Zur Sache! Neue Non-Fiction-Bücher
Neulich bei den Dinosauriern

Wer einen Reisekatalog anschaut, ist geistig schon am Ferienort. Mit diesem Handbuch funktioniert das bestens für Zeitreisende, denn Lesen ist bekanntlich Reisen im Kopf.
Publiziert: 11.07.2020 um 12:26 Uhr
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Aktualisiert: 12.07.2020 um 02:01 Uhr
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ausgelesen von Dr. phil. Daniel Arnet

Ferienzeit ist Reisezeit. Aber für welche Art von Reisen? Im Zeichen von Corona ist die räumliche Bewegung von da nach dort hindernisreich. Als Alternative bietet sich die zeitliche Versetzung vom Jetzt ins Einst an: Zeitreisen sind der Hit dieses Sommers! Einen dazu passenden Reiseführer haben kürzlich die bayerische Autorin Kathrin Passig (50) und der Thüringer Astronom Aleks Scholz (45) unter dem Titel «Handbuch für Zeitreisende» veröffentlicht.

«Die goldene Ära des Zeitreisens ist angebrochen», schreibt das deutsche Duo in der Einleitung. «Zeitreisen sind heute sicherer, komfortabler und erschwinglicher denn je.» Ein Sachbuch zu Zeitreisen: Kann man das ernst nehmen? Aber ja doch. Normalerweise gehören solcher Art Bücher der fantastischen Literatur an, besonders dann, wenn es in die Zukunft geht. Aber Passig und Scholz empfehlen nur Reisen in die Vergangenheit und legen bei Science-Fiction das Gewicht ganz klar auf das erste Wort, also auf Wissenschaft.

Die Vergangenheit präsentiert sich nur schon beim Blick in den Nachthimmel. «Der Stern Sirius ist 8,6 Lichtjahre entfernt, man sieht ihn also so, wie er vor 8,6 Jahren war», lässt sich Astronom Scholz vernehmen. «Rigel, der hellste Stern im Sternbild Orion, ist knapp tausend Lichtjahre entfernt; man sieht ihn so, wie er im 11. Jahrhundert war.» Auch sonst baut das Handbuch auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse auf und nimmt Einsteins Relativitätstheorie oder die Vielwelten-Theorie der Quantenmechanik als Grundlage.

Die Annahme von Parallel-Welten ist eine Voraussetzung für dieses Projekt, denn reisten wir alle auf ein und dieselbe Erde zurück, würden wir die Gegenwart nachträglich beeinflussen. «Es gäbe keine verlässliche Version der Geschichte mehr, und alle Ratschläge für Reisen in die Vergangenheit wären für die Katz.» So aber ist dieses Handbuch vor allem eine kurzweilige und kenntnisreiche Geschichtslektion von der Zeit der Dinosaurier bis zum Fall der Mauer zwischen DDR und BRD.

Neben schönen Reiseempfehlungen – «das Pleistozän biete einmalige Naturerlebnisse in garantiert unberührter Landschaft» – fehlt es nicht an Reisewarnungen: So seien im Mittelalter vor allem die hygienischen Verhältnisse gewöhnungsbedürftig, und bei Reisen zu den Dinosauriern werde kein seriöser Anbieter die Mitnahme Minderjähriger erlauben, weil es immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten komme, wenn nach der Rückkehr ein Kind fehle.

Praktische Tipps zu Benimmregeln, Zahlungsmitteln, Kleidervorschriften und Ernährung runden diese vergnügliche Lektüre ab. Zu Mitbringseln steht zu lesen: «Es mag verlockend sein, für wenig Geld ein Bild von van Gogh zu kaufen und als Souvenir oder Investition aus den Ferien mitzubringen.» Ein solcher van Gogh werde allerdings brandneu und damit für Betrachter aus der Gegenwart nicht besonders authentisch aussehen.

Kathrin Passig/Aleks Scholz, «Handbuch für Zeitreisende, von den Dinosauriern bis zum Fall der Mauer», Rowohlt Berlin

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