurzen Strecken muss ich oft ein- und aussteigen», sagt er. «Da ist es mit dem Clip einfach weniger mühsam, vor allem, wenn ich meine dicken Arbeitshosen trage.» 

Warum werden die Clips überhaupt verkauft? Verboten sind sie nicht – denn offiziell dienen sie einem anderen Zweck. Onlinehändler weisen darauf hin, dass die Stecker nicht für Personen gedacht seien. Sondern dafür, «um den Signalton zu unterdrücken, wenn dieser durch Gegenstände auf dem Beifahrer- oder Rücksitz ausgelöst wird», heisst es etwa beim Baumarkt Obi.

Nur ist auch das alles andere als ratsam. Lose Gegenstände auf dem Sitz können bei einem Crash zu gefährlichen Geschossen werden.

Die beliebten Ausreden

Sie sind selten – aber doch da: Im Aargau oder in Zürich beispielsweise stösst die Kantonspolizei gelegentlich auf Gurt-Stecker, wie es gegenüber Blick heisst.

Grundsätzliche Bedenken kommen aus Schaffhausen: Bei der dortigen Polizei sind Gurt-Stecker derzeit zwar kein Thema. Doch auch wenn solche Vorrichtungen nicht ausdrücklich verboten sind, widersprechen sie laut Sprecher Patrick Caprez «dem Grundgedanken der Verkehrssicherheit und umgehen bewusst ein wesentliches Sicherheitssystem». 

Die Schaffhauser Polizei führt regelmässig Gurten-Kontrollaktionen durch. Dabei bekommt sie immer wieder dieselben Ausreden zu hören: «Keine Zeit und keine Lust», «einfach vergessen» oder «ich dachte, ich muss keinen Sicherheitsgurt tragen, wenn ich hinten sitze».

Nicht immer ist es nur Bequemlichkeit oder Leichtsinn: Manche schnallen sich aus Prinzip nicht an – weil sie sich den Gurt vom Staat nichts vorschreiben lassen wollen.

Als die Schweiz über die Gurtpflicht stritt

Die Angurtpflicht wurde 1980 mit 51,6 Prozent Jastimmen knapp angenommen. Die Abstimmung legte einen Röstigraben offen: Während die Deutschschweizer Kantone der Vorlage zustimmten, lehnten sämtliche Westschweizer Kantone sowie das Tessin sie deutlich ab. Die Angurtpflicht galt vorerst nur für die Vordersitze. In den hinteren Reihen besteht das Obligatorium erst seit 1994.

Bereits in den 1970er-Jahren hatte der Bundesrat im Alleingang versucht, das Tragen von Sicherheitsgurten zur Pflicht zu machen. Doch ein Walliser wehrte sich dagegen – und zog bis vor Bundesgericht. Dieses hob den Entscheid wieder auf.

Die Angurtpflicht wurde 1980 mit 51,6 Prozent Jastimmen knapp angenommen. Die Abstimmung legte einen Röstigraben offen: Während die Deutschschweizer Kantone der Vorlage zustimmten, lehnten sämtliche Westschweizer Kantone sowie das Tessin sie deutlich ab. Die Angurtpflicht galt vorerst nur für die Vordersitze. In den hinteren Reihen besteht das Obligatorium erst seit 1994.

Bereits in den 1970er-Jahren hatte der Bundesrat im Alleingang versucht, das Tragen von Sicherheitsgurten zur Pflicht zu machen. Doch ein Walliser wehrte sich dagegen – und zog bis vor Bundesgericht. Dieses hob den Entscheid wieder auf.

Für einige ist die Gurtentragpflicht ein Eingriff in ihre persönliche Freiheit. Noch vor einem halben Jahrhundert sei die Regelung grundsätzlich «sehr negativ» gesehen worden, sagte der Hamburger Sozialpsychologe Hans-Peter Erb zu «Business Insider». «Das Auto war damals ein Freiheitssymbol, das vorher lange unerreichbar war. Und dann wird diese Freiheit plötzlich eingeschränkt.» In der Schweiz war der Widerstand besonders gross: 1980 nahm das Stimmvolk die obligatorische Gurtentragpflicht für Vordersitze nur knapp an.

Versicherung kann Leistungen kürzen

Nicht angeschnallt zu sein, kann tödlich enden – denn bei einem Unfall wirken enorme Kräfte. Der Gurt schützt vor schweren Folgen. Wer darauf verzichtet, begeht eine Ordnungswidrigkeit und zahlt 60 Franken Busse. Kommt es zum Crash, kann die Versicherung zudem Leistungen kürzen.

Die Behörden geben nicht auf. Das zuständige Bundesamt betont: Auf den Autobahn-Anzeigen soll weiterhin regelmässig der Hinweis «Bitte anschnallen» prangen, um die letzten Gurtmuffel zur Vernunft zu bringen.

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