Darum gehts
Steht für ein Mädchen der erste Besuch in einer gynäkologischen Praxis an, möchten viele Mütter ihre Töchter gut vorbereiten und erzählen ihnen, wie eine typische Jahreskontrolle abläuft. «Das kann allerdings Scham oder Unsicherheiten auslösen», sagt Anna Fischer (42), Fachärztin für Gynäkologie mit Spezialisierung auf Jugendsprechstunden. «Die Erstkonsultation bei Jugendlichen ist meist ein Gespräch. Niemand muss sich ausziehen oder auf dem gynäkologischen Stuhl untersucht werden. Es geht vielmehr um ein Kennenlernen und den Austausch über Themen, die beschäftigen.»
Ein Brustcheck oder eine Untersuchung des Unterleibs sind nur in Ausnahmefällen nötig – etwa wenn die Überweisung genau deswegen erfolgt. Auch dann findet Letzteres bei jungen Mädchen nicht transvaginal statt. «Wenn überhaupt, machen wir einen Ultraschall über die Bauchdecke – aber nur bei konkreten Beschwerden», sagt Fischer.
Wann macht eine Kontrolle in der Jugendgynäkologie Sinn?
Die reguläre jährliche Vorsorge mit Krebsabstrich wird in der Schweiz erst ab dem 21. Altersjahr empfohlen. Dennoch werden Mädchen oft schon vorher in einer gynäkologischen Praxis vorstellig. Der häufigste Grund sind starke Menstruationsbeschwerden – Schmerzen oder sehr unregelmässige Blutungen. «Dass solche Beschwerden bei jungen Frauen häufiger vorkommen, ist normal. Aber manche Mädchen leiden so stark, dass sie erbrechen oder tagelang bettlägerig sind. Dann sollte man nicht zu lange zuwarten, sondern sich rasch Hilfe holen», so Fischer.
Eine erste Massnahme sei eine gut abgestimmte Schmerztherapie – regelmässig über zwei bis drei Tage hinweg, anstatt nur einmalig, wenn die Krämpfe schon kaum mehr auszuhalten sind. «So lassen sich Schmerzspitzen vermeiden, und man braucht letztlich eine geringere Dosierung, um die Beschwerden in Schach zu halten.»
Auch eine hormonelle Behandlung, zum Beispiel mit der Pille, kann helfen, den Zyklus und die damit verbundenen Symptome zu regulieren.
Gut vorbereitet in die Sprechstunde
Weitere häufige Gründe für einen Termin vor dem 21. Lebensjahr sind Verhütungsberatung oder Beschwerden beim Geschlechtsverkehr.
Ganz unabhängig vom Anlass gilt: Vorbereitung hilft. «Ich empfehle, dass Jugendliche sich im Vorfeld überlegen, was sie wissen möchten, und ihre Fragen notieren. Es gibt keine Tabus», erklärt Fischer.
Sie stellt fest, dass Jugendliche heute meist aufgeklärt, interessiert und offen sind – auch im Austausch mit den Eltern. «Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede. Aber gerade in Zürich stellen junge Frauen sehr detaillierte Fragen zu Sexualität, Tampons oder Infektionen. Oft ganz ohne Scham.»
Die Eltern reden nicht immer mit
Die Begleitung durch einen Elternteil – meist die Mutter – findet Fischer unterstützend. «Vor allem bei Mädchen unter 16 Jahren ist das empfehlenswert.» Gleichzeitig sei es wichtig, dass Jugendliche auch ohne Eltern persönliche Themen ansprechen dürfen. In Fischers Praxis ist es üblich, dass die Mutter zu Beginn des Gesprächs dabei ist und später den Raum verlässt. «So entsteht ein geschützter Rahmen, in dem auch sensible Fragen ihren Platz haben – etwa zu Verhütung, Sexualität oder dem Jungfernhäutchen.»
Ab ungefähr 16 Jahren gelten Jugendliche als einwilligungsfähig, wenn es um medizinische Entscheidungen geht. «Man muss im Einzelfall abschätzen, ob ein Mädchen die Aufklärung über Risiken versteht, etwa bei der Verschreibung der Antibabypille. Wenn wir merken, dass sie das gut einordnen kann, unterstützen wir lieber eine sichere Verhütung ohne Einbezug der Eltern, als eine ungewollte Schwangerschaft zu riskieren.»
Krebsvorsorge: So früh wie möglich
Zur guten Vorbereitung auf ein Erstgespräch gehört auch ein Zyklustracking. Bei regelmässigen Monatsblutungen reicht es, den ersten Tag der letzten Periode zu kennen. «Bei unregelmässiger Blutung ist es sinnvoll, mehrere Zyklen zu dokumentieren», sagt Fischer.
Ein Thema, das in der Jugendgynäkologie früh zur Sprache kommt, ist die HPV-Impfung. «Sie schützt vor bestimmten Papillomaviren, die langfristig Gebärmutterhalskrebs oder Genitalwarzen verursachen können, und sollte idealerweise vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgen», erklärt Fischer. Denn selbst Kondome bieten keinen vollständigen Schutz: Die Viren können bereits durch Hautkontakt oder über die Finger übertragen werden. Die Impfung wird meist beim Kinderarzt oder im Rahmen von Schulprogrammen angeboten, kann aber auch jederzeit in der gynäkologischen Sprechstunde erfolgen.