Fit oder fett
Am Bauch, Becken oder Bein?

Dicke Menschen leben länger. Vorausgesetzt, sie tragen den Speck am richtigen Fleck – also nicht am Bauch.
Publiziert: 21.03.2014 um 14:53 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2018 um 02:10 Uhr
Ein dicker Bauch ist nicht immer schlecht Weder bei der Kuh noch beim Mann
Foto: Sabine Haupt/plainpicture

Zunächst müssen wir mit einem alten Vorurteil aufräumen: Ein schlanker Körper ist keine Garantie für ein langes Leben. Vor allem bei einem Herzinfarkt wirkt ein Fettpolster oft so lebensrettend wie ein Airbag bei einem Autounfall. Herzpatienten mit einem BMI von 30 bis 35 (97 bis 113 Kilo bei 1,80 Meter) etwa haben eine höhere Lebenserwartung als Normalgewichtige. Und dicke Dialysepatienten leben im Schnitt deutlich länger.

Der Lübecker Hirnforscher Professor Achim Peters hat sich ein ganzes Berufsleben lang mit der Frage beschäftigt, warum wir wo Gewicht ansetzen. Gemäss seiner «selfish Brain Theory» steht das Hirn in der Hierarchie aller Organe ganz oben. Beim Fasten beispielsweise verliert es zuletzt an Gewicht. Bei der Energieversorgung bedient sich das Gehirn zuerst. Es ist selbstsüchtig, englisch «selfish». Sein Bedarf an Glukose hat Vorrang vor den Bedürfnissen aller anderen Organe oder Muskeln. Bei Stress benötigt das Hirn deutlich mehr Energie. Um diese zu mobilisieren, befiehlt es der Nebenniere, das Hormon Kortisol auszuschütten und so die Glycogenreserven in Muskeln und Leber abzubauen.

Bauch oder Hüfte

Wenn nun aber der Stresspegel dauernd ein gewisses Niveau überschreitet, baut sich das Hirn ein Not-Energiesystem auf. Es hat dazu zwei Möglichkeiten: Beim Typ A legt es sich relativ kleine, aber schnell verfügbare Reserven in den Eingeweiden an, nicht zuletzt in der Leber. Es bildet sich eine so genannte Fettleber, auch andere Bauchorgane verfetten. Typ A neigt also zu einem Bäuchlein, wird aber wegen des dauerhaft erhöhten Kortisol-Spiegels nicht durchgehend dick. Er oder sie hat die Figur eines Apfels.

Beim Typus B schont das Hirn die Nebennieren, indem es die Kortisol-­Produktion auf relativ niedrigen Touren nur wenig schwanken lässt. Gleichzeitig sorgt es aber für externen Energienachschub, indem es die Magenschleimhaut und die Bauchspeicheldrüse veranlasst, das Hungerhormon Ghrelin zu produzieren. Werden die zusätzlichen Kalorien nicht verbrannt, lagern sie sich im Fettgewebe der Hüften, Schenkel und Ober­arme ab. Das ergibt dann die Birnen-Figur.

Peters liess Testpersonen unter psychologischem Druck knifflige Rechenaufgaben lösen. Dann wurden die Kortisolwerte gemessen. Ergebnis: Bei den übergewichtigen Probanden des B-Typus wuchsen die Werte deutlich langsamer an. Bei den Testpersonen, die unmittelbar nach dem Test ihren Hunger stillten und ausreichend assen, sanken die Werte relativ schnell auf den normalen Pegel zurück. Gab es nichts zu essen, blieb der Kortisolspiegel noch lange oben. Diese Probanden verbrauchten dadurch zwar mehr Kalorien, aber der hohe Kortisolspiegel wirkt wie eine permanente Entzündung.

Hungerkuren bringen nichts

Heisst das nun, dass wir gar nicht auf unser Gewicht achten, weil das Hirn eh alles besser weiss? Für Peters ist klar: Hungerkuren bringen nichts – sie sind schädlich, weil wir dadurch den Kortisol-Spiegel erhöhen und Raubbau am Körper treiben. Die praktische Erfahrung gibt ihm recht: 95 Prozent aller «Diäten» sind erfolglos. Dem Essbefehl des Gehirns widerstehen nur ganz wenige.

Viel intelligenter ist es, nicht gegen, sondern mit dem Gehirn zu arbeiten und ihm beim Abbau von Stress zu helfen, beispielsweise, indem man regelmässig meditiert oder den Gegner mal gewinnen lässt. Für den A-Typ ist der Abbau von Stress die weitaus beste Strategie. Die B- oder Birnen-Typen können zudem dem Hungergefühl ein Schnippchen schlagen, indem sie gut kauen und langsam essen und möglichst auf Zucker und Teigwaren verzichten.

Doch dabei darf man sich von Rückfällen nicht stressen lassen. Unser selbstsüchtiges Gehirn hält gerne an alten Gewohnheiten fest und lässt sich nicht kampflos umerziehen.

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