Darum gehts
- Zürcher Werbeflächen werden für zwei Wochen von Designern übernommen
- Plakate sollen mehr Individualität und weniger Mainstream-Design zeigen
- 20 Designer gestalten Plakate für die öffentliche Openair-Design-Ausstellung
Am Strassenrand, beim Bahnhof oder in der Garageneinfahrt: Nicht selten stehen Werbeplakate mitten im Alltag. Aktionen, Neuheiten und Imagekampagnen kämpfen um die Aufmerksamkeit möglichst vieler. In Zürich ist damit Schluss – zumindest noch bis 14. September. 20 Designerinnen und Designer übernehmen mit ihren Carte-Blanche-Postern die Werbeflächen an prominenten Stellen in der Limmatstadt.
Im Rahmen der zweiwöchigen Zurich Design Weeks gestalteten Designschaffende je ein Werbeplakat für die «Poster Safari». Das ist eine öffentlich zugängliche Openair-Design-Ausstellung auf Werbeflächen zwischen dem Zürcher Hauptbahnhof und der Hardbrücke im Kreis 5. Unter ihnen steckt das Plakat der beiden Berner Designer Nils Braun (42) und Andreas Märki (34). Collagenartig in Grau, Weiss und Pink hängt das überladene und überfordernde Plakat bei einer Tiefgarage zwischen Passbüro und Polizeiwache.
«Ein Plakat ist mehr als Versicherungswerbung»
Es entstand im Rundlauf zwischen Bern, Finnland, Südkorea und Saudi-Arabien: Während mehr als zwei Monaten brachten Braun, Märki und Fachkollegen aus unterschiedlichen Kulturen ihren Alltagseindruck auf dem grossen Plakat ein. Ein Beispiel: Während der Berner Designer Nils Braun am Plakat arbeitete, verschüttete der Berg das Walliser Dorf Blatten. Er platzierte ein Foto des Bergs im Hintergrund des Plakats. «Mich und viele andere Schweizer beschäftigte und faszinierte diese Naturkatastrophe sogleich.» Daneben steht eine Biene, ein Diagramm der südkoreanischen Geburtenrate oder eine Echse.
Das Ziel der Designer: Die Aufmerksamkeit der Passantinnen und Pendler durch Andersartigkeit auf das Plakat ziehen und sie auch die kleinen Details des Werks entdecken lassen. Damit wollen sie mehr Individualität auf die Werbeflächen in der Stadt bringen. «Ein Plakat ist mehr als nur eine Versicherungswerbung», so Märki. Er sieht das Plakat als die alltägliche und niederschwelligste Art von Design und Kunst im Alltag.
«Die Auto- oder Versicherungswerbung sieht oft ähnlich aus. Immer nach einem Schema F – das ist austauschbar», meint Märki. Weil sich bestimmte Designs oder Schriften, Farben oder Formen etablierten, sei ein Mainstreamdesign die Folge davon. Dem wollen die beiden Berner Designer mit ihrem Plakat an den Zurich Design Weeks entgegenwirken.
Zürcher Stadtparlament will Werbung verbieten
Im vergangenen März entschied sich eine Mehrheit des Gemeinderats für ein Werbeverbot in der Stadt Zürich. Ein Vorstoss der Alternativen Liste (AL) verlangt, dass die Werbung im öffentlichen Räumen minimiert wird und bewegte Werbung auf Bildschirmen ganz aus dem Stadtbild verschwindet. Aus Sicht der links-grünen Mehrheit ist diese Art von Werbung ein «Manipulationsversuch» und eine «ständige Erziehungsbotschaft».
Andreas Märki, der im Vorstand des «Schweizer Grafiker:innen Verbands» sitzt, hält entgegen: «Das ist die letzte Werbefläche ohne personalisierte Werbung durch Algorithmen – diese Flächen sind wichtig.» Dass noch bis 14. September Plakate in Zürich weniger einer erzieherischen Botschaft, sondern eher einer Kunstausstellung gleichen, dürfte die Politiker für einmal weniger stören.