Die Karriere von Thomas Gottschalk
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Von Lehramtsstudent zu TV-Star:Die Karriere von Thomas Gottschalk

Publikumsliebling, Witzfigur, Krebskranker
Die Akte Gottschalk

Am Sonntag offenbarte Showmaster Thomas Gottschalk in einem «Bild»-Interview, dass er an einer gefährlichen Krebserkrankung leidet. Dies erklärt auch die konfusen Auftritte in den letzten Tagen. Sein TV-Abschied vom kommenden Samstag auf RTL sei aber nicht gefährdet.
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Thomas Gottschalk war immer auch eine beliebte Werbefigur. Hier tauft er 2008 das neue Haribo-Linienflugzeug der TUIfly auf dem Kölner Flughafen.
Foto: imago stock&people

Darum gehts

  • Thomas Gottschalk leidet an einem seltenen und bösartigen Tumor
  • Die starken Medikamente beeinflussen seine körperlichen Reaktionen
  • Sein letzter TV-Auftritt in der RTL-Show vom 6. Dezember sei nicht gefährdet
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Jean-Claude GalliRedaktor People

«Ich habe Krebs», verkündet Thomas Gottschalk (75) am Sonntag in einem «Bild»-Interview. «Die Diagnose war heftig. Epitheloides Angiosarkom. Ein seltener, bösartiger Tumor, der von den Zellen der Blutgefässe ausgeht. Mein Mann wurde sofort operiert», präzisiert Ehefrau Karina Mross (63), die beim Interview neben ihm sitzt.

Mit den Nebenwirkungen der starken Medikamente erklärt der Moderator auch seine irritierenden Auftritte vor gut zwei Wochen bei der Bambi-Verleihung in München und letzten Freitag bei der Romy-Gala in Kitzbühel. Nach den beiden Events ergoss sich kübelweise Häme über den einstigen Publikumsliebling, der scheinbar nicht mehr weiss, wo unten und oben ist.

Ein Glückskind, mannigfaltig erfolgreich

Die Krebsnachricht lässt nun die Social-Media-Meute mehrheitlich verstummen, teils beschämt und reuig. «Wenn wir das nur gewusst hätten», lautet der Tenor.

Die heftigen Reaktionen – zuerst auf das öffentliche Straucheln, dann auf die Krankheit – zeigen, dass Gottschalk immer noch bewegt, obschon seine Glanztage wie die Blütezeiten des linearen Fernsehens längst vorbei sind. Doch das frühere Publikum lebt und ist mitteilungsbedürftig.

Der grosse Meister des Entertainments selber, geboren 1950 im bayerischen Bamberg, macht es ihm in seinen ersten Karriereschritten beim Radio in den frühen 1970ern dauerplaudernd vor. Sein Drang ins Rampenlicht ist notorisch, Kritiker sagen krankhaft. Den passenden Nachnamen hat er. Seine Erfolge erklärt er oft mit Gottes Fügung, er ist ein Glückskind, dem der Schalk nicht nur im Nacken, sondern im ganzen Körper sitzt.

Ab 1976 wird Gottschalk mit der TV-Musiksendung «Szene» landesweit bekannt, ab 1982 mit den ZDF-Formaten «Thommys Pop Show» und «Na sowas!» im ganzen deutschsprachigen Raum. Selbst im Kino – mit «Die Supernasen» oder «Zärtliche Chaoten» – ist er zeitweise erfolgreich. 1987 betritt er erst 37-jährig den Show-Olymp. Von Erfinder Frank Elstner (83) übernimmt er dessen Sendung «Wetten, dass..?».

Viele Fans in der Schweiz

Das Faszinierendste an ihm, dass rasch auch Neid weckt: Bei «Thommy» schaut nichts nach Arbeit aus, alles gelingt scheinbar mühelos. «Unsinn reden war immer Teil meines Lebens», sagt er. Ohne grossen Respekt vor Autoritäten. Frech oder verletzend wird er aber kaum je. Er hält sich an keine Etikette, trägt, was ihm gefällt, auch auf dem Kopf.

Auch in der Schweiz ist er sehr gerngesehen. Und im Unterschied zu anderen deutschen Show-Figuren biedert er sich nicht bei den Eidgenossen an, sondern bindet sie ein. Perfekt wird diese Connection, als Michelle Hunziker (48) 2009 als Co-Moderatorin zu «Wetten, dass..?» stösst.

Dass das Leben grösser ist als jede Show und grösser als jeder Moderator merkt er spätestens ein Jahr später. Am 4. Dezember 2010 verunglückt der deutsche Schauspieler Samuel Koch (38) bei seiner Wette, bei der er mit Sprungstiefeln über fünf Autos springen will, und ist fortan querschnittsgelähmt. Die Sendung wird abgebrochen, Ende 2011 tritt der immer noch mitgenommene Gottschalk zurück.

Der Würgegriff der Eitelkeit

Wer heute zurückschaut, hätte ihm nun geraten, sich ein zeitraubendes Hobby zuzulegen und in seinen Liegenschaften in und ausserhalb Europas – seit Mitte 1990 bis zur Brandkatastrophe 2018 auch im kalifornischen Malibu – den beträchtlichen Reichtum zu geniessen.

Doch wen die Eitelkeit derart im Würgegriff hat, den lässt sie nicht mehr los. Privatsender umwerben ihn, er gibt nach. Dann wieder die Öffentlich-Rechtlichen und die Werbeindustrie, ein «Nein» kennt er auch hier nicht.

Spät rutscht er im Herbst 2024 in einem «Spiegel»-Interview auch auf der Me-Too-Eisbahn aus. Angesprochen auf Bilder, die zeigen, wie er in «Wetten, dass..?» weiblichen Gästen ans Knie fasste, sagt Gottschalk: «Ich habe Frauen im TV rein dienstlich angefasst. Wie ein Schauspieler, der im Film küsst, weil es im Drehbuch steht.» Die Empörung ist je nach Milieu heftig. Doch erst bei seinen Auftritten in München und Kitzbühel ist der Tenor eindeutig: Der Schalk soll endlich gehen.

Seit einigen Tagen ist ebenfalls klar, wann er dies tun will: am kommenden Samstag, 6. Dezember, mit der RTL-Abendsendung «Denn sie wissen nicht, was passiert». Und in der «Bunten» liefert er am letzten Donnerstag bereits einen Vorgeschmack auf die Krebs-Schocknachricht vom Sonntag, wie jetzt klar wird. «Jeder Mensch ist für sein Handeln allein verantwortlich», sagt er angesprochen auf den kürzlichen Freitod der Kessler-Zwillinge. Er meinte damit vor allem sich selbst.

Er habe keine Angst vor dem Tod, sagt Gottschalk und vertraue darauf, dass sein Leben «in der Hand Gottes» liege. «Ich habe mir das Leben geben lassen. Und ich lasse es mir auch wieder nehmen. Man spürt früh genug, wenn es so weit ist. Und bis dahin lebe ich gern.»

Letzter TV-Auftritt am 6. Dezember

Wird der RTL-Termin vom Samstag also wirklich Gottschalks letzter TV-Auftritt oder bleibt den Fans noch ein Funken Hoffnung für eine neuerliche Zugabe? Mit der Formulierung «das bin ich dem Publikum schuldig» hat sich auch sein grosses Moderationsvorbild Hans Rosenthal (1925–1987) oft dafür entschuldigt, persönliche Befindlichkeiten zugunsten des Jobs zu unterdrücken. Rosenthal informierte die Öffentlichkeit sogar erst nach seiner letzten «Dalli Dalli»-Sendung im September 1986 über den todbringenden Magenkrebs.

Doch dem Publikum ist niemand etwas schuldig. Die Formulierung dient in erster Linie der Selbst-Legitimierung. Und sie stärkt den Durchhaltewillen. Und diesen braucht Gottschalk nicht nur als Showmaster, sondern im Moment vor allem als Mensch.

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