Absurde Gemeindegrenzen
Gemeindepräsidentin zieht vom Hof ins Stöckli – und muss zurücktreten

Jahrelang war sie Gemeindepräsidentin von Trachselwald BE. Doch weil Kathrin Scheidegger nun von ihrem Hof ins Stöckli zieht, muss sie das Amt abgeben. Die Gemeindegrenze verläuft nämlich mitten durchs Dorf.
Publiziert: 11:34 Uhr
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Aktualisiert: 12:20 Uhr
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Noch ist Kathrin Scheidegger Gemeindepräsidentin von Trachselwald BE. Bald muss sie zurücktreten, weil sie ins Stöckli neben dem Bauernhof zieht.
Foto: Beat Mathys

Darum gehts

  • Gemeindepräsidentin muss ihr Amt wegen ihres Umzugs über die Gemeindegrenze abgeben
  • Das Emmentaler Dorf Trachselwald BE ist durch eine Gemeindegrenze geteilt
  • Der Gemeinderat wurde von sieben auf fünf Personen verkleinert
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Céline ZahnoRedaktorin Politik

Eigentlich ist das Stöckli nur einen Steinwurf vom Bauernhof von Kathrin Scheidegger (62) entfernt. Nachdem sie den Hof an ihren Sohn übergeben hat, zieht sie Ende Jahr mit ihrem Mann in das dazugehörige Haus auf der anderen Strassenseite. Doch der Umzug hat weitreichende Konsequenzen: Sie muss deswegen ihr Amt als Gemeindepräsidentin abgeben. Wenige Meter machen den Unterschied.

Der Grund dafür liegt in der besonderen Lage des Emmentaler Dorfs Trachselwald BE. Die Gemeindegrenze verläuft nämlich mitten durchs Dorf – und trennt den Bauernhof der Familie Scheidegger vom Stöckli. Ein Stöckli ist ein kleines Haus auf einem Bauernhof, in das normalerweise die ältere Generation nach der Hofübergabe zieht. Mit dem Umzug wird Kathrin Scheidegger somit Einwohnerin der Nachbargemeinde Lützelflüh. Dort wird sie künftig abstimmen und Steuern zahlen – und darf somit auch keiner anderen Gemeinde mehr vorstehen.

Kein Einzelfall im Emmental

«Ein bisschen Wehmut habe ich schon», sagt Scheidegger zu Blick. Die Gemeinde liege ihr am Herzen, und sie habe viel bewegen können in den 15 Jahren im Gemeinderat. Trotz Umzug ist für sie klar: «Ich bleibe nach wie vor Trachselwaldnerin. Auch wenn mich die Gemeindegrenze künftig trennt, bin ich hier aufgewachsen, und wir fühlen uns als Dorfgemeinschaft.»

Die «Berner Zeitung» berichtete als Erste über den Fall. Klar ist: Im Emmental sind solche Grenzen keine Seltenheit. Das Dorf Ranflüh gehört etwa zur einen Hälfte zu Lützelflüh BE, zur anderen zu Rüderswil BE. Für Scheidegger war der Gemeindewechsel auch keine Überraschung. «Wir wussten, dass eine Hofübergabe einen Gemeindewechsel mit sich bringt.»

Keine Sorge um Nachfolge

Scheidegger ist froh, dass es für ihre Nachfolge schon Anwärter gibt. «Wir stehen da sicher nicht im Schilf.» Mit Personalproblemen hatte die Gemeinde aber auch schon zu kämpfen. Darum wurde der Gemeinderat vor einigen Jahren von sieben auf fünf Personen verkleinert.

Die Verkleinerung brachte auch eine aufwendige Neuorganisation mit sich. «Wir mussten uns erst orientieren und die gleiche Arbeit auf weniger Köpfe verteilen», so Scheidegger. Daneben sei sie vor allem stolz, die Nachfolge des Gemeindeschreibers erfolgreich geregelt zu haben – er hatte das Amt zuvor 37 Jahre lang inne.

Nach dem Umzug wird die 62-Jährige wieder mehr Zeit haben. «Mein Mann musste sehr viel zurückstecken und akzeptieren, dass ich nicht oft da bin», sagt sie. «Er hat mir immer den Rücken gestärkt. Ich freue mich, dass wir wieder mehr zusammen unternehmen können.»

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