Darum gehts
- Teenagermütter in der Schweiz kämpfen mit Stigma und Isolation
- Fotoprojekt zeigt Teenagermütter aus der Schweiz und Tansania
- 1970 gab es 3560 Teenagermütter, heute nur noch etwa 200
Wer in der Schweiz als Teenager ein Kind zur Welt bringt, ist vor allem eines: ziemlich alleine. 2023 kamen rund 200 Babys von Frauen unter 20 Jahren zur Welt – nur 13 der Mütter waren 16 Jahre oder jünger.
«Das ist positiv», sagt die Sozialarbeiterin Karine Rossel (43). «Aber für jede einzelne Teenagermutter ist es eine enorme Herausforderung. Am meisten leiden sie unter Stigma und Isolation.» Rossel weiss, wovon sie spricht: Sie wurde selbst mit 16 Mutter und gründete später den Verein «JeunesParents», der junge Eltern unter 25 unterstützt.
Junge Mütter leiden unter Scham
Sie ist Teil des Fotoprojekts «Girl interrupted» des Zürcher Fotografen Felix Bucher (55). Die Porträts zeigen Teenagermütter aus der Schweiz und Tansania – zwei Welten, die kaum unterschiedlicher sein könnten. In Tansania bekommt fast jedes fünfte Mädchen vor dem 18. Geburtstag ein Kind. Häufig sind Armut, fehlende Sexualaufklärung oder sexueller Missbrauch der Grund. Viele Mädchen werden von ihren Familien verstossen, müssen die Schule abbrechen, und Komplikationen bei der Geburt sind keine Seltenheit.
Was die jungen Mütter aus beiden Ländern verbindet, ist laut Rossel die Scham. «Sich zu zeigen, braucht viel Mut – darum berühren mich diese Porträts sehr. Es ist wichtig, dass Teenagermütter sichtbar werden.» In der Schweiz sei die Lage zwar sicherer, aber dennoch nicht einfach. «Wer unter 25 Jahren Eltern wird, riskiert, in die Armutsfalle zu geraten. Besonders, wenn die Unterstützung der eigenen Eltern oder des Kindsvaters wegfällt, macht das einen enormen Unterschied.»
Keine Ausbildung führt in die Armut
Häufig bleibe die Ausbildung auf der Strecke. «Das hat nichts mit Faulheit zu tun – ein kleines Kind ist ein Vollzeitjob. Viele können es sich schlicht nicht leisten», sagt Rossel. Ohne Auffangnetz setze ein verheerender Teufelskreis ein, den sie in ihrer Arbeit als Sozialarbeiterin und Beiständin oft erlebt hat: «Als isolierte und alleinerziehende Mutter ist ein Lehrabschluss fast unmöglich. Kein Geld, keine Wohnung, keine Betreuungsmöglichkeiten – so enden viele junge Mütter in der Armut.»
Dafür setzt sich Rossel inzwischen auch auf politischer Ebene ein. Im Februar hat sie gemeinsam mit Michèle Theytaz Grandjean, Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Familienfragen (EKFF) und Generalsekretärin von Pro Familia Vaud, einen Policy Brief verfasst. Der Bericht bündelt Forschung und Empfehlungen, um Politikern die Realität junger Eltern vor Augen zu führen – insbesondere das Risiko, ohne Abschluss in Armut zu geraten, und den Mangel an bezahlbarer Betreuung. Um das zu ändern, fordern die Autorinnen besseren Zugang zu Ausbildung und Kinderbetreuung. Zwar ist die Zahl junger Eltern in der Schweiz klein, doch ihre Lage bleibe «prekär und politisch unterschätzt», sagt Rossel.
Mütter werden immer älter
Zwar ist die Zahl der Teenagermütter stark zurückgegangen – 1970 wurden noch 3560 Kinder von Müttern unter 20 Jahren geboren, heute sind es rund 200. Die Gründe liegen in besserer Aufklärung, leichterer Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln und einem gesellschaftlichen Wandel: Viele junge Frauen wollen zuerst Ausbildung oder Karriere abschliessen, bevor sie Mutter werden. Das zeigt sich im steigenden Durchschnittsalter der Eltern: Frauen sind bei der Geburt ihres ersten Kindes heute durchschnittlich 31,3 Jahre alt.
Und doch bleiben die Fragen dieselben: Wie lässt sich Ausbildung, Betreuung und Einkommen organisieren, wenn man selbst noch kaum erwachsen ist? «Je nach sozialem Umfeld können junge Mütter schnell vereinsamen», sagt Rossel. Aber in jungen Jahren Mutter zu werden, sei nicht nur negativ. «Ich hatte mehr Energie, um nachts aufzustehen und ich machte mir viel weniger Sorgen, was alles schiefgehen könnte als bei meinen späteren Schwangerschaften.»
Rossel bekam mit 21 Jahren ihr drittes Kind und schloss die Matura ab. Inzwischen ist sie Grossmutter: «Es macht Freude in so jungen Jahren eine kleine Enkelin zu haben.» Derzeit ist sie Doktorandin in Sozialer Arbeit an der ITTS, Neuchâtel. «Entscheidend ist, dass junge Eltern sich austauschen und Unterstützung bekommen und sich nicht schämen müssen.»
«Girl Interrupted», Fotoausstellung und Talk des NGOs On Board Together, moderiert von Astrid von Stockar, Samstag, 11. Oktober, 15 Uhr, Art1418@Gynhealth, Tessinerplatz 12, Zürich
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