Darum gehts
- Schweiz lehnte Autobahnausbau ab. Nationalstrassen bleiben überlastet, Staustunden nehmen zu
- Elektronische Tafeln reduzieren Geschwindigkeit zur Stauverminderung bei hohem Verkehrsaufkommen
- Bund plant Ausbau auf 2200 Richtungskilometern, fast die Hälfte des Nationalstrassennetzes
Die Autobahnen sind überlastet, die Staustunden nehmen weiter zu. Seit 2019 hat sich deren Zahl fast verdoppelt. Im vergangenen Jahr stand der Verkehr rund 55’500 Stunden still. Ein neuer Rekord!
Mit Abstand die grösste Ursache für Stau ist Verkehrsüberlastung. Hier will der Bund gegensteuern, mit einer umstrittenen Massnahme: Tempodrosselung. Auf den überlasteten Strecken wird zu Stosszeiten Tempo 80 verordnet. Möglich machen dies elektronische Tempoanzeigen über den Fahrbahnen.
Grosse Tempo-80-Offensive
Jetzt hat die Verwaltung gar die grosse Tempo-80-Offensive im Köcher: Heute gibt es auf 1015 Richtungskilometern elektronische Tafeln, die zu Stosszeiten auf Tempo 80 reduzieren. 1015 Richtungskilometer: Das sind rund 500 Kilometer Autobahn, in beide Richtungen gerechnet.
Diese Zahl soll verdoppelt werden: «In den kommenden Jahren ist ein Ausbau auf 2200 Richtungskilometer vorgesehen», sagt ein Sprecher des Bundesamtes für Strassen zu Blick.
Das gesamte Nationalstrassennetz misst 2254,5 Kilometer – oder rund 4500 Richtungskilometer. Davon soll in Zukunft also rund die Hälfte mit den elektronischen Tafeln und zeitweise Tempo 80 bestückt sein. 2020 waren es erst 300 Richtungskilometer. Somit hat bereits in den letzten fünf Jahren eine Verdreifachung stattgefunden.
Immer mehr elektronische Tafeln
Warum diese Massnahme? Laut dem Bundesamt für Strassen erreicht eine Autobahn bei ungefähr 80 km/h die höchste Kapazität. Hier gleichen sich die Geschwindigkeiten der Autos an, es kommt zu weniger Spurwechsel- und Bremsmanövern, der Verkehrsfluss bleibt stabiler.
Seit rund 20 Jahren bringt der Bund elektronische Anzeigen über der Fahrbahn zum Einsatz. Sobald die Strasse wieder frei ist, wird das Limit automatisch angehoben.
Wenig Freude hat SVP-Nationalrat Rémy Wyssmann (58). Er spricht von einer «schleichenden Einführung von Tempo 80 entgegen dem Willen des Gesetzgebers». Ihn stört, «dass die Verwaltung quasi selbst entscheidet». Der Solothurner zweifelt an der Wirkung der Tempodrosselung. Seiner Meinung nach führt dies eher dazu, dass es bereits auf der Strecke vor dem tieferen Tempo zu stocken beginnt.
Weitere Massnahmen gegen Stau
Die Schweizer Autobahnen laufen am Limit. An einigen Stellen werden sie ausgebaut: So findet derzeit zwischen Luterbach SO und Härkingen SO der Sechs-Spur-Ausbau statt. Im letzten Jahr aber hat das Volk an der Urne einen weiteren Autobahnausbau abgelehnt. Das Bundesamt für Strassen setzt deshalb neben der Tempodrosselung zu Stosszeiten auf weitere Massnahmen: So wird beispielsweise an manchen Orten der Pannenstreifen als zusätzlicher Fahrstreifen freigegeben.
Vor Einfahrten auf die Autobahn regeln zudem teilweise spezielle Ampeln den Zufluss: Autos dürfen nur einzeln oder in kleinen Gruppen auf die Hauptspur fahren. So werden Staus durch ganze Fahrzeugkolonnen verhindert.
Ausserdem dürfen auf gewissen zweispurigen Strecken Lastwagen nicht überholen. Das verhindert riskante Manöver und hält den Verkehr gleichmässiger.