Kiss-Cam-Skandal beim Coldplay-Konzert – wer in den USA fremdgeht, muss auch mit der Entlassung rechnen
Warum Andy Byron lieber Franzose wäre

Die Firma Astronomer fackelte nicht lange: Kurz nach dem Aufliegen der Liebesaffäre ihres CEOs Andy Byron warf sie ihn raus. Warum die Amerikaner Berufs- und Privatleben so eng miteinander verknüpfen, hat seine besonderen Gründe.
Publiziert: 18:00 Uhr
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Aktualisiert: 18:33 Uhr
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Das Bild ging um die Welt: Andy Byron und Kristin Cabot werden von der Kiss-Cam erwischt.
Foto: IMAGO/Bestimage

Darum gehts

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Guido FelderAusland-Redaktor

Einige Sekunden im Rampenlicht, und aus war es für den mehrere Millionen schweren CEO von Astronomer, Andy Byron (50). Die Kiss-Cam, die ihn am Konzert der britischen Band Coldplay in Boston eng umschlungen mit der HR-Chefin erwischt hat, sorgt nicht nur zu Hause bei seiner Ehefrau für Feuer im Dach, sondern bringt ihn auch beruflich zu Fall. Er musste seinen Job umgehend an den Nagel hängen.

Warum eigentlich? In der Wertvorstellung der Amerikaner sind Geschäfts- und Privatleben eng miteinander verknüpft. Das hat sich auch bei anderen Prominenten gezeigt. Ganz anders in Frankreich, dem Land der Liebe, wo Fremdgehen historisch bedingt als Kavaliersdelikt gilt und selten Konsequenzen für einen Amtsträger hat. Wie hätten die Franzosen auf eine Byron-Affäre reagiert?

Das kurze Video, das für Byron und seine Personalchefin Kristin Cabot (52) eine gefühlte Ewigkeit dauern muss, hat sich um die ganze Welt verbreitet. Viele Pärchen, ob fix zusammen oder nicht, spielen die Szene nach und stellen das Video ins Netz. Der Spott ist gross.

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Der ehemalige französische Präsident François Hollande heiratete später seine Affäre Julie Gayet.
Foto: IMAGO/ABACAPRESS

Byron in bester Gesellschaft

Gross ist auch der Schaden, den Byron mit seiner Affäre anrichtet und selber auch erleidet. Der Lohn ist weg, der Ruf ruiniert. Ob er mit einer Klage gegen Coldplay oder den Veranstalter durchkommen würde, ist nicht sicher, denn Konzerte gelten als öffentlicher Raum. 

Byron ist in den USA nicht alleine. Auch Intel-Chef Brian Krzanich (65) und McDonald's-Chef Steve Easterbrook (58) verloren ihre Jobs, weil sie mit Mitarbeiterinnen eine Beziehung unterhielten. Und man erinnert sich an Bill Clinton (78): Als der Blowjob im Oval Office mit Praktikantin Monica Lewinsky (51) aufflog, erschütterte es die politischen Kreise und führte zu einem Amtsenthebungsverfahren, das den US-Präsidenten beinahe das Amt gekostet hätte. 

Gelassene Franzosen

Interessant ist die Frage, warum für die Amerikaner Berufs- und Privatleben so nahe miteinander verknüpft sind – ganz anders als etwa in Frankreich, wo man in der Öffentlichkeit mit Affären von Prominenten toleranter umgeht. Als der verheiratete Staatspräsident François Hollande (70) mit der Schauspielerin Julie Gayet (53) erwischt wurde, gab es zwar Diskussionen, aber keine politischen Konsequenzen. Präsident Nicolas Sarkozys (70) schneller Auftritt mit Topmodel und Sängerin Carla Bruni (57) nach seiner Scheidung löste Spekulationen darüber aus, ob die beiden schon während der Ehe ein Verhältnis hatten. Mehr als ein Blätterrauschen gab es aber nicht.

Die USA, wo es viele sehr fromme Christen gibt, haben ein Gesellschaftsbild, das traditionell stärker von protestantischer Ethik und Tugend geprägt ist. Ein Fehlverhalten im Privatleben wird oft als Untauglichkeit auch auf beruflicher Ebene angesehen.

Trump macht auf Harmonie

In vielen US-Firmen gelten strengere Regeln als in europäischen: Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern sind klar geregelt und sogar oft verboten. Damit will man Machtmissbrauch und Interessenskonflikte ausschliessen. Kommt dazu, dass mögliche Vorwürfe wegen Abhängigkeit, Diskriminierung oder Belästigung schnell zu Klagen mit sehr teuren Folgen führen können. Fliegen Affären von Promis auf, sind die US-Medien besonders schnell zur Stelle, was Firmenleitungen bei den fehlbaren Angestellten zum rigorosen Durchgreifen zwingt.

Dessen scheint sich auch Donald Trump (79) bewusst zu sein, seit er Präsident ist. Vor Jahren leistete er sich viele moralische Fehltritte: Er betrog Melania (55) mit dem Pornostar Stormy Daniels (46), machte despektierliche Aussagen wie «grab 'em by the pussy» und mischte möglicherweise im Netzwerk des Sexualstraftäters Jeffrey Epstein (†66) mit. Heute machen er und seine First Lady auf harmonische Ehe.

Schon die alten Könige gingen fremd

Bei den Franzosen geht die Gelassenheit auf Könige und Schriftsteller zurück, die öffentlich Affären unterhielten und diese auch thematisierten. Auch hat die strikte Trennung von Staat und Kirche dazu geführt, dass moralische Vorstellungen offener gehandhabt werden. So ist den Franzosen – auch vielen Medien – «la vie privée» von Promis heilig, solange keine Straftaten vorliegen oder die Amtsführung nicht darunter leidet.

In «Madame Bovary» schrieb Gustave Flaubert (1821–1880) über den Ausbruch von Emma aus dem engen Eheleben. Die Philosophin Simone de Beauvoir (1908–1986) hielt im Werk «Das andere Geschlecht» fest: «Heiraten ist eine Pflicht, einen Liebhaber nehmen ein Luxus.» Und François Hollande bekräftigte nach dem Auffliegen seiner Affäre die französische Formel: «Private Angelegenheiten werden privat geregelt.» 

Andy Byron hätte als CEO einer französischen Firma in Frankreich ebenfalls für Schlagzeilen gesorgt, wäre aber wohl am anderen Tag unter verschmitztem Lachen seiner Mitarbeiter an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt. Ein anderes Thema allerdings ist, was eine solche Affäre bei einer französischen Ehefrau ausgelöst hätte. Denn im Umgang mit Hintergehung und Eifersucht dürften sich betrogene Französinnen kaum von Amerikanerinnen unterscheiden.

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