Kommentar zum Hype um die Aromat-Chips
Ein Stinkefinger!

Gerade erst führte Zweifel die Aromat-Chips ein, und schon futtern die Jungen ständig die Regale leer. Offenbar wollen sie uns damit etwas sagen, meint Redaktorin Rebecca Wyss.
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Seit Dezember erhältlich: Aromat-Chips.
Foto: Marco Lüssi
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Rebecca WyssRedaktorin SonntagsBlick

Glutamat ist böse. Seit Jahren hören wir das jetzt. Was soll es nicht alles verursachen – Krebs! Herzinfarkte! Fettleibigkeit! Für nichts davon gibt es eindeutige wissenschaftliche Beweise. Ausser vielleicht dafür, dass sich die Geschmacksnerven an den Stoff gewöhnen können und Essen ohne diesen irgendwann fad schmecken. Trotzdem: Viele in der Schweiz sind auf Glutamat-Diät, greifen kaum noch zur früheren Nationalwürze Aromat, das voll davon ist. Und warum? Für die Gesundheit. Fitnesswahn, Superfood, Nahrungsergänzungsmittel, raucherfreie Zonen, Handyzeitlimiten – so tickt der Zeitgeist.

Jetzt machen uns die Jungen einen Strich durch die Rechnung. Mit Aromat-Chips. In rauen Mengen schaufeln sie das Zeug rein. Die neuste Zweifel-Sorte steht seit Ende November in den Verkaufsregalen und ist meist sofort ausverkauft. Es gibt Leute, die schon in fünf verschiedenen Läden danach suchten und überall auf leere Regale stiessen. Auch weil hamsternde Teenies schneller waren. Tiktok explodiert beinahe vor lauter Filmchen davon.

Jetzt kann man darüber den Kopf schütteln – oder anerkennend nicken. Ich finde: So muss es doch sein! Die Jugend rebelliert eben. Die 68er-Generation lehnte sich gegen die Holocaust-Verdrängung der Gesellschaft auf, gegen die sexuelle Verklemmtheit, die Unterdrückung der Frau. Und jetzt futtern Schweizer Jugendliche halt Aromat-Chips, auch weil sie so schön ungesund sind. Vielleicht nicht ganz so revolutionär wie die Umbrüche damals – aber doch immerhin: ein Stinkefinger!

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