Darum gehts
Eigentlich wollte ich nur meine High Heels loswerden. Jimmy Choos, glitzernde Designerteile, die neu über 600 Franken kosten. In den letzten drei Jahren habe ich sie genau ein einziges Mal getragen: Acht Zentimeter Absatzhöhe, das ist mir zu anstrengend. Ich lade Bilder auf dem Marketplace auf Facebook hoch: Für 150 Franken würde ich sie hergeben, auch für weniger. Die Nachrichten lassen nicht lange auf sich warten. Aber statt interessierter Frauen melden sich Männer – mit Fussfantasien! «Footjob?», fragt einer. «Hey, schöne Schuhe!», schreibt der nächste. Andere fragen: «Würden Sie weitere Bilder machen von Ihren Füssen?»
Angelockt werden die Schreiber nicht von den Schuhen allein, sondern von den Füssen. Offenbar ein Fetischmagnet. Ein Typ fragt, ob ich ihm getragene Nylons verkaufe, hautfarben, glänzend. Aus Neugier schreibe ich zurück, und der Fussfan reagiert umgehend: «Ich bezahle meistens 35 Franken pro Stück, wenns 1 Tag ist.» Offensichtlich kauft er öfters gebrauchte Strümpfe, einen Tag getragen. Was er wohl damit macht? Ich stelle es mir lieber nicht vor.
Fussfetisch ist weit verbreitet
Der Fussfetisch ist mit 47 Prozent der am weitesten verbreitete sexuelle Fetisch überhaupt – vor allem unter Männern. Studien zufolge beziehen sich rund zwei Drittel aller Onlinefetischinhalte auf Füsse. Die Vorliebe für Frauenfüsse findet sich aber nicht nur in Onlineforen, sondern auch auf der Kinoleinwand: Kultregisseur Quentin Tarantino inszenierte sein Faible mehrfach. Legendär ist die Szene in «From Dusk Till Dawn» (1996), in der Tarantino einen Gangster spielt. Salma Hayek (58) tanzt über ihm, legt ihm den Fuss auf die Brust und lässt ihn schliesslich an ihren Zehen nuckeln. In «Pulp Fiction» (1994) wird minutenlang ausführlich darüber diskutiert, ob Fussmassagen erotisch sind. In «Kill Bill» (2003) ist die Kamera minutenlang auf die Füsse von Darstellerin Uma Thurman (55) gerichtet. Nackte Füsse in Nahaufnahme sieht man wiederholt auch in «Grindhouse: Death Proof» (2007). In einem Interview mit «GQ» von 2003 sagte der Regisseur: «Ja, ich stehe auf Frauenfüsse. Na und? Viele Männer tun das.»
Was steckt hinter dieser Vorliebe? Sexologin Amelie Boehm erklärt, dass ein Fussfetisch im Grunde wie jeder andere Fetisch entsteht: «Irgendwann, meist in der Kindheit, verknüpft sich ein Moment von Aufregung – vielleicht durch Erschrecken, Freude oder Nervosität – mit dem Gefühl der Erregung. Ab dann nimmt man dieses Objekt immer wieder in den Fantasien auf.» So verfestigt sich die Verbindung zwischen Fuss und Lust. Manche Betroffene brauchen den Fetisch zwingend, um Erregung oder Orgasmus zu erreichen. Andere können ihn einfach als zusätzliche Spielart in ihre Sexualität einbauen. Insbesondere wenn es um Dominanz und Unterwerfung geht: «Wenn etwa die Füsse angebetet, geküsst oder massiert werden, kann das auch ein Machtspiel sein.»
Im Gehirn: Intimbereich und Füsse
Eine mögliche Erklärung liefert auch die Neurowissenschaft. Der Forscher Vilayanur S. Ramachandran zeigte, dass im Gehirn die Bereiche für Genitalien und Füsse direkt nebeneinanderliegen. Dadurch kann es zu einer Art Überschneidung kommen – so kann sich das Berühren der Füsse im Gehirn beinahe so anfühlen wie im intimen Bereich.
Dass Inserate wie meines oft unerwünschte Reaktionen hervorrufen, scheint weit verbreitet zu sein. Eine Arbeitskollegin erzählt: «Sobald man auf Social Media auch nur ein bisschen Fuss zeigt, melden sich Männer mit ihren Vorlieben.» Ein Phänomen, das auch Sexologin Boehm kennt. Denn die Fussliebhaber scheinen besonders aktiv zu sein. «Ich weiss nicht, warum Menschen mit einem Fussfetisch sich erdreisten, fremde Personen ungefragt mit ihren grenzüberschreitenden Anfragen zu belästigen. Das ist nicht in Ordnung», sagt sie.
Trotzdem geht davon laut Boehm in der Regel keine Gefahr aus. Auch wenn Krimis oder Filme gerne einen Fetisch als Erklärung für Abgründe heranziehen: «Ein Fetisch macht einen Menschen nicht automatisch komisch», sagt Boehm.
Mein Inserat habe ich inzwischen gelöscht. Zwar zeigte zuletzt tatsächlich jemand Kaufinteresse, doch er war mir suspekt. Er forderte dringlichst mehr Bilder: Meine Füsse im Schuh, von vorne und hinten. Lieber nicht. Die Schuhe werde ich irgendwann verschenken – an eine Frau, die Gelegenheit und Lust hat, mit Glitzer-Heels auszugehen.