Tobias Roth (27) erzählt vom Kita-Alltag während Corona
«Ich bin stolz, in dieser Zeit hier zu arbeiten»

Tobias Roth ist stellvertretender Leiter der Kita Triemlispital in Zürich. Im Vergleich zu anderen Institutionen waren Kitas während der Pandemie durchgehend geöffnet – auch heute. Von der Normalität war der Berufsalltag für den Erzieher aber weit entfernt.
Publiziert: 21.02.2021 um 11:07 Uhr
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Aktualisiert: 22.02.2021 um 12:09 Uhr
Der 27-Jährige ist stolz darauf, mit seiner Arbeit in dieser schwierigen Zeit einen Beitrag leisten zu können.
Foto: Thomas Meier
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Anna Uebelhart

«An dem Freitag, dem 13. März, als der Bundesrat den Lockdown verkündete, sass ich mit meinen Mitarbeitenden im Pausenraum. Wenige Minuten nach der Medienkonferenz klingelte bei uns bereits das Telefon. Am Ende der Leitung waren besorgte Eltern, die wissen wollten, ob die Kita offen bleibt. Am nächsten Montag hatte ich Frühdienst. Normalerweise trudeln die Kinder ab halb sieben laufend ein, doch an diesem Morgen war um zehn vor acht noch kein einziges Kind da.

Wir rieten den Eltern, die Kinder gemäss den Empfehlungen des Zürcher Regierungsrates nach Möglichkeit zu Hause zu betreuen. So fehlten in den ersten zwei Monaten ein paar Kinder. Der Rückgang war aber nicht so markant. Bei uns sind viele Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen. Als Spital-Kita waren wir sehr nahe an Corona dran, viele Eltern unserer Kinder arbeiten selber im Triemlispital.

In der Kita tragen seit Corona alle Mitarbeitenden immer eine Maske. Wir essen auch nicht mehr mit den Kindern. Diese Massnahmen halten wir in der Kita Triemlispital seit Beginn der Pandemie ein. Auch haben wir mit den Kindern regelmässig Händewaschen geübt. Das Reinigen der Spielsachen nahmen wir sehr ernst, da die Übertragung noch unklar war: Die Legos zum Beispiel und im ‹Bäbi-Egge› das Spielzeugessen wuschen wir damals täglich.

Erstaunt, wie anpassungsfähig Kinder sind

Beim Mittagessen haben die Kleinen gefragt: Warum isst du nicht mit? Warum tragt ihr Masken? Wann kommen die anderen Gschpänli wieder? Die Kinder vermuteten, dass ihre Gschpänli wohl einfach in den Ferien seien. Wir haben immer wieder versucht, ihnen die Auswirkungen der Pandemie zu erklären.

Ich war einmal mehr sehr erstaunt, wie anpassungsfähig Kinder sind. Die Erfahrung im letzten Jahr hat mir gezeigt: Kinder können mit der Situation viel besser umgehen als viele Erwachsene. Wir waren besorgt, dass die Säuglinge mit Irritation auf die Masken reagieren würden. Aber sogar bei den Babys, bei denen viel über nonverbale Kommunikation läuft, hat kein Kind ‹gefremdelt› oder sich auffällig anders verhalten als sonst.

Es ist spannend, denn in der Berufsschule oder im Studium lernt man, wie wichtig Rituale und die Vorbereitung auf neue Situationen sind. Das Coronavirus hat uns aber das Gegenteil bewiesen. Rituale sind sicher wichtig, aber unter extremen Umständen geht es auch ohne.

Kinder wollten am Abend nicht heimgehen

Wir haben dann kurzfristig weitere, neue Kinder aufgenommen, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten, bei denen zum Beispiel die Grosseltern nicht mehr betreuen durften. Diese Kinder mussten wir innerhalb eines Tages eingewöhnen – normalerweise dauert die Eingewöhnungszeit drei Wochen. Wir hatten schon etwas Panik, wurden aber eines Besseren belehrt. Die Kinder haben sich so wohlgefühlt, dass sie am Abend nicht heimgehen wollten.

Corona hat uns auch erfinderisch gemacht. Weil wir aktuell nicht singen können, spiele ich zum Beispiel die Lieder auf dem Klavier, und die Kinder singen im Kopf mit. Das funktioniert recht gut.

Ein vor allem administratives Problem ist, dass sich Personal mit Symptomen immer sofort testen lassen muss. Das führt dazu, dass immer wieder Mitarbeitende ausfallen und wir auf Aushilfen zurückgreifen müssen. Bislang hatten wir noch keinen Corona-Fall.

Ich war froh, dass die Kita trotz grosser Umstellungen geöffnet blieb. Auch eine unserer Lernenden hat zu mir gesagt, sie sei stolz, in dieser Zeit hier zu arbeiten. Dieser Meinung kann ich mich nur anschliessen. Der Bundesrat hat Kitas als systemrelevant eingestuft, denn gerade in einer Pandemie ist es wichtig, dass zum Beispiel das Gesundheitspersonal seinen Beruf ausüben kann. Ich hoffe, die Wichtigkeit von Kitas geht aber auch nach der Pandemie nicht vergessen. Wie viele andere leisten auch wir einen Teil, damit das Ganze funktioniert.»

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