So tönt Schweizer Hochdeutsch im Vergleich
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Doppelbürger spricht es vor:So tönt Schweizer Hochdeutsch im Vergleich

«Arroganz und Besserwisserei»
Schweizerdeutsch?! Auch wir reden Hochdeutsch, liebe Deutsche!

So ein Käse: In Deutschland wird Schweizerhochdeutsch immer noch mit Dialekt verwechselt. Dabei ist es unsere offizielle Sprache. Lehrerinnen wird heute ein souveräner Umgang damit beigebracht – und der oberste Sprachhüter fordert: Wir brauchen mehr Selbstbewusstsein.
Publiziert: 12:08 Uhr
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Aktualisiert: 12:17 Uhr
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Schweizerhochdeutsch ist unsere Standardsprache – auch wenn es oft für Mundart gehalten wird. Selbst von deutschen Dozenten an Hochschulen.
Foto: Getty Images

Darum gehts

  • Viele Deutsche verwechseln Schweizerhochdeutsch mit Dialekt
  • Unser Hochdeutsch ist Standard und gleichwertig zu deutschem und österreichischem
  • Sprachhüter fordern mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit Schweizerhochdeutsch
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Walliserdeutsch bei unseren Nachbarn? Von wegen! Die Schweizer Erfolgsserie «Tschugger» war soeben erstmals im deutschen Free-TV zu sehen – in einer synchronisierten Version. Die Darstellerinnen und Darsteller redeten Schweizerhochdeutsch, man hörte also noch den Einschlag. 

Manche Deutsche hielten das trotzdem für Mundart: In Kommentarspalten schwärmten Zuschauer vom «schönen Dialekt» bei «Tschugger». Und das Magazin Focus fragte sich gar, wie das Publikum «mit dem Schwyzerdütsch» klarkomme. Dabei wurde ihm gar keine Mundart zugemutet.

Man muss nicht wie ein Deutscher tönen

Schweizerhochdeutsch ist unsere Standardsprache. Im Bundeshaus wird so debattiert, in Schulen so unterrichtet, in der «Tagesschau» so gesprochen. Das Schweizerhochdeutsch unterscheidet sich in einigem vom vermeintlich geschliffenen «Deutschdeutsch» – beim Ton (der kehlige «ch»-Laut), im Wortschatz (Velo statt Fahrrad, parkieren statt parken) und in der Rechtschreibung (ss statt ẞ). Für Sprachforscher ist aber klar: Unser Hochdeutsch ist dem deutschen oder österreichischen gleichwertig.

Trotzdem fehlt dafür oft das Bewusstsein. Deutsche verwechseln es mit Mundart. Und auch hierzulande herrscht Unsicherheit – das zeigen Untersuchungen. Als ob unser Hochdeutsch bloss eine schwächere Kopie wäre! Doch Bildungsbeamte und Sprachhüter tun einiges, um dieses Bild zu ändern.

Zentral dabei: Angehende Lehrpersonen werden ermuntert, konsequent Schweizerhochdeutsch zu sprechen. Jürg Niederhauser ist Präsident des Schweizerischen Vereins für die deutsche Sprache. Der Sprachwissenschaftler findet es wichtig, unser Hochdeutsch in der Deutsch- und Sprachdidaktik an den Pädagogischen Hochschulen zu behandeln. «Das wird mit der Zeit dann auch von Lehrerinnen und Lehrern weitergetragen in ihrem späteren Unterricht», sagt er.

An den Pädagogischen Hochschulen setzt sich die Devise durch: Wer unterrichtet, muss nicht wie ein Deutscher tönen. Auch kantonale Behörden geben Leitlinien heraus.

In Zürich etwa wird für den Unterricht in «Deutsch als Zweitsprache» von Lehrpersonen «konsequent Schweizerhochdeutsch» gewünscht, wie es in einem aktuellen Papier heisst. In Solothurn wird «ein lebendiges Schweizerhochdeutsch» erwartet. Und die St. Galler halten fest: «Einer Person, die Hochdeutsch spricht, darf man anhören, dass sie aus der Schweiz kommt.»

Hochdeutsch als «niedlich» abgetan

Bildungsforscherinnen beobachten: Klarheit hilft. Lehrerinnen und Lehrer empfinden es als Befreiung, wenn ihr Schweizerhochdeutsch nicht als «falsch» gilt, sondern als gleichwertig mit dem Deutschland-Hochdeutsch. Doch oft wissen auch sie nicht, dass es mehrere Hochdeutsch-Varianten gibt. Zu diesem Schluss kommen aktuelle Praxisberichte und Untersuchungen. 

Eine weitere Hürde: die deutsche Brille. Lehrkräfte berichten, sie fühlten sich neben Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland manchmal schlicht weniger wortgewandt. Schweizerhochdeutsch werde von Deutschen schon mal als «niedlich» abgetan. Das verunsichere im Umgang mit dem eigenen Hochdeutsch.

Ein neues Selbstbewusstsein?

Sprachverein-Präsident Niederhauser ist einerseits optimistisch: «Es gibt Zeichen dafür, dass wir in der Schweiz etwas selbstbewusster geworden sind beim Gebrauch des Schweizerhochdeutschen.» Als schönes Beispiel dafür nennt er eine Werbekampagne von Denner, in der das Schweizerhochdeutsch als Alleinstellungsmerkmal dient. «Glace statt Eis» oder «Poulet statt Huhn», steht etwa auf den Plakaten.

Wir haben sogar einen eigenen Duden

Für das Schweizerhochdeutsch gibt es einen eigenen Duden. Das aktuelle Nachschlagewerk listet rund 3500 Helvetismen auf und erklärt die wichtigsten Unterschiede zur deutschen Standardvariante. Herausgegeben wird das Duden-Bändchen vom Schweizerischen Verein für die deutsche Sprache. Er setzt sich in der Schweiz für die Pflege der deutschen Sprachkultur ein.

Für das Schweizerhochdeutsch gibt es einen eigenen Duden. Das aktuelle Nachschlagewerk listet rund 3500 Helvetismen auf und erklärt die wichtigsten Unterschiede zur deutschen Standardvariante. Herausgegeben wird das Duden-Bändchen vom Schweizerischen Verein für die deutsche Sprache. Er setzt sich in der Schweiz für die Pflege der deutschen Sprachkultur ein.

Andererseits gibt es für Niederhauser ein grosses Aber: «Verglichen mit dem Selbstbewusstsein, mit dem Österreicherinnen und Österreicher ganz selbstverständlich ihr österreichisches Deutsch sprechen und ihre Austriazismen gebrauchen, können – und sollten – wir in der Schweiz schon noch ordentlich zulegen.» 

Man müsse gewissen Leuten immer wieder klarmachen, dass Schweizerhochdeutsch Standard sei. Nötig sei das gerade an Universitäten – ausserhalb der deutschen Sprachfächer. Und zwar dort, wo Studierende auf deutsche Professorinnen und Professoren treffen, wie Niederhauser sagt: «Da herrscht dann oft eine Kombination von Arroganz und Besserwisserei vor in Bezug auf Wissen.»

Was man nie vergessen darf: Schweizerinnen und Schweizer reden im Alltag fast nur dann Hochdeutsch, wenn das Gegenüber den Dialekt nicht versteht. Ihre Mundart lebt – und macht Hochdeutsch weniger selbstverständlich.

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