5 Mythen auf dem Prüfstand
Erhöht eine Sexpause das Risiko für Erektionsstörungen?

Laut internationalen Studien haben Menschen immer öfter über Monate oder gar Jahre keinen Sex. Und darum ranken sich viele Mythen: Nimmt die Libido ab? Verengt sich tatsächlich die Scheide? Ein Sexualmediziner erklärt: Nicht alle sind aus der Luft gegriffen.
Publiziert: 11:16 Uhr
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Aktualisiert: 11:59 Uhr
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Wenn Sex zur Nebensache wird, fragen sich viele Paare: Stimmt etwas nicht mit uns?
Foto: Getty Images/Westend61

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Jana GigerRedaktorin Service

Er lebt seine BDSM-Fantasien nur im Kopf aus, wenn er mit seiner Partnerin schläft. Eine Zeit lang funktioniert es. Doch wie in seinen bisherigen Beziehungen kämpft er irgendwann mit Erektionsstörungen. Das Paar, um das es hier geht, ist bei Sexualmediziner Gideon Sartorius in der Beratung. Erst in den Gesprächen stellte sich heraus, dass die unerfüllten Fantasien des Mannes die Paarsexualität verändert haben, weil sie in der Beziehung als Tabu galten.

Manche Paare haben in solchen Fällen keinen Sex mehr. Unausgesprochene Fantasien sind nur ein Grund, die zu Sexlosigkeit führen können. Es gibt unzählige mehr: Ein stressiger Alltag, körperliche oder hormonelle Veränderungen oder auch der Konsum von Medikamenten führen oft zu einer verminderten Libido. Viele Menschen, die über längere Zeit keinen Sex haben, fragen sich: Ist das noch normal? Kann es gesundheitliche Folgen haben? Rund um das Thema Sexpausen kursieren zahlreiche Vorstellungen, die verunsichern oder Druck erzeugen. Sexualmediziner Gideon Sartorius nimmt die Mythen unter die Lupe. 

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Häufiger Sex ist der Beweis für eine funktionierende Beziehung

«Wir leben in einer Gesellschaft, in der man den Eindruck hat, dass man eine gewisse Sex-Frequenz erfüllen muss, um der Norm zu entsprechen», sagt Sartorius. «Das erste, was ich Paaren vermittle, ist, dass es kein Richtig oder Falsch gibt.» Wichtig sei, dass man miteinander spreche, sonst werde das Schweigen selbst zum Problem. Sartorius stellt Paaren oft die Frage: «Warum wollt ihr Sex haben?» Was zunächst banal klingt, führt meist zu spannenden Gesprächen. Denn hinter dem Wunsch nach Sex steckt oft mehr als reine Lust: Nähe, Entspannung, Bestätigung, Absicherung der Beziehung oder das Gefühl, verbunden zu sein. «Diese Erkenntnis kann entlastend wirken. Vor allem, wenn beide Personen merken, dass der penetrative Sex oder der Leistungsdruck rund um den Orgasmus ihnen mehr Stress als Freude bereitet.» Sprechen Paare das offen aus, könne eine neue Form von Intimität entstehen.

Intimität kann auf verschiedene Arten gelebt werden.
Foto: Shutterstock
2

Die Scheide ist nach einer Sexpause enger

Bei Frauen ohne Vorerkrankungen sei das ein Mythos, sagt Sartorius. «Es gibt aber bestimmte Situationen oder Krankheiten, bei denen es zu einer Verengung der Scheide kommen kann, wenn sie nicht regelmässig gedehnt wird.» Etwa bei Lichen sclerosus, einer chronisch-entzündlichen Haut- und Schleimhauterkrankung, die mit Juckreiz, Brennen und Schmerzen im Intimbereich einhergeht. Bei Frauen, die zum Beispiel wegen Gebärmutterhalskrebs eine vaginale Bestrahlung hatten, kann sich die Scheide ebenfalls verengen, wenn die Frauen danach nicht regelmässig Sex haben. Die Behandlung der Krankheit habe selbstverständlich Priorität, sagt der Experte, aber ab einem gewissen Punkt sei es wichtig, die Betroffenen darüber aufzuklären, dass Sex oder die Benutzung eines Dildos helfen kann, die Elastizität der Scheide beizubehalten. Dasselbe gelte für Frauen oder Transfrauen mit einer Neovagina, also einer künstlichen Vagina.

Erfahrener Sexualmediziner

Gideon Sartorius ist seit 2006 Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Er leitet an der Uni Basel das Diploma of Advanced Studies in Sexualmedizin / Sexualtherapie und am Unispital Basel die sexualmedizinische Sprechstunde an der Frauenklinik, wo er Frauen und Männer berät. Zudem ist er Mitgründer von Fertisuisse, einem medizinischen Zentrum mit Standorten in Olten und Basel, das sich auf Kinderwunschbehandlungen, Frauen- und Männergesundheit und Reproduktionsmedizin fokussiert.

PD

Gideon Sartorius ist seit 2006 Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Er leitet an der Uni Basel das Diploma of Advanced Studies in Sexualmedizin / Sexualtherapie und am Unispital Basel die sexualmedizinische Sprechstunde an der Frauenklinik, wo er Frauen und Männer berät. Zudem ist er Mitgründer von Fertisuisse, einem medizinischen Zentrum mit Standorten in Olten und Basel, das sich auf Kinderwunschbehandlungen, Frauen- und Männergesundheit und Reproduktionsmedizin fokussiert.

3

Männer leiden nach einer Sexpause häufiger unter Erektionsstörungen

Gemäss Experte gibt es keine soliden, wissenschaftlichen Untersuchungen, die diese Annahme bestätigen. «Allerdings berichten manche Männer, dass sie nach einer längeren Sexpause häufiger Schwierigkeiten mit der Erektion haben.» Dann gehen Fachpersonen aber auch der Frage nach, was zuerst war: Kommen die Schwierigkeiten tatsächlich von der Abstinenz, oder ist es eher umgekehrt? Das heisst, dass zuerst Schwierigkeiten mit Erektionen vorlagen und diese dazu führten, dass man Sex mehr und mehr vermeidet, so dass es dann zur Sexpause kommt? In beiden Fällen gebe es viele Behandlungsmöglichkeiten, sagt Sartorius. Beispielsweise mit erektionsunterstützenden Medikamenten in Tabletten- oder Spritzenform.

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Längere Sexpausen führen zu einem Libidoverlust

Das hänge stark von den individuellen Bedürfnissen und Begebenheiten einer Person ab, sagt Sartorius. «Bei kurzen Sexpausen ist es aber tendenziell so, dass die Lust steigt, bei längeren Sexpausen nimmt die Libido eher ab.» Das ist auch ein Grund, weshalb der Experte Paare – insbesondere bei bewusst gewählten Sexpausen – dazu ermutigt, die Selbstbefriedigung weiterhin zu pflegen, wenn die Lust darauf besteht. «Es geht darum, dass man die Freude an der Sexualität und der körperlichen Empfindung nicht vergisst.»

5

Regelmässige Ejakulationen senken das Risiko für Prostatakrebs

«Es gibt tatsächlich mehrere solide Studien, die diese Aussage bestätigen», sagt Sartorius. Besonders aussagekräftig seien die Daten für Männer zwischen 20 und 40 Jahren. Wer in diesem Zeitraum im Schnitt mehr als 21 Orgasmen pro Monat hat, weist ein signifikant geringeres Risiko für Prostatakrebs auf. Es gebe bisher keine nachgewiesene Erklärung dafür. «Am weitesten verbreitet ist die Theorie, dass das Ausscheiden der Prostataflüssigkeit bei der Ejakulation krebsverursachende Stoffe ausschwemmt, also einen reinigenden Effekt hat.»

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