Darum gehts
Affären am Arbeitsplatz gehören zu den häufigsten Formen des Seitensprungs. Die Nähe im Alltag und das geteilte berufliche Umfeld machen das Büro zu einem Nährboden für emotionale und körperliche Verwicklungen. Und auch der Reiz des Verbotenen gehört zum Spiel. Ein guter Teil derjenigen, die sich in eine Affäre im Büro verstricken, sind nämlich anderweitig liiert.
Genau wie der ehemalige Astronomer-CEO Andy Byron und seine HR-Chefin , die wohl gerade den Titel des bekanntesten Büro-Affären-Paars für sich beanspruchen können. Dies, nachdem ein Kiss-Cam-Video der beiden an einem Coldplay-Konzert viral gegangen war. Byron kostete es seinen Job, vielleicht auch seine Ehe. Und auch Cabot wird kaum unbeschadet aus der Affäre rauskommen.
Warum gehen so viele Menschen dieses Risiko ein? Wer ist besonders gefährdet, sich in eine solche Liaison zu verstricken? Und was, wenn aus der heimlichen Affäre plötzlich ein offenes Geheimnis wird – wenn auch nicht gerade im Byron-Cabot-Ausmass?
Martina Rissi, Paartherapeutin mit eigener Liebesagentur, kennt die Antworten.
Blick: Warum sind Affären am Arbeitsplatz so verlockend?
Martina Rissi: Im Büro erlebt man Nähe, aber auch Spannung, und man teilt Erfolge. Man sieht sich täglich, erlebt sich in Kompetenz und Krisen. Das kann das Bindungssystem aktivieren. Hinzu kommt ein absoluter Bonuspunkt in der heutigen Zeit: Berufliche Beziehungen entstehen ohne das aktive «Suchen», beispielsweise über Plattformen. Man rutscht hinein. Oft beginnen Affären ganz harmlos mit geteiltem Humor – oder Stress.
Wer rutscht am ehesten in eine solche Affäre?
Studien, zum Beispiel von Society for Human Resource Management, zeigen: Etwa 40 Prozent der Angestellten sollen schon einmal eine Affäre oder Romanze am Arbeitsplatz gehabt haben. Tatsächlich seien es häufiger liierte Personen, Menschen in langen Beziehungen oder Ehen, die emotionale oder erotische Lücken spüren.
Suchen diese nicht auch den Reiz des Verbotenen?
Absolut. Die Nähe trotz Distanz, das geteilte Geheimnis … Diese Dinge können wie ein psychologisches Aphrodisiakum wirken. Man lebt im Alltag zwei Parallelwelten: die professionelle Fassade versus die geheime Leidenschaft. Das kribbelt!
Wie kommt man möglichst unbeschadet aus einer solchen Affäre heraus?
Ein besonders hohes Eskalationspotenzial birgt die Situation, wenn sich jemand verliebt und der oder die andere nicht – besonders, wenn Machtverhältnisse oder emotionale Abhängigkeit im Spiel sind. Dann besteht die Gefahr, dass jemand dem oder der anderen im Schmerz mittels Information an den Ehepartner eins auswischen will. Wichtig ist: klare, respektvolle Kommunikation. Idealerweise schon beim Start der Affäre. Danach keine schleichenden Rückzüge, sondern ein ehrliches Abschlussgespräch, wenn möglich im geschützten Rahmen. Je nach Herzschmerz kann auch eine interne Versetzung helfen, Abstand zu gewinnen.
In den USA ist gerade eine Arbeitsplatz-Affäre viral gegangen, bei der er ihr Vorgesetzter ist.
Heikel. Auch bei uns gilt: Wer in einer hierarchischen Beziehung eine Beziehung eingeht, riskiert arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Warum lassen sich Vorgesetzte eigentlich immer wieder auf Affären mit Untergebenen ein?
Es gibt Studien, die sagen, erfolgreiche Männer suchten sich sowohl für Liebeleien als auch für feste Beziehungen gerne Frauen unter ihrer Anstellungsstufe. Grundsätzlich können Hierarchien – oft unbewusst – für erotische Fantasien, die mit Kontrolle, Bewunderung und Grenzspiel zu tun haben, sorgen. Viele Führungskräfte sind sehr einsam an der Spitze, erhalten wenig ehrliches Feedback. Wenn eine Untergebene echtes Interesse und Bewunderung zeigt, erleben sie sich begehrt. Wer als Kind wenig Nähe erlebt hat, kann besonders anfällig sein für diese Sorte von Aufmerksamkeit.
Sollen Liierte ihre Affäre am Arbeitsplatz daheim beichten?
Vielleicht einer der schwierigsten Fragen überhaupt, wo auch die Expertenmeinungen auseinandergehen. Einige sagen, wenn es sich um einen einmaligen Ausrutscher handelt, der klar abgeschlossen ist, könne es heilsamer für die Beziehung sein, das Schweigen zu wählen. Wenn jedoch Gefühle im Spiel sind oder waren, werde das Verdrängen meist zur Zeitbombe. Meine persönliche Meinung ist: Nichts passiert grundlos. Offenbar scheint in der bestehenden Beziehung etwas zu fehlen. Ob beichten oder nicht – sehr genau bei sich selber hinschauen, um die Beweggründe zu eruieren und nötige Veränderungsschritte einzuleiten, lohnt sich auf jeden Fall.
Wie soll man reagieren, wenn man erwischt wird?
Idealerweise nicht wegrennen … Im Ernst: Jetzt ist es am Licht. Verleugnen bringt nichts und würde nur lächerlich wirken. Klar kann man sagen, «das ist privat». Aber in dem Moment, in dem die Affäre bekannt ist, ist es an der Zeit, alles, was mit ihr zusammenhängt, zu klären – privat wie auch beruflich.
Gibt es Regeln für Liebschaften am Arbeitsplatz?
Firmen haben nicht selten Verhaltenscodes, manche verbieten Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden. Ich finde Offenheit, Klarheit und Selbstverantwortung das A und O. Sollte die Affäre zum Risiko für Teamklima, Professionalität oder dem eigenen beruflichen Werdegang werden, ist die Grenze erreicht.