Darum gehts
- Frauen zeigen Beziehungen weniger in sozialen Medien. Selbstständigkeit wichtiger als Partnerschaften
- Viele Frauen distanzieren sich vom klassischen 'Boyfriend-Girl'-Image
- Studien zeigen: Single-Frauen sind oft zufriedener mit ihrem Leben als Männer
Früher war es ein gesellschaftliches Statussymbol, «einen Freund» zu haben. Heute gilt das offenbar als verdächtig bürgerlich – oder, wie eine Kommentatorin es formuliert: «fast republikanisch». In sozialen Medien zeigen viele Frauen ihre Beziehung höchstens noch andeutungsweise: eine Hand auf einem Weinglas, ein Schatten, ein Rücken im Sonnenuntergang. Der Rest bleibt privat. Auch hierzulande zeigen viele junge Frauen ihr Liebesleben online nur noch gefiltert – wenn überhaupt.
Zu lesen in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift «Vogue»
Joseph Chanté (29) ist Autorin, preisgekrönte Podcast-Moderatorin und Digital-Content-Produzentin. Sie beschreibt in der aktuellen Vogue-Ausgabe vom November 2025, dass viele Frauen das ganz bewusst so halten. Nicht, weil sie sich schämen, sondern weil sie sich nicht mehr über ihre Beziehung definieren wollen. Selbstständigkeit, Freundschaft und Zufriedenheit gelten längst als die wichtigeren Lebensziele.
«Eine Partnerschaft zu haben, bestätigt nicht mehr deine Weiblichkeit», schreibt Chanté Joseph. «Es wird nicht mehr als Erfolg angesehen, sondern eher als eine Art Prestige, sich als Single zu bezeichnen.»
Die neue Uncoolness des «Boyfriend-Girls»
Was früher das Nonplusultra war – der Beziehungs-Content, das Pärli-Selfie, die Couple-Challenges, das obligatorische Küssli beim Anstossen – wirkt heute fast schon 'cringe', also merkwürdig. Viele Frauen wollen zeigen: Ich bin nicht von einem Mann abhängig, ich bin mein eigener Mittelpunkt.
Selbst Frauen, die in einer Beziehung leben, distanzieren sich laut Vogue zunehmend vom klassischen «Boyfriend-Girl»-Image – also der Frau, deren Identität sich um den Partner dreht und die ihr vollkommenes Glück in ihrer Partnerschaft sehen.
Einen Mann zu haben, ist kein Prestigefrage mehr
Lange galt eine Partnerschaft als Zeichen von Erfolg – heute ist es fast umgekehrt. In einer Zeit, in der Frauen beruflich und finanziell unabhängiger sind, wirkt die Selbstdefinition über einen Mann altmodisch.
«Eine Partnerschaft bestätigt nicht mehr deine Weiblichkeit», schreibt Joseph. «Es gilt mittlerweile als Prestige, sich als Single zu bezeichnen.»
Denn Single sein, bedeutet Kontrolle, Freiheit – und manchmal schlicht weniger Arbeit. Denn Studien zeigen seit Jahren, dass Frauen in Beziehungen mehr Care-Arbeit leisten, mehr planen, mehr tragen. Viele ziehen daraus den logischen Schluss: Alleinsein ist Luxus.
Der Gedanke dahinter
Romantische Liebe ist nicht mehr die höchste Währung weiblicher Erfüllung. Eine Beziehung zu haben, gilt nicht mehr als Leistung – im Gegenteil, manche sehen sie als potenzielle Schwachstelle.
«Ich poste ihn nicht, weil er nicht mein Erfolg ist»
Viele junge Frauen auf Tiktok sagen offen, dass sie ihren Partner nicht zeigen, weil sie keine Lust haben, nach einer Trennung alle Bilder löschen zu müssen – oder, wie eine Userin treffend sagt: «Ich poste ihn nicht, weil er nicht mein Erfolg ist.»
Dazu kommt ein gewisser Aberglaube: Wer sein Glück zu offensichtlich präsentiert, riskiert angeblich den «Evil Eye»-Effekt – also Neid und Unglück.
Studien bestätigen: Single-Frauen sind zufriedener
Der Gedanke, dass Single-Frauen glücklicher sind, wird auch wissenschaftlich gestützt. Studien aus Kanada und Grossbritannien zeigen, dass Frauen ohne Partner oft zufriedener mit ihrem Leben sind als Männer – sie pflegen engere Freundschaften, sind sozial besser eingebettet und erleben weniger psychische Belastung.
Während Männer in Beziehungen statistisch gesehen profitieren – etwa gesundheitlich und finanziell –, übernehmen Frauen häufig mehr emotionale und häusliche Arbeit. Kein Wunder also, dass viele sagen: «Allein sein ist einfacher als doppelt arbeiten.»
Zwischen Unabhängigkeit und Überdruss
Natürlich heisst das nicht, dass Liebe passé ist. Aber sie ist heute weniger Mittelpunkt als Zusatz. Beziehungen gelten nicht mehr als Ausweis gesellschaftlichen Erfolgs – eher als Option.
Und während manche Tiktokerinnen den Vogue-Artikel als «übertrieben» oder gar «anti-romantisch» kritisieren, sehen andere darin eine längst fällige Realität: Frauen sind auch ohne Beziehung glücklich, stolz, vollkommen und komplett.
«Warum fühlt es sich heutzutage fast konservativ an, einen Freund zu haben?», fragt ein viraler Kommentar, den Joseph zitiert. Die Antwort: Weil Beziehungen plötzlich wie ein Rückschritt wirken – in einer Kultur, die Unabhängigkeit feiert.
Oder, wie eine Nutzerin es zusammenfasst: «Es geht nicht darum, keinen Freund zu haben – sondern darum, nicht über ihn zu leben.»
Was denkst du über diese Aussagen von Chanté Joseph? Schreib es uns hier!