Erfolgreich in Sport, Politik und Kultur
Kosovaren mischen Schweizer auf

Die grosse Community der Menschen mit kosovarischen Wurzeln prägt die Schweiz mit. Ein Anlass wie das Spiel Schweiz-Kosovo ist für sie ein Freudenfest. Ihr Einfluss auf die Gesellschaft beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Sport.
Publiziert: 00:01 Uhr
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Am Freitag treffen die Nationalmannschaften der Schweiz und des Kosovo in einem Fussballmatch zur WM-Qualifikation aufeinander.
Foto: TOTO MARTI

Darum gehts

  • Fussballspiel Schweiz gegen Kosovo: Freudenfest für kosovarische Diaspora in der Schweiz
  • Rund 250'000 Menschen mit kosovarischen Wurzeln leben in der Schweiz
  • Sie prägen die Schweiz in Sport, Politik und Kultur
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Wenn am Freitag die Nati gegen Kosovo spielt, ist das für die kosovarische Diaspora in der Schweiz weit mehr als ein Fussballmatch. «Es ist ein absolutes Freudenfest», sagt die Schriftstellerin Shqipe Sylejmani (37). «Wir gehen als Gewinner vom Platz, egal wie das Spiel ausgeht.» Die Begegnungen zwischen den beiden Nationalmannschaften hätten etwas von einem grossen Familientreffen.

Bujar Mehmeti (37), Präsident vom FC Prishtina Bern, sagt, Fussball bedeute Kosovaren viel: «Fussball ist für uns die Sportart Nummer eins, danach kommt lange nichts mehr.» Er erklärt sich das mit dem niederschwelligen Zugang zum Sport, den man mit einfachen Mitteln betreiben kann.

Den FC Prishtina Bern wurde 1990 von Migranten aus dem Kosovo gegründet; der Klub war aber von Beginn weg offen für alle. Trotzdem ist der Klub ein Ort, wo Kosovaren zusammenkommen – etwa, weil sie bei 1.-Liga-Heimspielen auf Landsleute treffen und in der Pause albanische Musik läuft.

Eine vielschichtige Gemeinschaft

In der Schweiz leben rund 250’000 Menschen mit kosovarischen Wurzeln; eine homogene Gruppe sind sie nicht: «Ich exponiere mich oft, kann aber natürlich nie die Meinung aller aus der Community vertreten», sagt Schriftstellerin Sylejmani. Gemeinsam sei der Diaspora vor allem der Blick auf historische Kernfragen, etwa die Befreiung und Anerkennung Kosovos als eigenständiger Staat.

In vielen anderen Fragen gingen die Meinungen auseinander, gerade zwischen den Generationen. Während ihre eigene Generation noch stark mit der Vorstellung einer Vereinigung von Albanien und Kosovo aufgewachsen sei, grenzten sich viele Jüngere klar als Kosovarinnen und Kosovaren ab.

Ein kühler Empfang

Bereits in den 1960er-Jahren suchten Menschen aus dem damaligen Jugoslawien in der Schweiz Arbeit. Ab den 1980er-Jahren kamen aufgrund politischer Unterdrückung weitere Kosovarinnen und Kosovaren in die Schweiz. Unter Slobodan Milošević (1941–2006), dem damaligen jugoslawischen Präsidenten, wurden die Autonomierechte des Kosovo stark eingeschränkt, die albanische Bevölkerung unterdrückt und politische Aktivistinnen und Aktivisten verfolgt. Den grössten Zustrom erlebte die Schweiz während des Kosovo-Krieges 1998 und 1999. Zehntausende Menschen suchten Schutz vor Gewalt und Zerstörung.

Mit offenen Armen wurden sie nicht unbedingt empfangen, viele in der Schweiz brachten den Geflüchteten Skepsis und Vorurteile entgegen. Medienberichte und politische Kampagnen verstärkten negative Stereotype. Dies war auch in den frühen 2010er-Jahren noch spürbar, als die SVP mit dem Inserat «Kosovaren schlitzen Schweizer auf!» provozierte.

Was schon damals für Empörung sorgte – und vom Bundesgericht als rassistisch eingestuft wurde –, wäre heute undenkbar. Kosovarinnen und Kosovaren sind in der Schweiz nicht nur integriert, sondern auch Vorbilder für andere – und dies nicht nur im Fussball.

Im Nationalrat und in den Charts

Ein Beispiel dafür ist Nationalrat Islam Alijaj (39). Er wurde in Gjakova im Kosovo geboren, lebt aber seit seiner Kindheit in der Schweiz. 2023 wurde er ins Parlament gewählt und ist damit der erste Abgeordnete mit kosovarischen Wurzeln auf Bundesebene.

Eine weitere bekannte Persönlichkeit ist der Rapper EAZ (31), der mit bürgerlichem Namen Arber Rama heisst. Mit über 230’000 monatlichen Hörerinnen und Hörern gehört er zu den angesagtesten Schweizer Musikern. Seine Eltern sind jung aus dem Kosovo in die Schweiz eingewandert.

Für viele Menschen mit kosovarischen Wurzeln bleibt die kulturelle Verbundenheit wichtig. «Natürlich tragen alle die Kultur in sich. Aber wenn wir in der Diaspora von kosovarischer Kultur sprechen, schwingt immer auch Nostalgie mit», sagt Shqipe Sylejmani. Oft werde alte Musik, Literatur oder Poesie gefeiert, während das Leben im Kosovo inzwischen moderner sei.

Vereinskultur ist wichtig für Identitätsfindung

Bei den Jüngeren sei die Verbindung zur kosovarischen Kultur im Alltag weniger ausgeprägt, sagt Sylejmani. Dennoch spielten Vereine eine grosse Rolle: «Es gibt sehr viele Vereine, in denen kosovarischer Gesang und Tanz gepflegt wird. Diese Vereinskultur kennen wir aus der Schweiz und sie ist sehr wichtig für die Identitätsfindung junger Menschen.»

Und dann ist da der Fussball, der für viele eine Brücke gebaut hat. Nicht nur, weil Spieler mit kosovarischen Wurzeln in der Schweizer Nationalmannschaft zu Symbolfiguren wurden. Sondern auch, weil auf den Fussballplätzen der Schweiz Kinder und Eltern aus beiden Communitys aufeinandertreffen. «Integration bedeutet nicht nur, dass die eine Seite sich anpasst. Es bedeutet auch, dass die andere sie willkommen heisst. Genau das hat mit dem Fussball begonnen», sagt die Autorin.

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