Darum gehts
- Bundesrat Beat Jans spricht über E-ID und Sicherheit der Frauen
- E-ID soll sicheres Bewegen im Internet ermöglichen und Identitätsmissbrauch verhindern
- Beat Jans will dem Bundesrat bald die Botschaft für die Revision des Opferhilfegesetzes vorlegen
Natürlich gibt es im Büro von Bundesrat Beat Jans (61) im Bundeshaus West Basler Läckerli. «Bitte bedienen Sie sich», fordert der gebürtige Basler seine Gäste auf. Dann erzählt der Justizminister von seiner älteren Tochter Zoe (19) die im Sommer von ihrem Auslandaufenthalt zurückgekommen ist. «Fantastisch, wie junge Menschen von dieser Möglichkeit profitieren können.» Auch die jüngere Tochter Mia (17) habe bald vor, ins Ausland zu gehen. «Die Jugend wird flügge, damit muss man sich abfinden.»
Herr Bundesrat, apropos Jugend: Haben Sie schon mal eine Rede mit KI verfasst?
Beat Jans: Nein. Mir ist wichtig, dass in meinen Reden meine Persönlichkeit zum Vorschein kommt. Das kann eine KI nicht liefern – zumindest bisher nicht (schmunzelt).
Dieser Artikel wurde erstmals in der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Wie digital sind Sie sonst unterwegs?
Die Finanzen mache ich tatsächlich fast nur noch übers Handy, Bargeld habe ich kaum mehr dabei.
Die Barzahlung verschwindet zunehmend, nun soll auch die Identifizierung digital werden. Verstehen Sie, dass Leute besorgt sind, dass sie künftig total überwacht werden?
Ja, ich verstehe die Leute. Das ist der Hauptgrund, warum ich mich für die Einführung des elektronischen Identitätsnachweises einsetze. Mit der E-ID können sie sich sicher im Internet bewegen. So sind sie auch besser vor Identitätsmissbrauch geschützt. Die nun vom Bund erarbeitete E-ID erlaubt auch keine Überwachung.
Sind ältere Menschen mit der E-ID nicht technisch überfordert?
Nein, im Gegenteil. Auch ältere Menschen oder Menschen mit Beeinträchtigungen sind froh, wenn sie beispielsweise ihre Bankgeschäfte von zu Hause aus erledigen können. Die E-ID lässt sich barrierefrei nutzen. Senioren- und Behindertenverbände unterstützen die Vorlage.
Aber vor Betrügern im Netz, dem Phishing, kann die E-ID niemanden schützen!
Mit der E-ID sind die Daten sehr gut geschützt. Bei jeder Verwendung können wir selber entscheiden, welche Daten wir preisgeben wollen. Verlangt eine Firma unnötig viele persönliche Daten der E-ID, kann ich das ablehnen und beim Bund melden. In der Folge warnt die dazugehörende App den Nutzer oder die Nutzerin. Dann kann jede Person entscheiden, ob sie diese Warnung beachten will oder nicht. Ich empfehle natürlich, darauf zu hören.
Wo – ausser im Internet – braucht man die E-ID im Alltag?
Eigentlich überall, wo man heute eine ID braucht. Ein gutes Beispiel: Ich möchte das Sparkonto meiner Tochter in ein Privatkonto umwandeln, weil sie jetzt 18 wird. Im Normalfall müssten wir beide persönlich bei der Bank erscheinen. Das ist aber nicht ganz einfach, weil ich in Bern bin und sie in Basel lebt. Mit der neuen E-ID liesse sich das einfach erledigen. Wichtig ist auch: Wir müssen künftig nur die Daten freigeben, die nötig sind. Beim Kauf von Zigaretten das Alter, beim Einchecken im Hotel Namen, Adresse und Geburtsdatum. Legen wir heute eine ID hin, zeigen wir alles, was darauf steht. Nicht nur das Nötige.
Trotzdem werden all diese Daten doch irgendwo gespeichert!
Eben nicht! Sie sind nur auf dem eigenen Handy gespeichert. Eine zentrale Speicherung der E-IDs beim Bund gibt es nicht, er hat auch keine Informationen über deren Nutzung. Das ist der beste Datenschutz, den wir heute geben können.
Sie betonen stets: «Die E-ID ist freiwillig.» Laut «NZZ am Sonntag» dürfen allerdings Private für Angebote einen Zwang einführen. Etwa reine Onlineshops. Warum haben Sie das verschwiegen?
Die E-ID ist freiwillig. Das Gesetz regelt klar, wann Behörden die E-ID verlangen können. Ein privater Onlineshop darf hingegen selber entscheiden, wie eine Person sich ausweisen soll. Das gehört zur Wirtschaftsfreiheit. Von einem Zwang zu sprechen, ist jedoch falsch. Sie haben ja immer die Freiheit, eine andere Anbieterin zu wählen.
In Deutschland wies die E-ID grosse Sicherheitsmängel auf, Patientendossiers wurden gehackt …
Unser System wird laufend von Hackern getestet. Darum sind heute auch viele ehemalige Gegner von der E-ID überzeugt. Es gibt aber nie hundertprozentige Sicherheit, das ist heute schon so. Was ich auch wichtig finde: Es ist eine staatliche Lösung, sprich sie ist demokratisch legitimiert. Das Parlament und die Bevölkerung können immer wieder nachbessern – oder gar das Projekt stoppen. Wenn wir diese Vorlage aber nicht durchbringen, besteht die Möglichkeit, dass E-IDs zum Geschäftsmodell von privaten Firmen werden. Das macht mir Sorgen.
Kann die E-ID Basis für weitere digitale Projekte wie das Patientendossier sein?
Ja. In der neuen App kann ich auch andere Ausweise speichern. Etwa meinen Fahrausweis. Das ist praktisch, wenn ich etwa ohne Portemonnaie Auto fahre. Mit dem elektronischen Führerausweis riskiere ich keine Busse mehr, weil ich meinen Führerausweis nicht dabeihabe.
Was die Schweiz zurzeit mehr bewegt als die E-ID, sind die Femizide. 23 Frauen und Mädchen sind dieses Jahr bereits von Männern getötet worden – ein trauriger Rekord. Da müssen Sie als Justizminister doch handeln!
Wir müssen auf Bundes- und Kantonsebene alles unternehmen, um die Opfer besser zu schützen. Ich will sehr bald dem Bundesrat die Botschaft für die Revision des Opferhilfegesetzes vorlegen. Die Stellungnahmen in der Vernehmlassung waren sehr positiv. Damit verpflichten wir die Kantone, rund um die Uhr eine professionelle Hilfe bereitzustellen und die Fälle zu dokumentieren. Das hilft Frauen, die gegen die Täter vorgehen wollen.
Nur acht Kantone haben ein Gesetz zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen, einige nicht ein einziges Frauenhaus. Verhindert der Kantönligeist ein Durchgreifen?
Der Föderalismus ist auch ein Ideenwettbewerb: Zürich und Baselland testen elektronische Fussfesseln, Waadt eröffnete eine Abteilung für Gewaltmedizin. Nun sind andere Kantone diesem Weg gefolgt. Ich bin überzeugt: Wenn es drauf ankommt, raufen sich die Kantone zusammen und finden Lösungen.
Nun will Ihre Partei, die SP, eine Volksinitiative lancieren. Der Bund soll jährlich 500 Millionen Franken zum Schutz der Frauen bereitstellen. Was sagen Sie dazu?
Zu diesem konkreten Betrag kann ich mich nicht äussern. Aber es ist völlig klar, dass unsere Gesellschaft in die Sicherheit von Frauen gegen männliche Gewalt investieren muss.
Nicht nur Femizide erschüttern die Schweiz. Nach dem Tod eines 17-Jährigen bei einer Polizeiverfolgung kam es in Lausanne zu heftigen Ausschreitungen.
Ich bin entsetzt über das Ausmass der Ausschreitungen. Als Justiz- und Polizeidirektor setze ich mich dafür ein, dass wir gegen Gewalt und Verbrechen vorgehen und eine Polizei haben, die unterstützend und vertrauensbildend wirkt.
In Lausanne haben Polizisten in Gruppenchats diskriminierende und rassistische Äusserungen geteilt …
Die Bilder und Kommentare sind inakzeptabel! Es gibt klare Richtlinien, an die wir uns alle halten müssen. Aber: Rassismus und Extremismus nehmen zu. Wir müssen der Gesellschaft aufzeigen, dass Hass, Dominanz und Gewalt nie eine Lösung sind. Meine Botschaft als Mann und als Justiz- und Polizeiminister ist klar: Gewalt ist ein Zeichen von Schwäche. Starke Männer lösen Probleme, indem sie zuhören und den Dialog suchen.
Haben wir nicht ein Ausländerproblem?
Wir akzeptieren keine Straftaten, egal, von wem sie begangen wurden. Im Bereich Drogenhandel, Menschenhandel, Geldwäscherei oder Diebstahl gibt es eine Zunahme von grenzüberschreitender organisierter Kriminalität. Darum brauchen wir gezielte Massnahmen wie eine noch bessere grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit.
Da wäre es ja umso wichtiger, mit der EU ein geregeltes Verhältnis zu haben. Warum weist der Bundesrat nicht mehr darauf hin? Hat man Angst vor dem Volk?
Es ist wichtig, dass das Vertragspaket mit der EU auf Herz und Nieren geprüft wird. Wir haben enorme Konzessionen von der EU bekommen - das hätten wir vor ein, zwei Jahren nicht erwartet. Der Bundesrat ist geschlossen für das Paket. Es ist wichtig für unseren Wohlstand und unsere Sicherheit. Russische Angriffe kommen von Osten, Machtpolitik kommt vom Westen. Darum ist eine Partnerin wie die EU, auf die wir uns verlassen können, umso wichtiger – auch in Zukunft.
Apropos Zollstreit: Ihnen wird von rechts vorgeworfen, Sie hätten zusammen mit dem Aussendepartement die Zollübereinkunft mit den USA torpediert!
Wie alle anderen Bundesräte habe ich das Ziel, dass wir diese Zusatzzölle wegbringen. Gerade als Vertreter einer urbanen Grenzregion weiss ich, wie stark die Exportwirtschaft davon betroffen ist.
Stimmt es, dass Sie Ihre Frau Tracy, die sich in den Medien auch dezidiert zu den USA äussert, zurückbinden mussten? Zumindest schrieb das die «Weltwoche».
(Lacht.) Meine Frau ist eine selbstbewusste und erfolgreiche Partnerin. Sie hat es nicht nötig, dass ich sage, was sie zu tun hat. Es gibt übrigens auch in den USA ganz viele Menschen, die diese Zölle nicht wollen.
Sie sagen, der Bundesrat zieht an einem Strick. Davon merkt man nicht viel.
Was die Bundesratssitzungen betrifft, schweige ich in allen vier Landessprachen. Wir tun gemeinsam alles dafür, dass wir den Zollstreit und das Verhältnis mit der EU regeln können.
Trotzdem gibt es laufend Indiskretionen.
Darüber reden wir häufig. Ich erlebe das Gremium als sehr konstruktiv. Seit ich im Bundesrat sitze, bin ich noch überzeugter, dass Konkordanz und Kollegialität gut für unser Land sind. Erst recht in einer Zeit, in der Werte wie Kompromisse, Rechtssicherheit und Zuverlässigkeit international unter Druck geraten.
Zurück zum Anfang. Wie kommunizieren Sie mit Ihren Töchtern – digital per Chats?
Auch. Was wir aber viel häufiger tun, ist telefonieren. Lustig ist: Als wir alle zusammen in Basel unter einem Dach gelebt haben, waren so vertiefte Gespräche fast seltener als heute. Meine Töchter fordern mich natürlich auch heraus. Das ist teilweise anstrengend, aber auch toll!