Darum gehts
- Roger Aebli ist neuer Amerika-Korrespondent für SRF in New York
- Aebli geniesst die Offenheit der Amerikaner und die kulinarische Vielfalt
- Er berichtet aus einer Stadt mit fast 8 Millionen Einwohnern
Plopp, da ist er schon! Anders als im Fernsehen ist Roger Aebli (42) locker gekleidet: T-Shirt, Kopfhörer, hinter sich eine riesige USA-Karte, vor sich eine Tasse mit Aufdruck. Mit seiner Prättigauer Mundart holt er sich sofort ein paar Punkte.
So sachlich der neue Amerika-Korrespondent für SRF jeweils analysiert, so umgänglich gibt er sich nun. Doch wieso nicht kurz über Vorzüge von Homeoffice reden, wenn man sich schon – Videoanruf sei Dank – gegenseitig in die Wohnung spienzeln kann? Aeblis Aussicht lässt sich allerdings kaum toppen: Er lebt in Manhattan, New York City!
Bei ihm hat der Tag erst angefangen, nach einem langen Arbeitswochenende wohlgemerkt. Ja, man dürfe gern schreiben, dass er noch etwas verschlafen sei. «Bi am Rumpf», doppelt er augenreibend nach. Am Vorabend ist er aus Phoenix zurückgekommen, wo er für die SRF-Newsformate von der Beerdigung des Politaktivisten Charlie Kirk berichtete.
Nur fünf Stunden Flug und schon drei Stunden Zeitunterschied, das erfasse ich immer noch nicht ganz in diesem Land.» Wobei Aebli auch Kanada und Mexiko abdeckt, was ihm sehr zusagt: «Ich liebe mexikanisches Essen und Musik.» Nur schon darum freue er sich, auch dieses Land bald beruflich erkunden zu können. Hier und heute sollen aber weniger Job und Politik im Mittelpunkt stehen – von Interesse ist vielmehr die Person, die das Geschehen einordnet.
Vom Prättigau nach Manhattan
Seit Mitte Juni wohnt der frühere «Tagesschau»-Moderator Aebli in New York. Die Millionenmetropole zählt fast so viele Einwohner wie die ganze Schweiz, da könnte sich ein Zugezogener durchaus verlieren, oder? Er schüttelt den Kopf.
«Es ist sehr einfach, mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Wie tiefgründig es wird, ist die andere Frage.» Er müsse aber lernen, weniger damit (er tippt auf seine Kopfhörer) unterwegs zu sein, es ergäben sich so viele Gelegenheiten für einen Schwatz. «Die Amis hauen dich einfach an, diese Offenheit und dieses Interesse finde ich schon sehr cool.»
Ebenfalls cool für den Musikliebhaber Aebli: dass er allabendlich ein Konzert besuchen könnte («sooo ein Überangebot!»). Und dass er nach einer «10 vor 10»-Schaltung zum Flushing Meadows Park gehen kann, um sich live den Match von Carlos Alcaraz beim US-Open anzuschauen.
Über den Sport, dies am Rande, ist er nach dem Studium auch bei Radio Grischa gelandet, hat sechs Jahre moderiert, die letzten drei als Chefredaktor.
Ja, er sei angekommen, sagt er, zurück im Jetzt, und blickt aus dem Fenster, er erlebe alles noch toller als erwartet. «In dieser Kulisse leben zu dürfen und morgens vor der Arbeit ein paar Runden im Central Park zu drehen – ich muss mich nach wie vor ab und zu selber kneifen.»
«Aber», der selbst ernannte Mountainman in Manhattan hält grinsend seine Tasse in die Kamera, «das ist die Skyline von Seewis, wo ich herkomme, sie kann es durchaus mit New York aufnehmen.»
USA überzeugt mit Kulinarik
Berge gibts im Big Apple keine, dafür hält die Stadt überzeugende kulinarische Argumente parat: Buffalo Wings (Pouletflügeli mit scharfer Sauce), die das «simple Gemüt, was Essen betrifft» täglich verspeisen könnte. Aebli liebt auch Pizza, die es an jeder Ecke gibt, und die US-Küche mit ihren Burgern, Pommes, Steaks («das darf man ja fast nicht sagen …»).
Er müsse schauen, dass er nicht 10 Kilo schwerer zurückkomme, witzelt er. Hilfreich dabei: Der langjährige Läufer will am New-York-City-Marathon teilnehmen. Eine neue Disziplin hingegen sind die Schaltungen, vor denen er extrem Respekt hatte. «In der ‹Tagesschau› las ich vom Prompter ab, nun muss alles aus dem Kopf kommen – und idealerweise sollte man sich inhaltlich nicht gross verrennen.»
Seine Premiere Mitte Juli meisterte Aebli «mit Puls 250» und fast ohne Blinzeln, so konzentriert war er. Viele Schaltungen später hat sich das etwas normalisiert, doch die Anspannung sei immer noch gross. Auch als er in Phoenix bei 35 Grad schwitzte und gedanklich schon in Zürich weilte, bei der «Tagesschau»-Moderatorin und ihren Fragen zur Polarisierung im Land. Doch am Ende komme es ja meist gut, sagt er lächelnd, und die Grübchen in seinen Wangen vertiefen sich.
Er ist oft zugeschaltet, aber weniger als Kollege Pascal Weber aus Washington. «Ich komme mehr raus, das ist es, was den Posten in New York einzigartig macht.» Sein Arbeitsalltag: spannend, schwer planbar. Schaltungen kommen unverhofft rein, oder er sitzt, kaum gelandet, schon wieder im Flieger. «Genau das finde ich so reizvoll, auch wenn es manchmal an die Substanz geht.» Seine Tasse ist leer, Aebli holt sich schnell einen weiteren Kaffee.
Er erlebe, fährt er dann fort, die Leute in den USA nach wie vor als auskunftsfreudig, auch bei politischen Fragen. «Aber sie schauen zuerst, was auf dem Mikrofon steht.» Da sie das SRF-Logo nicht verorten können, wollen sie oft wissen, woher er sei. «Sage ich Switzerland, sind sie bereits wohlgesinnt und die Begegnungen überwiegend angenehm – selbst wenn es Menschen mit krassesten politischen Ansichten sind.»
Zwischen Zeitzonen und Trump-Wahlkämpfern
Sätze wie «Trump hat die Wahl vor fünf Jahren nicht verloren!» überraschen ihn in ihrer Absolutheit nach wie vor, ebenso Aussagen, die er als Verschwörungstheorien bezeichnen würde. «Das ist faszinierend. Ich habe unterschätzt, wie viele in ihren eigenen Realitäten zu Hause sind.» Anderswo wären die Menschen wohl vorsichtiger und weniger offen: «Dass sie noch keine Angst haben, ihre Meinung kundzutun, finde ich schön.»
Nun redet Roger Aebli lange über das Tempo, in dem Donald Trump seine Agenda umsetzt, über das Parlament, abweichende Meinungen, Karrieren, die durch einen Social-Media-Post des Präsidenten beendet werden, News-Deprivierte («nicht förderlich für die Demokratie»), abnehmende kritische Stimmen und vieles mehr.
Er beendet den Exkurs mit «das bringi nid zema im Kopf», sagt sorry, dass er im Plaudermodus sei, muss dann aber doch noch etwas loswerden: «Ich tue mich immer dann am schwersten, wenn Trump gegen die Medien vom Leder zieht und sie pauschal als Feind des Volkes bezeichnet.» Dass der Präsident Journalisten-Visa auf 240 Tage beschränken will, vereinfacht es Aebli nicht, durch eine neutrale Brille aufs Geschehen im Land zu blicken. «Das hiesse, sich alle 8 Monate für seine Berichterstattung zu rechtfertigen.»
Weil Aebli aktuell überwiegend politische Themen abdeckt, bleiben andere auf der Strecke. Diese will er allmählich angehen und auch Schweizer im Land porträtieren. Konkret etwa Christophe Cherix, der seit September eine der wichtigsten kulturellen Institutionen im Land leitet: Der Genfer ist neuer Direktor des Museums of Modern Art. «Ja, die USA sind voller Geschichten, die ich noch umsetzen will.»
Auch unweit seines Wohnorts gibt es viel zu entdecken. Zum Beispiel, dass man nach einer Stunde U-Bahn-Fahrt am Strand sitzen kann. «Bis da bist du zwar erkältet, weil die U-Bahn auf 10 Grad runtergekühlt ist, aber hey, du bist am Meer, grossartig!» Dass New York eine Stadt am Meer ist, habe er vorher nicht ganz erfasst.
Manchmal kommt dennoch leichte Melancholie auf in der Millionenmetropole. Dann sorgt Musik dafür, dass es ihm gut geht, so weit weg von daheim: «Stubete Gäng, Patent Ochsner … aber pssst, nid wiitersega!» Er dreht sich um: «Auch hängen überall Fotos von zu Hause – kleine, subtile Sachen halt.»
Vom letzten Besuch in der Schweiz nahm er eine Nusstorte mit («leider scho ggessa») und Kaffee aus dem Glarnerland. So einen will er sich nun zubereiten. Zuvor aber dankt Roger Aebli noch fürs Interesse und verrät, dass er am Abend zwei Korrespondenten-Kollegen trifft. «Sofern nicht irgendwas passiert, bin ich heute nicht auf Sendung», sagt er zuversichtlich. Und plopp, schliesst sich das Fenster in die fremde Wohnung.