Der historische Singapur-Gipfel letzten Juni zwischen den USA und Nordkorea brachte einige Dilemmas mit sich: Wie begegnet man einem international isolierten, egomanischen, rücksichtslosen Autokraten? Soll man ihm überhaupt die Hand geben und ein Lächeln schenken? Diese Fragen musste Kim Jong-un erst mit sich klären, bevor er zum Treffen mit Donald Trump aufbrach.
Okay, das war eindeutig sarkastisch und wohl auch leicht zu durchschauen. Doch nicht immer ist diese bitterböse Ausdrucksform so einfach zu erkennen wie im obigen Beispiel. Schon im direkten Gespräch sind Sarkasmus oder weniger bissige Formen der Ironie je nach Gesprächspartner manchmal schwer auszumachen.
Immerhin haben wir im persönlichen Kontakt aber einige Indikatoren: «Wir erkennen Sarkasmus meistens an der Tonlage unseres Gegenübers», sagt Arbeits- und Organisationspsychologin Tabea Scheel. «Oft kommt noch ein überheblicher Gesichtsausdruck dazu, etwa durch hochgezogene Augenbrauen oder heruntergezogene Mundwinkel.» Scheel befasst sich am Deutschen Institut für Humor in Leipzig – ja, das gibt es wirklich – mit der Frage, wie Lachen den Berufsalltag positiv beeinflussen kann.
Im Text fehlen nonverbale Reize
«Im Geschriebenen haben wir dagegen keine nonverbalen Reize, wie etwa Gestik und Mimik, die uns bei der Einordnung helfen», sagt Scheel. «Ohne Ton fehlen uns zudem auch sogenannte paraverbale Reize, beispielsweise die Stimmhöhe oder das Sprechtempo. Deswegen tun wir uns in der Schriftsprache so schwer mit Sarkasmus.»
Um Sarkasmus zu verstehen, brauchen wir neben diesen Reizen aber auch einen Kontext. Wenn wir wissen, welche Absicht hinter einer Bemerkung steckt, fällt uns die Einordnung leichter. Denn der Einsatz von Sarkasmus kann verschiedene Gründe haben, erklärt Scheel: «Oft dient er dazu, sich auf Kosten anderer lustig zu machen oder Überlegenheit zu demonstrieren. Er wird auch benutzt, um deutlich eine Meinung zu vertreten, oder um sich ernsten Diskussionen zu entziehen und andere zu irritieren.»
Emojis zeigen Sarkasmus an
Im Chat unter Freunden oder auf sozialen Medien kann man Sarkasmus leicht durch passende Emojis oder Hashtags kennzeichnen. In gehobenerer Schriftsprache wirken diese allerdings unseriös. Wer dennoch Sarkasmus einstreuen möchte, sollte kreativ werden, um Missverständnissen vorzubeugen, denn feste Regeln gibt es keine. «Wir untersuchen gerade Tweets auf Humor und stellen fest, dass sich noch keine Norm durchgesetzt hat, um Sarkasmus kenntlich zu machen», sagt Scheel. «Wir müssen alle Tweets einzeln lesen und verstehen.»
Einen Schritt weiter ist da Iyad Rahwan, Professor für Medienwissenschaft am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA. Gemeinsam mit einem Kollegen hat er mit einem Algorithmus 1,2 Milliarden Tweets analysiert, die mindestens eines der 64 beliebtesten Emojis enthielten. Zunächst sollte das Programm die Verknüpfungen zwischen dem Text und den Emojis lernen, also welches Emoji am wahrscheinlichsten mit einem bestimmten Text benutzt wird.
Ursprünglich wollten die Forscher dadurch einen Algorithmus kreieren, der Hasskommentare und Rassismus im Netz erkennt. Doch schnell fiel ihnen auf, dass dies ohne ein Verständnis von Sarkasmus nicht möglich ist. Der Algorithmus namens Deepmoji basiert auf Deep Learning, einer Methode, bei der ein Computerprogramm ein dem menschlichen Gehirn nachempfundenes neuronales Netzwerk simuliert und mithilfe riesiger Datenmengen lernt, Muster zu erkennen. In diesem Fall erfasst das Programm den Zusammenhang zwischen bestimmten sprachlichen Mustern und den dazu verwendeten Emojis.
Algorithmus erkennt Sarkasmus besser als der Mensch
Zuerst brachten Rahwan und sein Kollege Bjarke Felbo dem Algorithmus bei, Emotionen in einer Nachricht zu erkennen, so dass er vorhersagen kann, welches Emoji am wahrscheinlichsten mit einem bestimmten Text verwendet wird. Im zweiten Schritt wurde das Programm mit einem bestehenden Datensatz aus sarkastischen Kommentaren gefüttert, um zu lernen, wie es diese erkennt. Das Ergebnis ist erstaunlich: Im Test schnitt der Algorithmus nicht nur deutlich besser ab als alle vorherigen Programme zur Bestimmung von Emotionen oder Haltungen in Texten, sondern setzte sich sogar gegen menschliche Probanden durch. Während die Testpersonen im Schnitt 76 Prozent der sarkastischen Textschnipsel korrekt identifizierten, lag die Trefferquote des Algorithmus bei 82 Prozent. Diese Überlegenheit der künstlichen Intelligenz lässt sich am ehesten mit dem riesigen Fundus an Informationen erklären, auf den das Netzwerk zugreifen kann. Auf einer Website kann jeder das Programm selbst testen – es liefert für den eingegebenen Text passende Emojis.
Video zu DeepMoji :
Solche Algorithmen, die Emotionen präzise zuordnen können, sind nicht nur zur Erkennung von Hasskommentaren sehr nützlich. Sie eröffnen auch der Marketing-Branche neue Möglichkeiten, zu ermitteln, welche Gefühle etwa eine bestimmte Marke oder Kampagne bei potenziellen Kunden hervorruft.
Allerdings: Der Schlüssel zum Erfolg des DeepMoji-Projekts ist laut Rahwan die Einbeziehung der Emojis. Ohne diese sei die Einordnung von Sarkasmus wie auch von anderen Emotionen wesentlich schwieriger und unpräziser, wie Versuche zeigen. Hat eine künstliche Intelligenz nur reinen Text zur Verfügung, ist sie auf ein umfassenderes Verständnis angewiesen.
«Ein solch fortgeschrittener Algorithmus müsste im Hintergrund eine laufende Parameterbildung durchführen, die beschreibt, wie positiv oder negativ der Ton ist», erklärt Willibald Ruch, Humorforscher an der Universität Zürich. Dazu braucht das Programm eine Datenbank mit unzähligen Begriffen, denen eine Wertigkeit zugeordnet ist, je nachdem, ob das jeweilige Wort positiv oder negativ besetzt ist. Diese Einordnung müsse dann in den Gesamtkontext eingebettet werden, sagt Ruch: «Man muss die Wertigkeit von Aussagen bestimmen und überprüfen, ob sie in Kontrast zum Inhalt stehen. Wenn sich hier eine grosse Abweichung ergibt, ist die Aussage höchstwahrscheinlich nicht ernst gemeint.»
Doch auch diese Methode habe Grenzen. Etwa wenn man postet «So ein schönes Wetter heute. Gut, dass ich Sonnencreme eingepackt habe», obwohl es draussen gerade stürmt. «Das kann ein Algorithmus ohne zusätzliche Informationen nicht einordnen», erklärt Ruch. «Hänge ich allerdings der Nachricht ein Bild an, wie dies auf sozialen Netzwerken ja meistens der Fall ist, kann eine ausgereifte künstliche Intelligenz den Widerspruch erkennen.»
Artificial Intelligence (AI) ist in aller Munde. Was kann künstliche Intelligenz heute? Was wird sie können? Wir sind neugierig, fürchten uns aber auch.
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Missverständnisse sind gewollt
Missverständnisse seien aber durchaus auch Teil des Kalküls und beim Einsatz von Sarkasmus oder Ironie gewollt, so der Humorforscher. Dass die wahre Botschaft eines Kommentars in der Schriftsprache deutlich schwerer zu erkennen ist, verdeutlicht das folgende Beispiel:
«Wenn ich beispielsweise Trump in einem Kommentar für seine ‘wie immer hervorragende Arbeit‘ loben würde, wäre meinen Bekannten und wohl auch den meisten Landsleuten klar, dass ich das Gegenteil meine», sagt Ruch. «Doch Leute ausserhalb dieses Zirkels der Eingeweihten, etwa seine Anhänger, könnten tatsächlich glauben, ich meine das ernst. Hier entsteht zusätzliche Komik, wenn seine Fans den entsprechenden Kommentar ebenfalls liken.»
Eine Doppeldeutigkeit, die so wohl nur in der Schriftsprache zustande kommen kann. Allgemein finde man in Foren oft Kommentare, die nur die Leute richtig verstehen, die dieselbe Sichtweise haben wie der Verfasser. Das sei auch ein Wesensmerkmal und das Gute am Humor, so Ruch, dass Aussagen nur von bestimmten Leuten verstanden werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist laut dem Humorforscher der kulturell sehr unterschiedliche Umgang mit Sarkasmus. Beispielsweise taucht in englischen Tageszeitungen häufig Ironie auf, wohingegen in Schweizer Medien in aller Regel faktisch berichtet wird. «Kommt dann doch mal Ironie ins Spiel, fällt es den Lesern schwer umzuschalten und sie zu erkennen. Nicht weil sie sie nicht verstehen, sondern weil sie sie nicht erwarten.»
Bei Computerprogrammen komme man daher nicht umhin, auch länderspezifische Normen mit einzubeziehen. Wenn man denselben Algorithmus in verschiedenen Ländern anwenden wolle, müsste man einen Parameter einbauen, wie wahrscheinlich überhaupt das Auftreten von Ironie oder Sarkasmus ist.
Sarkasmus nur mit Bedacht verwenden
Je intelligenter Maschinen werden, desto wichtiger wird die Fähigkeit, bei der Interaktion mit dem Menschen auch Emotionen wahrnehmen zu können. So futuristisch es heute klingt – schon in absehbarer Zeit werden Roboter ganz selbstverständlich Seite an Seite mit Menschen arbeiten und dabei erkennen müssen, ob ihre Kollegen aus Fleisch und Blut gerade schlecht drauf sind und ein Lob sarkastisch gemeint haben.
Doch während es Maschinen noch auf lange Zeit egal sein dürfte, wie man emotional mit ihnen umgeht, kann falsch platzierter Sarkasmus im menschlichen Miteinander kontraproduktiv sein. Humorforscherin Tabea Scheel empfiehlt daher, es im schriftlichen wie auch im persönlichen Umgang mit dem Einsatz nicht zu übertreiben: «Wenn er sich auf Situationen bezieht, kann Sarkasmus sicherlich mal als kurzfristige Lösung geeignet sein, um Distanz zu gewinnen. Er ist dann eine Bewältigungsform, wenn sonst nichts hilft und wir die Lage nicht ändern können, etwa bei einem Flugausfall.» Doch wenn Sarkasmus gegen Personen gerichtet ist, rät die Psychologin zu grosser Vorsicht. «Hier kann er zwischenmenschliche Beziehungen zerstören, Umgangsnormen verschieben und das Teamklima kippen. Da reicht es auch schon, wenn ein einzelner im Büro bösartige Sprüche bringt.»
Was kann künstliche Intelligenz heute? Was wird sie können? Wir sind neugierig, fürchten uns aber auch.
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