Faule Beeren, süsser Nektar
Süssweine passen nicht nur zu Dessert

Sie sind die missverstandenen Weine auf der Karte, an die man sich aufgrund von fehlendem Know-how oft nicht herangetraut. Dabei können die sogenannten Süssweine oder Dessertweine mehr, als man ihnen zutraut. Wir verraten, womit Sie die Weine am besten kombinieren.
Publiziert: 11.01.2022 um 16:25 Uhr
<p>Trauben die vom Schimmelpilz Botrytis Cinerea befallen sind, werden für die Herstellung von Süsswein verwendet.</p>
Foto: iStockphotos
Marcel Koller

Ein Schimmelpilz macht den Anfang

Das Süssweine preislich hoch angesetzt sind überrascht viele Konsumenten. Schliesslich ist ein Schimmelpilz für die Entstehung dieser süssen Tropfen verantwortlich. Dabei muss man aber bedenken, dass aus der Ernte edelfauler Beeren nur ein Bruchteil an Wein hergestellt werden kann im Gegensatz zu normaler Ernte und herkömmlichem Wein.

Süssweine werden aus faulen Trauben gekeltert. Klingt absurd, da wir Schimmelpilz immer gleich negativ assoziieren. Dabei finden wir Schimmelpilze auf ganz verschiedenen Lebensmitteln wie zum Beispiel Blauschimmelkäse oder der Haut von Salami. Das heisst nicht, dass diese Lebensmittel dadurch verdorben sind. Der Schimmelpilz Botrytis cinerea, der für die sogenannte Edelfäule oder schöner gesagt Edelreife verantwortlich ist, perforiert mit seinen Enzymen die Haut der Trauben und entzieht ihrem Inneren Flüssigkeit. Dieser Prozess zieht sich über mehrere Tage oder gar Wochen, bis nur noch verschrumpelte kleine Rosinen übrig sind. Möglich ist das nur dann, wenn die Trauben bereits ausgereift sind und das Klima nicht zu feucht ist, ansonsten wird die Traube schlicht ungeniessbar faul und kann nicht mehr verarbeitet werden.

Der Süsswein

Wenn die vertrockneten Beeren schlussendlich zu Wein verarbeitet werden, kann der hohe Zuckeranteil in den Trauben (die Flüssigkeit hat der Schimmelpilz ja bereits ausgesaugt) von der zugegebenen Hefe für den Gärungsprozess nur noch bedingt abgebaut werden. Am Ende entstehen also Weine mit einem hohen Anteil an Restsüsse, die sogenannten Süss- oder Dessertweine.

Es ist ein Irrtum zu glauben, Weine dieser Art hätten keine Säure. Ganz im Gegenteil, sie haben sogar ganz viel Säure, der hohe Restzucker gleicht diese einfach stärker aus als in anderen Weinen. Es wird auch kein zusätzlicher Zucker zu den Weinen gegeben, um sie so süss zu machen.

Zum Dessert

Wie der Name schon sagt, sehr oft werden Süssweine zum Dessert serviert. Ein kleines Glas in Kombination mit einem leckeren Kuchen, einer Creme oder Mousse, ja sogar verschiedene Glaces mögen den Dessertwein als Begleiter. Dazu reicht meistens ein Glas – weshalb man diese Weine oft in den kleinen 0.375 oder 0.5 cl Flaschen sieht. Eine normale Flasche Süsswein trinkt man zum Dessert eher selten, ausser man ist eine grosse Gesellschaft.

Gegensätze ziehen sich an

Aufgrund der ausgeprägten Süsse und ihrer meist öligen Konsistenz hat man in Kombination mit süssen Speisen schnell ein Sättigungsgefühl, wenn es um Süsswein geht. Zucker mit noch mehr Zucker zu kombinieren, da ist klar kommt schnell der Punkt, an dem man genug hat. Ganz anders verhält es sich, wenn man einen Süsswein als Gegensatz zum Essen serviert. Zum Beispiel zu scharfem asiatischem Essen. Der Süsswein neutralisiert die Schärfe des Gerichts und entfaltet im Gegensatz ganz neue Aromen.

Genauso disharmonisch passen salzige Speisen zu Süsswein. Nicht umsonst empfiehlt der Sommelier gerne mal Sauternes und Kollegen zum abschliessenden Käsegang. Auch fettige Speisen sagen nicht nein zu diesem Begleiter. Entenleber- oder Gänseleberterrine wird in Frankreich traditionell mit einem Süsswein serviert. In den Kreisen der Weinkenner wird sogar darüber diskutiert, dass er zu Schweinebraten mit fetter Kruste ein Gedicht sein soll. Am Ende zählt wie immer der persönliche Geschmack.

Eisgekühlt zum Apéro

Wenn Sie mal etwas wirklich aussergewöhnliches ausprobieren und Ihre Gäste überraschen wollen, dann servieren Sie Süsswein eisgekühlt zum Apéro. Kombiniert mit salzigen Häppchen wie Käse, Salami, Rohschinken oder Oliven. Wichtig dabei ist, dass der Wein wirklich kalt ist und bleibt!


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