Soll eine beispiellose Erfolgsstory in einem Streit mit lauter Verlierern enden? Dieses Schicksal droht dem Weltwirtschaftsforum nach über fünf Jahrzehnten, seit der Stiftungsrat aufgrund anonymer Vorwürfe den 87-jährigen Patron Klaus Schwab unsanft auf die Strasse gestellt hat. Wobei das Adjektiv unsanft der Sache nicht gerecht wird – die Öffentlichkeit staunte, wie höchst erfahrene Alphatiere um den ehemaligen Nestlé-Chef Peter Brabeck (80), die in ihrer aktiven Zeit Milliardenunternehmen führten, den Gründer entgegen jedem Verständnis von Compliance-Standards ins Off beförderten.
Während die Anschuldigungen – die Schwab bestreitet – in einer externen Untersuchung abgeklärt werden, scheinen die Verantwortlichen kalte Füsse bekommen zu haben. Denn das unwürdige Spektakel könnte das ganze WEF-Universum in den Abgrund reissen. Also muss eine Einigung her. An der wird in diesen Tagen diskret gearbeitet. Wie Blick aus WEF-Kreisen in Erfahrung bringen konnte, spielt ein bekannter Name die Schlüsselrolle: Philipp Hildebrand.
Neu in den Stiftungsrat gewählt
Der Stiftungsrat hat den Ex-Nationalbankchef als Vermittler beauftragt. Letzte Woche kam es in der Zürcher Innenstadt zu einem heimlichen Treffen Hildebrands mit Schwab, der von Ex-Finma-Direktor Urban Angehrn (60) begleitet wurde. Ziel: Schwab die Hand ausstrecken und die Parteien wieder ins direkte Gespräch bringen.
Dass die Wahl zum Brückenbauer gerade auf Hildebrand fiel, hat einen guten Grund. Der 61-jährige Blackrock-Vize wurde soeben in den WEF-Stiftungsrat gewählt und ist nun das einzige Mitglied des Gremiums, das in dieser Geschichte unbelastet ist. Überdies hatte er in früheren Jahren schon einmal für das WEF gearbeitet. Bei ihm ist das Vertrauensverhältnis noch vorhanden. Die Anstrengung trägt Früchte. Am darauffolgenden Mittwoch titelte die «NZZ»: «Klaus Schwab und das WEF wollen sich wieder vertragen».
Es geht auch um den Verbleib in der Schweiz
Was aufhorchen lässt: Am Termin war auch ein Vertreter des Eidgenössischen Departements für Auswärtige Angelegenheiten dabei. Das EDA bestätigt auf Anfrage die Information – und betont gleichzeitig, dass man in keiner Weise am WEF-internen Annäherungsprozess beteiligt sei. Grund für die Teilnahme am Treffen seien künftige Projekte am WEF gewesen.
Dennoch – die Anwesenheit eines Abgesandten von Bundesbern illustriert die eigentliche Dimension des Falls: Aller Kritik zum Trotz ist das WEF für den Bundesrat längst zu einem fixen Instrument seiner Aussenpolitik geworden. In Davos knüpft die Regierung Kontakte, schmiedet Bündnisse und betreibt Standortwettbewerb. Die gross inszenierte Bürgenstock-Konferenz 2024 etwa wäre ohne WEF nicht zustande gekommen.
Es liegt also im ureigenen Interesse von Bundesbern, dass der Event in der Schweiz bleibt. Sorgen über eine Abwanderung sind vorhanden – etwa nach Singapur, wo Schwabs Schwiegertochter herstammt, oder an den Persischen Golf, wo die Emirate und Saudi-Arabien mit viel Geld locken. Voraussetzung für ein erfolgreiches Lobbying zugunsten von Davos sind geschlossene Reihen.
Bringt sich Hildebrand als Schwab-Nachfolger ins Spiel?
Sollte Hildebrands diplomatische Offensive Früchte tragen und die Angelegenheit in geordnete Bahnen kommen, könnte er sich für höhere Weihen empfehlen. Hildebrand for President? Sicher ist: Die Liste der potenziellen Nachfolger Schwabs ist kurz. Der interimistische Präsident und Ex-Nestlé-Chef Brabeck ist 80, und der Name von EZB-Präsidentin Christine Lagarde (69) ist durch Schwabs ungeschickte Kommunikation verbrannt.
Klaus Schwab schweigt auf Anfrage, ebenso Philipp Hildebrand. Der Ehrgeiz nach wichtigen Posten fehlt Letzterem nicht, so viel steht fest. Während er sich als Mitbesitzer der Blausee-Fischzucht mit toten Forellen im Berner Oberland herumschlagen musste, versuchte er es 2021 mit einer Kandidatur als OECD-Generalsekretär. 2022 schaffte Hildebrand immerhin die Wahl ins Präsidium der noblen Zürcher Kunstgesellschaft. Das WEF läge noch einige Etagen höher.